„Das Echo der Flüsse“ im TAS: Temperamentvoller Wellenschlag
8. November 2017 | Von Stuckstaette | Kategorie: Aktuelles, Neusser KulturSie, drei Musiker, landen an einem verwaisten Fähranleger. Sie hier – der Job, er wartet auf der anderen Seite, am nicht zu erreichenden Ufer des Rheins. Und was machen Musiker in einer ausweglosen Situation? – Klar, Musik – aus Leib und Seele. Zu hören jetzt im Theater am Schlachthof mit Songs rund um Flüsse, Sehnsucht und Schmerz. Ein zauberhaft unterhaltsamer Abend, mit Witz und tollen Interpretationen – von betörenden Sängerinnen.
Eine musikalische Fährfahrt“, so steht es im Programmheft. Das trifft es gut. Zwar bewegt sich das dreiköpfige Team aus Edwin Schulz, Franka von Werden und Marlene Zilias nicht auf dem Fluss nach vorne, sondern ist es jenseits der „Zivilisation“ gestrandet. Denn das Navi hat die drei Musiker, die für einen Event gebucht waren, an einen stillgelegten Fähranleger geführt. Seit 1976 läuft hier nichts mehr. Das allein wäre ja noch okay, wenn nicht zudem das Auto schon auf dem letzten Tropfen Benzin in die Einöde gerollt wäre und ihnen so die lange Rückstrecke verwehren würde. On top – man ahnt es schon – sind die Handy-Akkus platt und der Kontakt zum Umfeld somit gänzlich abgeschnitten. Bissel viel auf einmal? – Kann sein, aber es ist Theater – Musiktheater. Und da darf man aus dem Vollen schöpfen. Zumal, wenn es wie hier in eine so wundervoll freche, schwungvolle und einnehmende Szenerie führt.
Die Charaktere sind gut abgemischt: Da hätten wir Welle, den Pianist, der überall noch verlockende Töne rausholt, ansonsten eher ruhig bis stoisch ist. Er probiert – und irgendwie klappt immer was. Sei es, ein Abendessen zu zaubern und ohne zivilisierten Feuerzünder einen Fisch zu braten, oder ein altes Fährschiffswrack zum Leben zu erwecken und einem verwahrlosten Klavier zauberhafte Melodien zu entlocken. Er, der im Stück auch die musikalische Verantwortung hat – und den wir gerade schon bei den Musicalwochen für seine große Begabung, Musikerlebnisse aus Darstellern zu kitzeln, zu schätzen wussten – macht es gelassen und lässt seinen Mitstreiterinnen den exaltierten Vortritt.
Power-Ladys mit Gefühl und Rhythmus
Diese heißen im Stück Line und Jaqui. Die eine hat eine Pfadfindervergangenheit und orientiert sich in der Wildnis bestens. In Nostalgie schwelgend, verklärt sie mitunter die Situation gar zum romantischen Ausflug. Die andere, sie kann dem unfreiwilligen Naturtrip wenig abgewinnen. Sie neigt sonst eher zum Luxus, genießt sexy Auftritte und trennt sich ungern von ihren roten Pumps. Die bevorstehende Nacht unter freiem Himmel und ohne Federbett treibt ihr die Hysterie in den Körper. Ihrer Stimme tut das aber keinen Abbruch, im Gegenteil. Denn diese „Dame“ hat Temperament. Das kennen wir schon von ihrem TAS-Auftritt als Miss Trixi an der Wetterfront. Wenn Franka von Werden die Stimme erhebt, dann wird es still im Publikum. Kein Schock, sondern „Faszinationsstarre“ macht sich breit im Saal. Zusammen mit Marlene Zilias, hier mal ohne Violine, und nicht weniger durchschlagend, heizt die „Power-Lady“ ein. Das Repertoire der beiden ist vielseitig. Ob “Down By The Riverside”, „Moon River“, „Bridge Over Troubled Water“, „Die Forelle“ oder „Rolling On The River“, ob im Solo oder im Duett, hier wird bunt abgemischt; melancholisch, witzig wie auch rockig. Daneben gibt es natürlich auch etwas Geschichte, wie sollte es im TAS anders sein. Ein altes aufgefundenes Logbuch hat interessante Eintragungen zu bieten, erzählt von Truppentransporten der 40-er Jahre, Nachkriegstanzfahrten und von Rheinverschmutzungen der 70-er.
Eine skurrile Begegnung, ein bisschen Rheinland-Historie und ein Schuss Kritik, so baut sich die Story. Das ist das bewährte Potpourri des TAS. Dafür steht Macher, Regisseur und TAS-Spielleiter Markus Andrae mit seinem Namen. Und angelt gekonnt sein Publikum. Bei derart tollen Songarrangements aus den Kehlen zweier bezaubernder Sängerinnen lässt dieser Abend kein anderes Fazit gelten: klasse!
(Nähere Infos unter http://www.tas-neuss.de)
Marion Stuckstätte