Aspekte digitaler Kunsterfahrung
9. April 2015 | Von Stuckstaette | Kategorie: Neusser KulturMit dem Projekt „Freiland“ eröffnet das Clemens Sels Museum seinen virtuellen Ausstellungsraum
Noch sind die Türen des Kunsthauses am Obertor geschlossen, rund eineinhalb Jahre wurde saniert. Doch der Countdown läuft: Am 17. Mai feiert das Clemens Sels Museum Wiedereröffnung. Aber so lange muss man nicht warten, um sich mit den Werken und geplanten Ausstellungen zu beschäftigen. Denn schon jetzt zeigt sich das CSMN mit frisch gestalteter Homepage und neuen Online-Angeboten. Darunter das virtuelle Ausstellungsprojekt „Freiland“, das Kunst nicht nur abbildet, sondern das digitale Medium nach möglichen Präsentations- und Wahrnehmungsformen erforscht. Eine visionäre Kunstreise durch ein Zeitalter neuer Perspektiven.
12 jungen Künstlern kann man im Netz folgen, die sich in unterschiedlichster, schöpferischer Weise einbringen. Tanz, Malerei, Fotografie, Skulptur oder Performance, hier ist ein weites Feld geöffnet. Aber darum geht es nicht in erster Linie, vielmehr um den Zugang. Denn jede Ausdrucksform stellt eine Herausforderung an die Präsentation, jedes Werk einen Eigenanspruch an die Transformation. Denn im Web erschließt sich eine völlig neue Sicht – und die ist formbar. Wie wird man dem im virtuellen Ausstellungsraum gerecht; wie lässt sich Kunstbetrachtung beeinflussen, wie weiten? Keine Frage, dass digitale Kunstdarstellung neuen Zugang baut. Dies zu erkunden, war der Leitgedanke des Projekts, dem sich sechs Studenten für Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Düsseldorf widmeten. Kunst nicht nur im Netz abzubilden, sondern Wahrnehmung auszuloten. Das Ergebnis ist ein eigenes Kunsterlebnis. Anders als vielleicht zu erwarten, ist die Darstellung alles andere als plakativ; der Weg zum Kunstobjekt nicht vorgegeben. Am Anfang offeriert sich ein Kreis mit Buchstaben und Namen. Das Werk muss gefunden werden, auch die Struktur, die hinter der Präsentation steht. Ein Klick hier, einer dort, etwas passiert; immer etwas Neues, Anderes. Jeder Pfad eine Entdeckung.
Mit dem Projekt „Freiland“ bespielt das Clemens Sels Museum Neuss erstmals seinen virtuellen Ausstellungsraum und steigt damit in die aktuelle Diskussion über die Chancen neuer Medien für die Kunst ein. „Durch die Auswirkungen des Computerzeitalters auf die Gesellschaft befindet sich die Institution Museum in einem nachhaltigen Veränderungsprozess“, so die Direktorin des Clemens Sels Museums, Dr. Uta Husmeier-Schirlitz. Digitale Möglichkeiten sollten einbezogen werden. „Diese existieren vor allem auf zwei Ebenen: Die Integration von Kunstwerden, die als „born digital“ einzustufen sind, und die Erweiterung der Vermittlung von Objekten entsprechend einer sich verändernden Wahrnehmung von Kunst.“ Ob materielles oder virtuelles Werk, entscheidend sei „der Wille einer Idee künstlerischen Ausdruck zu verleihen“. Die Qualität eines Kunstwerks ergebe sich nicht anhand des gewählten Mediums, sondern aufgrund der künstlerischen Leistung.
Ursprungswerk als Ansatz weiterer Entfaltung
Dieser Gedanke gewinnt schnell an Fundament, wenn man sich dem „Freiland“ nähert und sich in ihm auf die Suche des Möglichen begibt. Was sich anfangs erst bescheiden eröffnet, lässt mehr und mehr die Fülle des Zugangs erfahren. Die Umsetzung der Tanzperformance von Phaedra Pisimisi formt sich zu einem neuen Bild. Einzelne Sequenzen, aufgelöst in 16 kleine Videotafeln, gebaut in 4 Reihen und 4 Spalten, lassen den Betrachter selbst wählen, ob er sich dem Detail oder dem Gesamteindruck widmet. Die Kunst, sie entwirft eine neue. Der Ursprung ist Ansatz eines Weiteren, nicht mehr das Werk an sich. So geht es durchs Netz, auf mannigfaltigen Pfaden. Eine Tür öffnet sich und der User im virtuellen Raum begeht mit einem realen Besucher einen materiellen Ausstellungsraum, ist ihm quasi an die Hand gegeben. Dann wieder ist er ganz sich selbst überlassen, findet sich in Worten und Farben wieder, in einem Test der Wahrnehmung.
„Freiland“ knüpft an die Veranstaltung „kUNSt gehört die nacht“ an, die seit 2011 jährlich im Clemens Sels Museum stattfindet, um junger Kunst ein Forum zu schaffen. Bislang wurden die Ausstellungen und Performances in den Museumsräumen dargeboten. Aus der Not der langen sanierungsbedingten Schließung entwickelte sich im Veranstaltungsteam um Gabriel Rehlinghaus die Idee, virtuellen Raum zu nutzen, um seine Funktionsweisen und Strukturen zu erkunden. Das experimentelle Projekt zeigt, in welcher Form die Übersetzung der Exponate von jungen Künstlern bei der Transformation von „offline“ zu „online“ deren Wirkungsweisen verändern. Hierbei wurden die präsentierten Arbeiten in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern eigens für die Ausstellung konzipiert oder angepasst, so dass für jedes Kunstwerk eine individuelle Darstellungsform gefunden und erarbeitet wurde. Mit dabei sind u. a. Werke der Neusser Kunstförderpreisträgerin Jennifer Lopéz-Ayala aus der Klasse Katharina Grosse sowie des Bildhauers Peter Müller, der kürzlich bei Tony Cragg, dem ehemaligen Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, graduierte.
Das Projekt „Freiland“ ist noch bis zum 17.5.2015 im virtuellen Ausstellungsraum des Clemens Sels Museums unter www.csm-freiland.de zu sehen.