Neusser Partnerstädte Teil 3: Pskow – Unsere Partnerstadt in Russland
6. Juli 2016 | Von Annelie Höhn-Verfürth | Kategorie: Aktuelles, Neusser LebenPskow ist nun die dritte im Bunde der fünf Neusser Partnerstädte. Mit Pskow ist Neuss genauso lange verbunden wie mit Rijeka in Kroatien: ganze 26 Jahre. 1990 wurde auch dieser Partnerschaftsvertrag unterschrieben und seitdem mit Leben gefüllt. Mögen die deutsch-russischen Beziehungen auf nationaler Ebene zurzeit nicht ganz problemlos sein, der Freundschaft zwischen Neuss und Pskow tut dies keinen Abbruch. Seit jeher besteht auf beiden Seiten ein reges Interesse am Austausch und Miteinander.
Natürlich kann man das nicht ausblenden, aber gerade auf kommunaler Ebene bauen Partnerschaften, wie Neuss und Pskow sie führt, Brücken zu gegenseitigem Verständnis, gegenseitiger Toleranz und Unterstützung“, findet der Neusser Bürgermeister Reiner Breuer, der Ende Mai seinen Antrittsbesuch in Pskow absolviert hat. Er sieht Neuss und Pskow „auf Augenhöhe“: „Beide Städte haben von Anfang an voneinander gelernt.“ Das belegen die zahlreichen Verbindungen zwischen den Partnerstädten. Die Realschule Holzheim, das Nelly-Sachs- und das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium pflegen einen regelmäßigen Schüleraustausch mit Pskower Schulen. Darüber hinaus gibt es auf Initiative des Vereins zur Förderung der Städtepartnerschaft Neuss-Pskow e.V. eine Zusammenarbeit zwischen dem Alexander-von-Humboldt-Gymnasium und der pädagogischen Universität Pskow: Gerade waren wieder zwei russische Studentinnen für vier Wochen an dem Gymnasium, um mehr über das deutsche Schulsystem zu erfahren. Weitere Kontakte gibt es unter anderem zwischen den Fotoclubs der Städte, zwischen Chören, Tierschutzorganisationen und zwischen der Kinderklinik des Lukas-Krankenhauses und dem Kinderkrankenhaus Pskow. Nicht zu vergessen sind im sportlichen Bereich die Verbindungen der Eishockey- und Handballvereine beider Seiten. Beim traditionellen Quirinus-Cup im Mai war natürlich auch eine Pskower Mannschaft. Aber besonders enge Kontakte bestehen seit jeher zwischen der Neusser Feuerwehr und den Kollegen in Pskow. Und zwar in Verbindung mit dem intensiven Engagement des bereits oben genannten Fördervereins Neuss-Pskow. Entsprechend positiv fällt die Bilanz Reiner Breuers aus: „Pskow ist eine sehr reizvolle Stadt. Die Menschen sind sehr gastfreundlich und möchten ihre Stadt bestmöglich präsentieren. Viele Menschen haben sich spontan auf Deutsch verabschiedet, was mir persönlich zeigt, wie wichtig den Bürgerinnen und Bürgern die deutsche Freundschaft ist.“
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Hilfe für Pskow
Zwei Neusser Institutionen engagieren sich seit Jahren in besonderem Maße für Pskow: der Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Neuss-Pskow e.V. und die Neusser Feuerwehr. Der Verein gründete sich ein halbes Jahr nach der Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags. Eigentlich hatte er sich laut Satzung zum Ziel gesetzt, „auf den Gebieten Umweltschutz, Kultur, Sport, Bildungswesen, Sozial- und Gesundheitswesen die guten Beziehungen zwischen der Stadt Neuss und der Stadt Pskow zu fördern und weiter zu entwickeln“. Das gilt auch bis heute. Aber zuerst mussten ganz andere Prioritäten gesetzt werden: Pskow benötigte dringend humanitäre Hilfe. „Die Stadt Pskow war in den 90-er Jahren, so wie die meisten Städte in Russland, aufgrund der politischen Situation von Europa weitestgehend abgeschnitten. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Stadtstruktur musste vor allem nach der „Perestroika-Bewegung“ neu aufgebaut werden“, erklärt Reiner Breuer. Und Bernhard Stöcker, 1. Vorsitzender des FV Neuss-Pskow und als Mitarbeiter der Feuerwehr fast von Anfang an dabei, ergänzt: „Die Menschen dort hatten nichts zu essen. Sie hatten kein Geld, aber es gab aber auch nichts zu kaufen.“ So organisierte die Stadt Neuss zusammen mit dem Förderverein und der Feuerwehr etwa zweimal jährlich Hilfstransporte ins fast 2000 km entfernte Pskow, mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Kleidung und auch Baumaterial. Außerdem kümmerte sich die Feuerwehr um das Internat Nr. 1, ein Kinderheim mit Schule, das mit ihrer Hilfe saniert, restauriert sowie mit Hilfsgütern versorgt wurde und bis heute unterstützt wird. „Wir haben einmal im Jahr dafür Urlaub genommen und sind mit zwei Mannschaftswagen, acht Feuerwehrleuten und einem Arzt nach Pskow gefahren“, erzählt Stöcker. Das Neusser Ehepaar Käthe und Friedrich Halbach, auch Mitglieder des Fördervereins, baute zusätzlich in privater Initiative eine Suppenküche und eine Kleiderkammer auf, die es über viele Jähre selber leitete. Inzwischen ist die Suppenküche nicht mehr nötig, aber noch übrig gebliebene Spendengelder werden für humanitäre Projekte eingesetzt: So konnte Breuer bei seinem Besuch eine Schenkungsurkunde für zwei Absaug- und Beatmungsgeräte für die Intensivstation der Pskower Kinderklinik überreichen. „Im September wird der Stadtpräsident Iwan Zezerski meiner Einladung folgen und mit einer offiziellen Delegation nach Neuss reisen. Mit diesem Treffen wollen wir die Beziehung zum Lukaskrankenhaus und der Kinderklinik Pskow vertiefen“, so Breuer.
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Zu Besuch in Pskow
Pskow ist die erste Partnerstadt von Neuss, in der die Römer nicht waren. Das bedeutet aber nicht weniger Geschichte. Pskow liegt in der Nähe der Grenze zu Estland, rund 290 km südwestlich von St. Petersburg entfernt, und ist mit einer ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 903 eine der ältesten russischen Städte. Zunächst war die Stadt eine mächtige Grenzfestung, im Verlauf des Mittelalters selbständiges Fürstentum und das Zentrum einer selbständigen Republik. Außerdem war sie zur Zeit der Hanse ein wichtiger Stützpunkt für Reisende. Ab dem 15.Jahrhundert gewann sie zunehmend an Bedeutung im Bereich der Baukunst und der Ikonenmalerei, wurde Bischofssitz und damit bis ins 19. Jahrhundert ein religiöses Zentrum der Region. Im 2. Weltkrieg litten die Bewohner der Stadt und ihres Umlandes unter der brutalen Besatzung durch die deutsche Armee. Unter der folgenden Sowjetherrschaft verlor Pskow seine Bedeutung als religiöses Zentrum, da die meisten Klöster und Kirchen geschlossen oder sogar zerstört wurden. Doch hat sich das seit der Perestroika wieder geändert. Heute ist Pskow mit rund 200.000 Einwohnern eine bedeutende Industriestadt der Russischen Föderation und mit den zahlreichen Baudenkmälern, Kirchen, Klöstern und Museen beliebter Anziehungspunkt für Touristen und eben auch für Gläubige aus ganz Russland. Als besonders schönes Wahrzeichen der Stadt gilt der Kreml von Pskow. Bernhard Stöcker war inzwischen schon über vierzig Mal dort und betrachtet Pskow als „zweite Heimat“, mit der ihn viele Freundschaften verbinden: „Ich habe mich in das Land, die Stadt, die Menschen verliebt.“ Besonders lobt er die Freundlichkeit der Menschen. „Die Gastfreundschaft der Russen muss man selber erleben. Die ist einfach überwältigend“, sagt er. Auch Bürgermeister Breuer hat Pskow gefallen: „Ich werde definitiv nochmal in unsere Partnerstadt reisen.“