Balé da Cidade de São Paulo auf den Internalen Tanzwochen Neuss – Saisonausklang mit temperamentvoll sinnlicher Truppe
9. März 2016 | Von Stuckstaette | Kategorie: Neusser KulturAus der Ferne Brasiliens reisen sie an, um der laufenden Tanzwochensaison einen gebührenden, niveauvollen Ausklang zu bereiten. Einige künstlerische Kostbarkeiten hatte die Reihe 2015/16 schon zu bieten, ob mit der namhaften Martha Graham Dance Company aus New York im November oder den feingeistig kreativen Choreographien eines Alonzo King Lines Ballets aus San Francisco. Nun sind die südamerikanischen Tänzer von Compagnie-Chefin Iracity Cardoso am Werk, zeitgenössischen Tanzgenuss auf die hiesige Stadthallenbühne zu bringen. Eine Truppe, die nicht zu Unrecht in ihrem Land große Anerkennung hat, und international mehr und mehr Aufmerksamkeit erlangt. Schon allein Itzik Galilis pfiffig witziges Stück „O Balcão de Amor“ (Balkon der Liebe), das am 5. März u.a. zur Aufführung kommt, ist einen Besuch wert.
Da gibt es keinen Tänzer, der nicht das Bein richtig heben kann“, so der Programmmacher der Internationalen Tanzwochen Neuss, Dr. Rainer Wiertz, in Vorfreude auf das „Balé da cidade de São Paulo“. „Die sind alle hervorragend.“ Mit dieser Meinung steht er nicht allein. „Eine grandiose brasilianische Truppe“, so einhellig die Nachkritiken deutscher Gastspiele. Denn diese Tänzer vereinen Tempo, Grazie und Leidenschaft und führen sie zur kreativen Perfektion. Eigentümliche Interpretationen treffen auf tadellose Umsetzung, fließend wie akrobatisch. Ein Augenschmaus, der sich aus verschiedensten Tanz-Elementen, vom Neoklassischen bis hin zum Tanztheater, nährt und diese mit südamerikanischem Charme aufbereitet. Darbietungen, emotional und schlagfertig geistreich.
Als die Tanzcompagnie 1968 gegründet wurde, ging es in erster Linie darum, den Notwendigkeiten eines Schauspielhauses der größten Metropole Lateinamerikas gerecht zu werden. Entscheidend trieb Antonio Carlos Cardos1974 die Entwicklung der Truppe voran, als er sich auf die Suche nach Tänzern machte, die seine modernen und innovativen Ideen umsetzen konnten. Aus dieser Zeit stammt sowohl der Name der Gruppe, Balé da Cidade de São Paulo, als auch der außergewöhnliche Status. Bis heute ist das Balé da Cidade eine unabhängige Compagnie innerhalb der offiziellen Struktur des Theaters.
In den 80er Jahren prägten dann zahlreiche Choreographen, Regisseure, Bühnenbildner, Maler und Musiker den Stil der Compagnie, die sich mehr und mehr eine eigene Sprache und eine individuelle Ästhetik aneignete. Obendrein bescherte das brasilianische Selbstverständnis den Tänzern innerhalb der universellen Sprache des zeitgenössischen Tanzes sowohl technische als auch interpretatorische Vielfalt. Sämtliche erfahrene Stilrichtungen flossen in die Arbeit ein. Ein formenreiches, virtuos wie präzise hinreißendes Repertoire entwickelte sich. Das Ergebnis: großer Beifall beim Publikum, hohes Ansehen in der Kritik und obendrein noch die Verleihung zahlreicher Preise. Neben den ausgefallenen Choreographien werden vor allem auch die technische Perfektion und der künstlerische Ausdruck der Tänzer stets besonders gelobt.
Seit 2013 wird die Compagnie von Iracity Cardoso geleitet. Die Absolventin der Escola de Dança de São Paulo sammelte 1964/67 erste Erfahrungen als Tänzerin in Deutschland, Frankreich und Mexiko. Sie lehrte am Ballet Stagium und war stellvertretende Direktorin des Balé da Cidade de São Paulo. Doch bevor sie an dieses zurückkehrte durchlief sie einige Stationen. So wurde sie 1980 stellvertretende Direktorin und Tänzerin des Ballet Du Grand Theatre in Genf und 1988 stellvertretende Intendantin. Nach 1996 arbeitete sie als Intendantin des Ballet Gulbenkian in Portugal. Nach ihrer Rückkehr 2006/07 nach Brasilien wurde sie Beraterin für Tanz des kommunalen Kulturministers von São Paulo, reaktivierte das Tanzzentrum der Galeria Olido, unterstützte die Veröffentlichung I Edital de Fomento à Dança und initiierte das Projekt Berufstanz. Von 2008 bis 2012 war Iracity Cardoso als Gründungsmitglied Intendantin der São Paulo Companhia de Dança, 2010 Jurymitglied des internationalen Tanzwettbewerbs „Prix de Lausanne“ in der Schweiz. 2013 wurde sie von Dirigent John Neschling eingeladen, die künstlerische Leitung des Balé da Cidade de São Paulo zu übernehmen. Ein weiterer Meilenstein, der eh schon auf der Überholspur angetretenen Truppe.
Am 5. März nun sind sie bei uns zu Gast. Der Abschlussabend der Tanzwochensaison beginnt mit Mauro Bigonzettis Interpretation der „Antiche Danze“ zu Ottorino Respighis gleichnamigen Bearbeitungen Alter Meister. Danach folgt Luiz Arrietas Choreographie „Bandoneón“, eine Hommage an Astor Piazzolla und an das Instrument, das der Meister des Tango Nuevo so virtuos beherrschte und das aus dem durch und durch sinnlichen argentinischen Tanz nicht wegzudenken ist.
Mit dem Liebenstanz „O Balcão de Amor“ des bekannten israelischen Choreographen Itzik Galili nach Musik von Pérez Prado endet das Neusser Gastspiel.
„Wer mit moderner Weltklasse-Tanzkunst rechnete, wurde von der Leistung des Balé in seinen Erwartungen mehr als übertroffen“, lautete die Kritik nach dem Auftritt in der Bonner Oper. – Mal sehen. Wir sind gespannt!
(Weitere Infos unter www.tanzwochen.de)