Leben und arbeiten im Kloster – Beruf Ordensschwester
22. August 2013 | Von Annelie Höhn-Verfürth | Kategorie: Neusser LebenOrdensschwester? Diesen Berufswunsch haben heutzutage wohl die wenigsten jungen Frauen. Ordensfrauen sind selten geworden, auch im Rhein-Kreis Neuss. So leben im Holzheimer Kloster Kreitz, das schon seit 1899 besteht, zurzeit nur noch zehn Schwestern des Benediktinerordens. Eine davon ist Schwester Bernharda Wichmann, die zugleich Priorin der Ordensgemeinschaft ist. Sie hat uns einen Blick hinter die Klostermauern und in ihr Leben werfen lassen.
Wenn ich ein Formular ausfüllen muss, in dem nach meinem Job gefragt wird, schreibe ich natürlich Ordensschwester“, lacht Schwester Bernharda. Für sie ist ihr Klosterleben aber Beruf und Berufung zugleich: „Egal, was ich tue, ich tue es mit Blick auf Christus.“ Schon als Kind hat sie sich intensiv mit Gott beschäftigt und die Erwachsenen mit Warum-Fragen gelöchert: „Ich lasse mir nur etwas sagen, wenn ich es auch verstehe“, erklärt die heute 52-Jährige. Doch wieso ist sie gleich ins Kloster gegangen? Schwester Bernharda zögert, dann lächelt sie: „Irgendwann war mir klar, wenn dieser Gott mich wirklich so liebt, muss ich ihm Antwort geben, dann muss ich mich dem stellen.“ Eigentlich wollte sie schon direkt nach dem Abitur in ein Kloster eintreten: „Aber das war vor allem für meine Mutter sehr schwierig, und ich wollte den Schritt nicht gegen meine Eltern tun“. So absolvierte sie zunächst noch ein Theologie-Studium. Aber dann ließ sie sich nicht mehr aufhalten und trat 1984 in das Kloster Kreitz und den Orden der „Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament“ ein. Seit zwölf Jahren ist sie dort inzwischen Priorin und verantwortlich für alle Mitschwestern sowie die finanzielle Verwaltung des Klosters. „Ora et labora“ steht über dem Eingang geschrieben – „Bete und Arbeite“, das ist der Grundsatz der Benediktiner. „Jedes Kloster ist personell und finanziell unabhängig“, so die Priorin, „das heißt, an erster Stelle steht bei uns Benediktinerinnen das Gebet, aber wir haben auch Tätigkeiten, um unser Leben zu finanzieren“. Die Holzheimer Ordensschwestern betreiben daher ein Gästehaus mit Übernachtung und Frühstück. Außerdem sind sie überregional bekannt für ihre Ikonenmalerei und Stickerei sowie nicht zuletzt für ihre Hostienbäckerei, die schon seit etwa 1900 betrieben wird. „Wir backen 12 Millionen Hostien im Jahr, davon leben wir“, sagt Schwester Bernharda, „denn von der Kunst kann man nicht leben, das ist was fürs Herz.“
Hostien und Handarbeit
Die Hostienbäckerei ist im Keller des Klosters. Schon vor der großen Flügeltür stehen Kisten gefüllt mit Hostien zum Abtransport bereit. Allein 6 Millionen gehen an das Kloster Mariendonk am Niederrhein, das sie weiterverkauft; der andere Teil an etwa 600 Kunden in ganz Deutschland, von Passau bis Hamburg. Gebacken wird an vier Tagen der Woche, oft geht es schon um 4 Uhr 30 morgens los. In zwei großen nebeneinander liegenden Räumen stehen alle wichtigen Gerätschaften: die Teigmaschine, die große Teigwanne, der Backautomat, der wie ein Waffeleisen funktioniert und den Teig zu rechteckigen Platten backt, die Stanzmaschine, mit der aus diesen Platten die Hostien in verschiedenen Größen ausgestanzt werden und schließlich die Rüttelmaschine, die „perfekte“ von weniger gelungenen Hostien trennt. Es gibt die normalen kleinen Hostien in hell oder eher dunkel, die etwas größeren Priesterhostien und die 13cm-Konzelebrationshostien. Inzwischen backen die Nonnen nicht mehr alles allein, sie haben Angestellte, die ihnen helfen. Und wenn es Probleme gibt, wird Schwester Benedikta gerufen. Sie hat viele Jahre in der Hostienbäckerei gearbeitet und ist insbesondere Spezialistin für den Teig. Der besteht wie es kirchlich festgelegt ist zwar nur aus Weizenmehl, Type 405 und Wasser, aber „Weizen ist nicht gleich Weizen“, erklärt Schwester Bernharda: „Es macht allein schon einen Unterschied, ob er aus Deutschland, den USA oder Russland ist.“ Die Kunden bestellen die Hostien übrigens hauptsächlich online, auf der Homepage des Klosters ist ein Bestellformular – so trifft Moderne auf Tradition.
Doch die Nonnen vom Kloster Kreitz sind auch für ganz andere Traditionen im Einsatz. Schon seit 1901 betreiben sie eine Stickerei, in der auf Bestellung nicht nur kirchliche Gewänder und gottesdienstliche Textilien kunstvoll bestickt werden, sondern auch Fahnen für Schützenvereine. Jede Vereinsfahne ist ein handgearbeitetes Unikat. „Vom Entwurf bis zur Abgabe müssen schon hundert Stunden und mehr daran gearbeitet werden“, so die Priorin. Die lange Wartezeit nehmen die Vereine aber gerne in Kauf. Handgearbeitet sind auch die Ikonen, die man im Kloster erwerben kann. Schwester Benedikta malt sie nach den strengen Vorgaben der Ikonenschule. „Ikonenmalerei hat etwas Meditatives“, findet Schwester Bernharda, „sie ist ein Gebet, das in den Pinsel“ fließt.
Klosterleben
Bei aller Arbeit darf eines nicht vergessen werden: Das Gebet ist die eigentliche Aufgabe der Ordensfrauen. „Unser Tag wird strukturiert durch die Gebetszeiten“. Die erste ist morgens um 6 Uhr 15, die letzte um 19 Uhr 45. Dazwischen treffen sich die Schwestern einmal zur Heiligen Messe sowie mehrmals zum Stundengebet, und jede betet auch noch für sich allein: „Da haben wir einen Luxus“, sagt Schwester Bernharda, „wir müssen nicht beten, sondern wir haben freie Zeit dafür.“ Vor dem Schlafengehen haben die Nonnen aber auch Freizeit wie jeder sie kennt: „Dann lese ich auch mal gerne einen Krimi“, lacht die Priorin. Sie strahlt Zufriedenheit und Freude aus, ganz wie jemand, der offenbar den richtigen Beruf gewählt hat. „Mir gefällt, dass der Tag und das ganze Leben die freie Zeit für Gott hat. Ich habe eine ganz tiefe Freiheit in allen Dingen“.
Benediktinerinnen
Kloster Kreitz
Am Kreitz 1, 41472 Neuss
www.benediktinerinnen-neuss.de