„Zaungast“ – Die Geschichte eines Verbrechens und einer großen Liebe
9. Dezember 2014 | Von Annelie Höhn-Verfürth | Kategorie: Neusser Kultur, Neusser LebenEin Toter am Kaarster See
Sie wollen nicht nur vorweihnachtlichen Zuckerguss und Glöckchengebimmel? Sie brauchen zur Abwechslung ein bisschen Nervenkitzel? Oder vielleicht schon ein spannendes Weihnachtsgeschenk? Dann können wir Ihnen den neuen Niederrhein-Krimi der Kaarsterin Christiane Wünsche empfehlen. „Zaungast“ handelt von Enttäuschung, Verrat und Schuld, von Erpressung und Mord im Rhein-Kreis Neuss, aber auch von einer besonderen Liebe – und ist unbedingt lesenswert.
Nele Liebert ist fassungslos, erst spät hat sie erfahren, dass ihre Jugendfreund Matthias Hellmann an einer Überdosis Heroin verstorben ist. Seit ihrem Abitur, fast 20 Jahre, hatte sie keinen Kontakt zu ihm, der ihre erste große Liebe war. 20 Jahre, in denen sie ihn völlig aus ihrem Leben und ihrer Erinnerung verdrängt hatte. Als sie sein Grab besuchen will, wird sie heimlich Zeugin einer seltsamen Unterhaltung und beginnt, geplagt von Schuldgefühlen, in Matthias´ und ihrer eigenen Vergangenheit zu forschen. Und welche Rolle spielt dabei ihr Lebensgefährte Marc Warberg, den sie ebenfalls schon aus Schulzeiten kennt? Zunächst ahnungslos begibt sich Nele schon bald in tödliche Gefahr. „Es geht um ein Verbrechen, das Ende der 80er Jahre ganz unbemerkt geschah. Die Beteiligten von einst hat es für immer verändert und geprägt. Schauplätze sind der Kaarster See, der Vorster Wald, ein fiktives Gymnasium, Neuss, Meerbusch und Düsseldorf“, verrät Autorin Christiane Wünsche. „Gerade der regionale Bezug hat mir unheimlich viel Spaß gemacht.“ Sie erzählt die raffiniert konstruierte Geschichte aus den völlig unterschiedlichen Perspektiven von sechs Personen, die schicksalhaft miteinander verbunden sind. Stück für Stück, mit vielen Rückblenden in die Jugend der 80er Jahre, setzt sie für den Leser das Puzzle aus Vergangenheit und Gegenwart zusammen und enthüllt immer mehr, welche Schuld die früheren Schulkameraden auf sich geladen haben und um welchen Preis.
Aus der Schublade
„Zaungast“ ist nach dem Eifel-Krimi „Kinderleicht“ Wünsches zweite Veröffentlichung in diesem Jahr und ihr vierter Roman insgesamt. Dennoch ist dieser Krimi etwas ganz Besonderes für die Kaarsterin: „Eigentlich ist ‚Zaungast‘ das erste Buch, das ich geschrieben habe.“ Das war nämlich schon 2008, doch erstmal blieb es in der Schublade. „Ich habe das Manuskript noch mal komplett überarbeitet, denn inzwischen hatte ich mich sprachlich und stilistisch sehr verändert und weiterentwickelt. Ich wusste jetzt, worauf es ankommt.“ Mit Erfolg, denn der Kölner Emons-Verlag hat es sofort und fast ohne weitere Änderungen akzeptiert. Umso mehr hat sich Wünsche über das Lob ihrer Lektorin gefreut, die ihr sagte, sie habe noch nie so einen fesselnden und dichten Krimi gelesen. „Bezogen auf meine bisher geschriebenen Romane ist ‚Zaungast‘ sozusagen meine erste große Liebe“, lacht sie.
Unwiederbringlich
Um Liebe geht es auch in ihrem Krimi. Nele und Matthias waren ein ungleiches Paar: Nele, angehende Abiturientin aus gutbürgerlicher, behüteter Familie, Matthias, der „Assi“ und Schulabrecher aus dem Sozialbau mit liebloser Kindheit, Drogen-, Knast- und Gewalterfahrung. Das konnte nicht gut gehen. Doch Nele hat plötzlich Zweifel. „Nele meint, aufgerüttelt durch Matthias Tod, mit der Vergangenheit nicht fertig zu sein und noch etwas gut machen zu müssen“, verrät Wünsche. Wie immer sind ihre Figuren, egal, ob in Haupt- oder Nebenrollen, nicht eindeutig festzulegen und darum so interessant und lebensnah. Weder ist Nele die strahlende Heldin und Ermittlerin, noch ist Matthias wirklich ein „Assi“. „Matthias hat etwas Verletzliches durch seine Biographie und ist geprägt von der Gewalt in seiner Kindheit. Trotzdem ist er ein sympathischer Mensch“, sagt die Autorin. Selbst das Böse ist bei ihr nicht nur böse: „Ich glaube, zum Mörder kann jeder werden. Und die Entstehung der Tat hier kann man schon nachvollziehen.“ So spielt auch fehlgeleitete Liebe, die zu weit geht und Opfer fordert, in „Zaungast“ eine Rolle. Im Mittelpunkt steht dabei nicht das blutige Verbrechen, sondern die Frage, wie es dazu kommen konnte. Wünsche setzt erneut mit viel Gespür auf die Psychologie ihrer Figuren, zeichnet ihre Geschichte und Entwicklung nach. Das liest sich überaus spannend, lässt mitdenken und miträtseln bis zum temporeichen Showdown. Und wenn man gerade meint, alles sei klar, dann setzt Wünsche noch eine überraschende Wendung oben drauf. So muss ein wirklich guter Krimi sein. Unsere Empfehlung: Lesen!