Nicht schwarz – nicht weiß, sondern differenziert

11. April 2017 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur

Foto: PonyCamp von Frederico Pedrotti

27. Shakespeare Festival im Globe Neuss

Es sind die Töne dazwischen, die Meister -Shakespeare so vortrefflich beherrschte. Die Nuance, die Geschichtenvielfalt und die Sprachfeinheit. Ein Reichtum künstlerischen Schaffens, der nach seinesgleichen sucht. Drum besetzen seine Werke noch heute, über 400 Jahre nach ihrem Erschaffen, alle großen Bühnen. Das mag auch den außergewöhnlichen Zuspruch des hiesigen Shakespeare Festivals erklären. In diesem Jahr ist es wieder bestens ausgestattet: Vom 9. Juni bis 8. Juli 2017 stehen 33 Veranstaltungen aus England, Portugal, Frankreich, Belgien, Deutschland und zum wiederholten Mal auch aus der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong auf dem Plan. Das Spektrum reicht vom „Shakespeare für Anfänger“ bis zu den anspruchsvollsten Inszenierungen und Musikdarbietungen. 

Auch wenn man hier in Neuss die Berechtigung des Shakespeare Festivals nicht wirklich erklären muss, so ließ sich doch Programmmacher Dr. Rainer Wiertz auf der diesjährigen Pressekonferenz zum vierwöchigen Theaterevent nicht nehmen, auf die Bedeutung der Kunst gerade in dieser unserer Zeit hinzuweisen. Grund seines Intros waren die erschreckenden Auftritte und zunehmenden Erfolge undemokratischer Machthaber in der Welt, die Wiertz ins Grübeln und in Rage brachten. Was bedeutet Kunst, wer will sie heute noch und wer kann sie verstehen? Sicher nicht, so der künstlerische Festivalleiter, derartige „Vertreter des Populismus“ und „Gegner der Intelligenz“. Doch trotz anfänglicher Lähmung sei ihm klar geworden, wie wichtig gerade jetzt solch ein Festival sei. „Um zu widerstehen“, das ist ein besonderer Anreiz für ihn. Denn wo könne man differenzierter sehen, Menschen und Gesellschaft besser als etwas Komplexes begreifen, als in der Kunst und im Theater. Schwarz und weiß, Ignoranz und Verblendung – so einfach ist die Welt nicht. Auch wenn manch einer gerade versucht, mit primitiven Floskeln Massen davon zu überzeugen.

Reflexion und Vielfalt und Internationalität kennzeichnen das Shakespeare Festival“, sagt Wiertz. Solchen Verblendungsszenarien stelle sich Shakespeare. Wer ins Theater gehe, der denke auch. „Diese Sicht hat mir auch einen enormen Impetus fürs Festival gegeben.“ Und die Einsicht: „In der Kultur haben wir die Möglichkeit, ein solch differenziertes Bild zu zeichnen und den Menschen eine solche Sicht zu gewähren.“

Mit feinem Gespür das Denken anregen

Kunst und ihr Stellenwert, da setzt das Festival in diesem Jahr an – und hat Bestand. Erklären muss es sich nicht, 14.500 Besucher im vergangenen Jahr und eine Auslastung von 93% sprechen für sich. Aus rund 150 Städten reisen die Besucher jeden Sommer in die Quirinusstadt, um das Ereignis nicht zu verpassen. Die Karten sind meist schnell vergriffen. Ob „Othello“ aus Bristol, „Macbeth“ aus Hongkong ebenso wie aus Lissabon oder „Romeo & Juliet“ sowie „Twelfth Night“ aus Newbury oder „König Lear“ aus Potsdam, die Vielfalt ist wieder immens. Das Spektrum reicht von der klassischen über die humorvolle bis hin zur modernen Interpretation, wie sie beispielsweise die Otto-Falckenberg-Schule aus München mit „Pony Camp: Troilus & Cressida“ auf die Bühne bringt. Zudem werden zwei Stücke anderer Shakespeare zeitnaher Autoren geboten: „The Alchemist“ von Ben Jonson (1572-1637), vorgetragen von den Mountview Productions aus London und „Le Cid“ von Pierre Corneille 1606-1684), gespielt vom Atelier Théâtre Actuel aus Paris.

On Top gibt es einen Kinder-Shakespeare-Tag, Lehrerfortbildungen, interaktive Führungen im Globe, Workshops für Schüler und vieles mehr. Neu im Programm ist „Discover Shakespeare“, gedacht für alle Theaterfans und Shakespeare-Begeisterten und die, die es werden wollen. Denn am Samstag, den 1. Juli wird den Teilnehmern einiges geboten. Los geht es um 14 Uhr mit einem zweieinhalbstündigen Workshop. Danach folgt ein Picknick, eine Stückeinführung und die Aufführung von „König Lear“; und im Anschluss ein Publikumsgespräch mit Schauspielern und dem Regisseur. Ein Nachmittag und ein Abend umfassend angereichert mit dem elisabethanischen Wortakrobaten (Info und Anmeldung unter www.shakespeare-festival.de/de/education).

Wer das nicht wählt, der wird gewiss anderweitig fündig. Mit Highlights, Kuriositäten und Überraschungen spart das Festival nicht. Auch Altbekannte wie die Bremer Shakespeare Company oder Caroll Vanwelden mit ihrer Jazzband sind wieder im Rennbahnpark. Daneben werden erstmals parallel zum Festival legendäre Shakespeare-Verfilmungen in Programmkinos gezeigt.

Tickets, zzgl. 12 Prozent Vorverkaufsgebühr, bei den bekannten Vorverkaufsstellen, telefonisch unter 02131/526 999 99 – montags bis freitags von 8 bis 20 Uhr, samstags von 9 bis 18 Uhr sowie sonntags und an Feiertagen von 10 bis 16 Uhr – oder im Internet unter http://www.shakespeare-festival.de.