„Erzählen in Bildern“ im Clemens Sels Museum

9. Mai 2019 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur

Märchen und Sagen in Gemälden der Romantik

Wort und Bild mögen sich ergänzen – doch können sich auch ersetzen. Im besten Fall aber voneinander profitieren oder sich erhöhen. Dichtung und Malerei passt das zusammen? Seit jeher stehen sie in einem Spannungsverhältnis. Von Kritikern und Künstlern schon auf verschiedensten Weisen beurteilt, so gibt es zwei, die die Schwesterkünste im Verbund und als einander förderlich verstanden: Edward von Steinle (1810-1886) und sein Schüler Leopold Bode (1831-1906). Das Clemens Sels Museum widmet sich ihrer – aus der breiten Öffentlichkeit versunkenen – Kunst in seiner Frühjahrsausstellung. Mehr als 30 Bilder und Bildzyklen, darunter wertvolle Leihgaben aus namhaften Sammlungen, werden noch bis zum 30. Juni präsentiert.

Die aktuelle Ausstellung im Clemens Sels Museum lädt den Betrachter ein, in eine Bilderwelt einzutauchen, die seit Jahrzehnten untergegangen schien – und vergessen war. Märchenhafte Bilder reihen sich aneinander, um zu erzählen. Dichtung offenbart sich durch Malerei. Der Maler wird als Dichter entdeckt.

Edward von Steinle und Leopold Bode stehen mit ihren Werken für eine Malweise, die bis ins späte 19. Jahrhundert großen Zuspruch fand und deren Bildsprache sich bis weit ins 20. Jahrhundert fortsetzte. Steinle zählte zu den führenden nazarenischen Malern der zweiten Generation, nach Peter Cornelius und Friedrich Overbeck, deren Freund und Schüler er war. Der gebürtige Wiener lebte ab 1839 in Frankfurt am Main, wo er ab 1850 Professor für Historienmalerei am Städelschen Kunstinstitut und einer der meistbeschäftigten Maler religiöser Bilder in Deutschland war. Der in Offenbach am Main geborene Bode war Schüler und zeitweiliger Mitarbeiter Steinles bei Großprojekten wie den Fresken im ersten Wallraf-Richartz-Museum.

Von Shakespeare, Brentano und den Gebrüdern Grimm

In der Neusser Schau werden Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen der beiden Künstler mit Motiven aus Sagen und Märchen des Mittelalters und der Romantik in acht thematischen Kapiteln präsentiert. Erstmalig in dieser Form und mit Leihgaben aus bedeutenden Sammlungen, wie dem Frankfurter Städel Museum, dem Berliner Kupferstichkabinett und aus der reichen Sammlung des Münchner Kooperationspartners, der Sammlung Schack. Für den Münchner Adolf Friedrich Graf von Schack (1815-1894), selbst Dichter und Übersetzer, war Literatur ein Lebenselixier. Auch die Malerei galt ihm nur als Kunst, wenn sie „von poetischem Geist durchdrungen“ war. Schack war mit beiden Künstlern bekannt und sammelte mit großer Leidenschaft ihre Werke. Der Grundstein einer einzigartigen Sammlung.

Durch Edward von Steinles freundschaftliche Beziehung zum Dichter Clemens Brentano fanden literarische Stoffe Eingang in sein Werk. Brentanos Märchen und Erzählungen, später auch die Komödien William Shakespeares, die Märchen der Gebrüder Grimm und Wolfram von Eschenbachs Epos „Parzival“, gaben die Anregungen zu Steinles bemerkenswerten Kompositionen. In feinsinnigen, detailreichen Arrangements spürte dieser die Essenz der literarischen Vorlagen auf, ohne in eine reine Illustrationskunst abzugleiten. Die Aquarelle und Ölgemälde sind Bildschöpfungen eigenen Ranges und Charakters, der Maler wird selbst zum Dichter und Deuter der Werke. Leopold Bode hat sich ab den 1870er-Jahren ganz auf das Märchen- und Sagenbild spezialisiert. In Bilderzyklen und Mehrfeldbildern hat er Stoffe aus Shakespeares Komödien, den Sagen um Kaiser Karl den Großen und mittelalterlichen Epen dargestellt. Bode entwickelte einen spezifischen Märchenton, der den Zauber Shakespeare‘scher Stoffe oder das Sagenhafte der mittelalterlichen Epen erfasste.

Wieder- und Neuentdeckungen

Die Ausstellung schlägt noch ein weiteres Kapitel auf: das Rheinland als Wirkungsstätte beider Künstler. Denn kaum bekannt ist, dass sowohl Steinle als auch Bode hier viele Aufträge hatten, Bauten zu bemalen. Der Kölner Dom zählt dazu, das alte Wallraf-Richartz-Museum und Sakralbauten in Neuss ebenso. Beeindruckende Leihgaben dokumentieren dies.

Beide Künstler sind heute nahezu vergessen und werden in dieser Ausstellung wiederentdeckt. Zahlreiche Werke werden gezeigt, die noch nie oder seit mehr als einem Jahrhundert nicht mehr öffentlich ausgestellt wurden. Zu den schönsten Wiederentdeckungen gehört der große Aquarellzyklus nach den Erzählungen von Clemens Brentano, den Steinle 1854 für den Neffen des Dichters gemalt hat – eines der Hauptwerke des Künstlers. In der Ausstellung sind erstmals drei der ehemals sechs Kartons wiedervereint.

Zur Ausstellung ist ein 216-seitiger Katalog für 26,80 Euro erschienen.

Öffnungszeiten: Di. bis Sa. 11-17 Uhr und So. + Feiertag 11-18 Uhr, letzter Do. im Monat 11-20 Uhr. TIPP: Jeden ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt frei!

Event zur Ausstellung: Am Samstag, den 18. Mai, ab 18.30 Uhr, „kUNSt gehört die nacht“ im Clemens Sels Museum. Dieser Abend richtet sich speziell an Schüler, Studierende sowie junge Erwachsene und steht thematisch zur Sonderausstellung im Zeichen von Märchen und Sagen. Mit Poetry Slam, Speed-Dating zur Kunstgeschichte, Quiz, DJ und vielem mehr. Infos unter

www.clemens-sels-museum-neuss.de