Ehrenamtliche Paten für minderjährige Flüchtlinge – Eine Aufgabe für uns alle

1. März 2016 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Leben

Im letzten Jahr kamen knapp achtzig Flüchtlinge zwischen 13 und 18 Jahren nach Neuss. Allein. Sie sind an verschiedenen Orten untergebracht und werden dort mit dem Notwendigen versorgt. Dass dabei die eigentliche Integration in unsere Gesellschaft funktionieren kann, dieser Aufgabe haben sich Paten wie Anja Junck angenommen. „Das ist eine Aufgabe für uns alle“, so die Reuschenbergerin.
Zabhiulla (16) und Hussam (18) sind wie die meisten ihrer Altersgenossen aus diesen Ländern geflohen, weil ihr eigenes Leben dort nicht sicher war: Afghanistan und Syrien. Beide haben sich ohne ihre Eltern auf den Weg gemacht und sind nun mit der Hoffnung auf Sicherheit und Zukunft bei uns angekommen. Jetzt sind sie in Neuss in Sicherheit, ihre Asylanträge laufen. Damit ist das Gröbste erst einmal geschafft. Der weitere Weg ist aufgrund des Alters der beiden aber unterschiedlich. Während Zabhiulla zur Schule gehen darf, sieht die Sache für Hussam anders aus. Das Ergebnis einer Verkettung unglücklicher Zufälle. Hussam war mit dem Zug in Düsseldorf angekommen und hatte sich dort gleich registrieren lassen. Im weiteren Verlauf seines Aufenthalts bekam er eine Unterkunft in Neuss zugewiesen. Damit änderte sich aber die Zuständigkeit des Amts und die Aufgabe, ihm einen Schulplatz zuzuweisen, nicht: Hussam wohnt in Neuss, wartet aber auf einen Schulplatz in Düsseldorf. Bis heute.


Nach dreitausend Kilometern: schlechte Nachrichten
Seine Patin Anja Junck erinnert sich noch genau an die Situation: „Die Kinder standen im Neusser Wohnheim am Kicker, als ihnen mitgeteilt wurde, dass sie einen Schulplatz bekommen – nur Hussam nicht. Während sich die anderen freuten, stiegen ihm die Tränen in die Augen. Für ihn brach eine Welt zusammen. Ich dachte, dass kann ja nur ein Fehler sein.“ Bis zu diesem Zeitpunkt war die 44-jährige nur Ansprechpartner für Zabhiulla gewesen. Danach war sie es auch für Hussam. Sie erkundigte sich bei der zuständigen Stelle. Dort nahm man sich des Falls zwar sofort an, stellte aber kurzfristig fest, dass der Flüchtling aus dem syrischen Aleppo mittlerweile volljährig geworden war und demnach keinen Anspruch mehr auf einen Schulplatz hatte. Dass sein Geburtstag in die Versäumniszeit des Amts fiel, spielte dabei keine Rolle, hieß es. Nach rund dreitausend Kilometern Flucht zu Fuß, durch und über Wasser, Nächten in Pappkartons und auf dem Boden wurde Hussams Weg in eine bessere Zukunft durch den Bearbeitungsverzug in Düsseldorf gestoppt. Unvorstellbar? „Ich weiß, dass die Mitarbeiter in den Ämtern seit Monaten so viel arbeiten, wie sie nur können. Aber dennoch kann und muss es für solche Fälle wie Hussam doch auch Lösungen geben. Oder?“

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Mit dem Willen zur Integration
Zurzeit nimmt Hussam einmal am Tag an einem Deutschkurs teil. Ungebildet ist er übrigens nicht. In seiner Heimat hat er einen Schulabschluss gemacht, der eventuell als Mittlere Reife in Deutschland anerkannt werden wird. Das muss aber noch geklärt werden. „Das wäre für ihn natürlich ein riesen Vorteil und Ausweg aus der aktuellen Misere. Noch besser wäre es allerdings, wenn er trotz seines Geburtstags mit den anderen in eine Schule gehen könnte“, erklärt Anja Junck. Andernfalls stünden Hussams Chancen, sich in die Neusser Gesellschaft zu integrieren, sehr viel schlechter. Dabei sind die Voraussetzungen dafür von Seiten Hussams sehr gut. Die Gefahr, dass er aus Langeweile und Perspektivlosigkeit auf „krumme“ Gedanken kommt, besteht bei ihm nicht, urteil Anja Junck. „Er weiß um seine Situation, und er sagt auch immer wieder, dass er mit solchen Leuten und Dingen nichts zu tun haben will. Er trinkt nicht, er raucht nicht. Er spielt ab und zu in Weissenberg Fußball und macht Break-Dance. Er versucht einfach, sich zu beschäftigen.“

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Unser Alltag, unser Leben – so geht’s
Dazu gehören der regelmäßige Kontakt zu seiner Patin und die gemeinsame Zeit. „Es geht bei der Patenschaft primär nicht um Behördengänge oder Formulare, die ausgefüllt werden müssen. Dabei helfen den Jugendlichen auch die Mitarbeiter in den Wohnheimen. Worum es geht, ist es, den Jugendlichen zu zeigen, wie unser Alltag funktioniert. Da kocht man gemeinsam oder fährt zusammen das Auto waschen“, erklärt Anja Junck. Für die zweifache Mutter war auch klar, dass Hussam mit ihrer Familie Weihnachten feiert. „Ja, logo. Warum denn auch nicht?“ Eine tägliche Aufgabe ist die Patenschaft aber nicht. „Anfangs hat man sich öfter gesehen, heute ungefähr ein- bis zweimal pro Woche. Man steht halt als Ansprechpartner zur Verfügung, gibt Tipps und versucht im Rahmen der Möglichkeiten, zu helfen“, beschreibt die Lufthansa-Stewardess ihr Ehrenamt, dass sich ihrem Arbeitsplan ebenso fügen muss wie ihren Aufgaben als Mutter. „Das ist aber kein Problem. Oft kommuniziere ich mit Hussam und Zabhiulla auch einfach nur über SMS oder Whatsapp, wenn es Neuigkeiten gibt.“ Auf Arabisch, Persisch, Englisch? „Ein bisschen Deutsch, ein bisschen Englisch und wenn es gar nicht hinhaut, hilft immer wieder die Übersetzungs-App“, lacht Anja Junck.

Wir bleiben an der Integrationsthematik rund um Hussam, Zabhiulla und ihrer Patin Anja Junck dran.