Musikabend aus Klängen der Welt im RLT – Fado, Quan họ-Gesang und serbische Ethno-Lieder
7. Februar 2014 | Von Stuckstaette | Kategorie: Neusser KulturSie kommen aus Portugal, Vietnam oder Serbien, andere haben Vorfahren in Kuba, Mosambik oder der Türkei. Sie sind in Deutschland aufgewachsen, haben hier eine neue Heimat gefunden. Aber eine andere haben sie ebenso, die ihrer Eltern und Großeltern. Eins ist diesen Musikern gemeinsam, sie nehmen die Melodien, Klänge und den Gesang ihres Ursprungslandes auf und interpretieren sie im Einfluss ihres heutigen deutschen Lebens. „Heimatlieder aus Deutschland“ heißt der Abend, den rund 60 Künstler am 21. Februar im RLT bestreiten. Ein Projekt mit faszinierenden Klängen, das nach großem Erfolg in Berlin und Göttingen jetzt auch in NRW Premiere hat.
Fado entstammt den Spelunken von Lissabon. Im 19. Jahrhundert war er eng mit dem Rotlichtmilieu verbunden, ähnlich dem Jazz in New Orleans oder dem Tango in Buenos Aires. Es war die Musik der einfachen Leute, „Pöbelmusik“ von solchen Überlebenskünstlern, die nichts oder wenig besaßen. Fadista, Fadosänger, das hieß Nichtstuer. Doch was aus den Seelen der Menschen entsprang, voller Leidenschaft und Sinnlichkeit, was so impulsiv und eindringlich von ihnen und ihrem Leben erzählte, fand den Weg aus der Gosse in die Herzen vieler. Heute sind es diese bewegten, berauschenden Lieder, die sowohl in den Migrantenfamilien aller Welt einen festen Platz einnehmen wie auch das internationale Musikgeschehen stark beeinflussen. Ob bei Madonna oder Thirty Seconds to Mars, überall fließen ethnische Klänge in die Sounds, öffnen sich über fremdländische Melodien und Instrumente neue musikalische Pfade. Die Geschichten und Stimmen eines Volkes, durch Herkunft geprägt, eigenwillig und eigentümlich, die sich immer wieder weiterentwickeln, um vom Leben, von Sehnsüchten und der Liebe zu berichten, finden in der Globalisierung mehr und mehr ihren Wert. Traditionelle Musik, die sich im Laufe der Zeit stetig verändert, durch die Musiker der Gegenwart geprägt. Das macht sie spannend, stets neu erlebbar. Und gerade da setzt das Projekt „Heimatabend“ an. Es wird gestaltet von Menschen, die ihre Wurzeln in fernen, fremden Ländern haben, aber lange schon in Deutschland leben. Wo und was ist Heimat? Was macht sie aus, wie klingt sie?
Trommelwirbel und A-cappella-Liedgut
Vielen Migranten hilft die Interpretation der Lieder ihres Ursprungslandes, etwas über sich zu erfahren und zu sagen. Volkstümliches, fremdländisches Gut aus deutscher Sichtweise gebaut. Heimatlieder. Heimatlieder der Welt aus Deutschland. Was als kleines „Kunstprojekt“ in Berlin entstand, stieß auf immenses Interesse und kam letztendlich – nach 18-monatiger Vorbereitung – an der Komischen Oper Berlin zur Premiere. Rund 150 Künstler waren dort auf der Bühne und wurden vom Publikum euphorisch gefeiert. Jetzt ist das Projekt in abgespecktem Format auch andernorts erlebbar; nach Göttingen kommt es im Februar zur NRW-Premiere nach Neuss. Die Idee, diese Großveranstaltung in die Quirinusstadt zu holen, entstand im Rahmen des städtischen Interkulturprojekts, für das sich die hiesigen Kulturinstitute gemeinsam stark machen. 20 Prozent der Neusser Bürger haben einen Migrationshintergrund. Fast jeder hat Bekannte und Freunde hier, die aus einem anderen Land kommen, einer anderen Kultur entspringen. An einem Abend auf die Bühne zu bringen, wie Kulturen sich trotz Andersartigkeit verbinden und beleben – und zusammenfinden, ist eine ambitionierte Idee. Das Ergebnis beeindruckend und von hoher künstlerischer Qualität. Chöre mit glasklaren Stimmen in vielfältigem „Ethnofolk“. Ob mit serbisch schallendem A-cappella-Liedgut von Sandra Stupar und Dusica Gačić oder mit rhythmischen Trommelwirbeln aus Mosambik von der Truppe The MahuGang, diese Klänge sind betörend. Knapp 60 Musiker aus 8 Ländern präsentieren am 21. Februar, in unterschiedlichster Couleur ihre Melodien aus der Heimat; und erzählen von sich, vom Leben und von Musik.
Maria Carvalho und Antonio de Brito vom Trio Fado haben durch ihren Gesang etwas über sich selbst erfahren. Als sie nach Deutschland kamen, hörten sie selbst noch keinen Fado; er war die Musik ihrer Eltern. Inzwischen ist er eine Möglichkeit, sich ihrer Kultur zu nähern. So mag es vielen gehen. Aber das ist nur ein Aspekt. Denn das, was in Fülle und Varianz an diesem Abend geboten wird, lässt sich vor allem als besonderes Konzerterlebnis genießen. Ein bemerkenswerter, in seiner Entstehungsgeschichte und Form individueller, multikultureller Event, auf den nicht nur die für Integrationsbemühungen bekannten Neusser Kulturverantwortlichen stolz sein können.
(Nähere Infos unter www.heimatliederausdeutschland.de)