„Kabale und Liebe“ im Rheinischen Landestheater – Ich bin, ich will, ich werde…
5. Februar 2014 | Von Stuckstaette | Kategorie: Neusser KulturEs ist eines der bedeutendsten deutschen Theaterwerke und platziert sich noch heute unter den zehn meistgespielten Stücken im Repertoire deutscher Sprechbühnen. 1783 stellte Friedrich Schiller „Kabale und Liebe“ fertig, sein bürgerliches Trauerspiel in fünf Aufzügen. Ein Erfolg zu seiner Zeit. Eine Geschichte um eine nicht standesgemäße Liebe, die den Intrigen der Macht nicht standhalten kann. Betrug, Besitzgier und Eigennutz ziehen die Fäden. Kann Moral siegen? Was ist Moral überhaupt? – Manipulation der Machtinhaber, ein Thema, das keine Zeitgrenze kennt, schon gar nicht im Wissen um Staatsoberhäupter à la Berlusconi oder Putin. Das RLT greift es in moderner Interpretation auf, lässt die gewaltigen Worte ins Publikum prallen und entlässt die Figuren auf den Pfaden eigener Selbstgefälligkeit.
Eigentlich ist es ein Liebespathos. Der Sohn des Präsidenten, Ferdinand, liebt die Tochter eines Stadtmusikers, seine Luise. Adel liiert mit Bürgertum, das ist gesellschaftlich undenkbar und kann nicht gutgehen. Doch die jungen Liebenden widersetzen sich. Aber Ferdinands Vater hat andere Pläne mit seinem Nachkömmling. Soll dieser doch mit der Mätresse des Fürsten, Lady Milford, verheiratet werden. Seine Macht hat sich Präsident von Walter durch zahlreiche Manipulationen und Betrug am fürstlichen Hof gesichert. Die angedachte Vermählung seines Sohnes Ferdinand wäre ein weiterer gelungener Schachzug in Sachen Einflussnahme und Ansehen. Was Gefühlsduselei und versponnener Liebensdrang da zu suchen haben, das ist ihm fremd, erscheint ihm sinnlos. Aber sein Sohn ist nicht anders halsstarrig in dem, was er sich vornimmt. Er will Luise. Sein Ruf, sein Erbe, des Vaters Macht, alles verliert die Bedeutung im Lichte seiner Liebe. Und dann doch lässt er sich so schnell täuschen. Eine Intrige, ein erzwungener Brief, eine vermeintlich Untreue und der Zauber der verschmolzenen Zweisamkeit ist dahin. Am Ende bleibt nur ein Ausweg: der Tod.
Die Gier nach Macht hat viele Facetten
„Kabale und Liebe“ von Schiller, dieses Drama ist üppig bepackt. Mag man sich fragen, ob die Geschichte an sich schlüssig ist, ob wahre Liebe sich derart irreleiten und verhöhnen lässt. Aber darum geht es nicht. Zwar steht in vielen Inszenierungen die innige Zuneigung zweier Menschen im Vordergrund, die sich den weltlichen Zwängen entgegenstemmen, dennoch, Sehnsucht hat viele Gesichter. Macht ist eines. Die Macht des Geldes. Die Macht des Befehlens, die des Einflusses. Die Macht des Besitzes ebenso. Besitzanspruch lässt sich auf Ämter, Materielles und Menschen richten. Und dann ist der Schritt zur „vermeintlichen Liebe“, die gar nur eine weitere Form der Inbesitznahme ist, nicht mehr weit.
In der Inszenierung von Steffen Popp am Rheinischen Landestheater ist wenig von der Leidenschaft der Liebe, von Sinnlichkeit und körperlichem Flehen zu sehen. Schon zu Anfang lässt er es lärmend krachen, öffnet den ersten Aufzug mit elektrisch dröhnenden Gitarrensounds. Und immer da, wo die Gefühle den Rahmen der Worte sprengen, greifen die Protagonisten zum hochverstärkten Instrument, um der Sprachlosigkeit einen Laut zu verschaffen. Am Anfang mag es irritieren. Die Handlung ist reduziert, in die Sprachgewalten überführt. Jede Behausung ist eine Leiter. Eine für den Präsidenten, der sich mit Lagerfeld-Frisur lässig auf den Sprossen zu behaupten weiß. Eine für den Stadtmusikanten Miller und seine primitiv verwahrloste Frau, die sich eher wackelig an den Stufen halten. Und eine für Lady Milford, extra in die Horizontale verlagert, auf der sie sich bestens rekeln kann. Dazu die Videokamera, die stets dabei ist und von Wurm, dem Haussekretär des Präsidenten, respektlos an die Details geführt wird.
Luise im Wandel der Zeit
Es ist laut. Es ist kantig. Es ist schrill. Immer wieder ein Mikro für die Darsteller, mit dem sie sich ans Publikum richten. Und selbst Luise verbleibt nicht in ihrer Rolle des bemächtigten, treuliebend redlichen Mädchens. Auch sie ist im Hier und Heute angekommen, tauscht ihr weißes Spitzenkleid gegen ein schwarzes Korsett und setzt sich trotzig zur Wehr.
Ist das zu viel? – Nein, hier geht es auf. Mag man den Zeitgeist-Input in seiner Fülle und Wucht am Anfang noch kritisch hinterfragen, mehr und mehr zieht das Darstellungsgerüst ins Stück und lässt Wirkung. Luises Brief an den fingierten Liebhaber, er wird mit dem Mikro geschrieben, dringt sofort in die multimediale, transparente, oberflächliche Welt. Alle ziehen die Fäden. Alle sind verschiedenen Ortes dabei. Macht hat eine neue Komponente gewonnen.
Kein Liebeslied. Kein gemütlich erzählerischer Abend. Doch die Motive, die das Stück noch heute interessant gestalten, sind auf den Punkt gebracht. Auch wenn ein bisschen mehr von Sinnlichkeit den Rollen im Kontrast gut getan hätte, wie sie der Lady Milford, wunderbar lasziv in Liegeposition gespielt von Claudia Felix, zugestanden wurde.
(Nähere Infos unter www.rlt-neuss.de)