„Hafenwelten“ – Fotografien und Geschichten vom Neusser Hafen
12. Juli 2013 | Von Annelie Höhn-Verfürth | Kategorie: Neusser Leben, Neusser UmweltDen Neusser Hafen kennt jeder. Aber so wie in der neuen Fotodokumentation von Fotograf Thomas Mayer und Autor Thomas Brandt hat man ihn noch nicht gesehen und erlebt. Hier wird klar: Der Hafen ist vielseitig und interessant, ja, er ist sogar schön. In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Neuss und seinem Leiter Dr. Jens Metzdorf ist eine beeindruckende Bilderzählung entstanden, die ihresgleichen sucht: „Hafenwelten“.„Es ist eine ganz private Liebeserklärung an den Hafen“, sagt Thomas Mayer. Der international renommierte Architekturfotograf ist in der Schweiz geboren, lebt aber schon seit 1969 in der Quirinus-Stadt. „Niemand hat gesagt, was wir machen sollen, niemand hat uns bezahlt.“ Eigentlich hat sich die Idee nämlich ganz zufällig entwickelt, Anfang 2011. „Ich habe am Hafen ein Bild gesehen, ein Stahlgerüst im Schnee. Der majestätische Anblick hat mich fasziniert, das war der Anfang“, erzählt Mayer. Es war das noch übrig gebliebene Stahlgerüst einer inzwischen abgerissenen Halle der Firma Werhahn an der Rheintorstraße. Der Fotograf entdeckte weitere Motive, stieß auf Zustimmung und Hilfsbereitschaft bei den ansässigen Firmen, und dann ist er „spontan“, wie er sagt, ins Neusser Stadtarchiv gegangen, um dem Leiter Dr. Jens Metzdorf von seinem Vorhaben einer Bilddokumentation zu erzählen: „Der war sofort begeistert, auch von dem Gedanken, Gegenwärtiges und Historisches gegenüber zu stellen. Er war genau der richtige Partner, den ich brauchte.“ Jetzt fehlte noch jemand, der die Texte dazu schreiben konnte und da kam für Mayer nur Thomas Brandt – früher Leiter des Kulturforums Alte Post, heute freischaffender Künstler und Autor – infrage: „Wir kennen uns schon lange sehr gut und er ist sehr begeisterungsfähig.“ – Ein produktives „Triumvirat“, so Mayer, war entstanden.
Im Hafen unterwegs
„Ich sollte zuerst über die Fotografien schreiben“, erinnert sich Brandt, „aber ich wollte lieber über die Menschen schreiben und über den Raum, der das Leben der Menschen prägt.“ Eine Idee, die auch Mayer gefallen hat. Ein festes Konzept gab es zunächst nicht, „wir hatten ja keinen Auftrag“, es wurde nach Zeit und Lust gearbeitet. Fast immer sind sie zusammen unterwegs gewesen, der eine hat die Leute interviewt, der andere die Fotografien von Mensch und Raum gemacht. „Ich bin ein emotionaler Dokumentarfotograf“, beschreibt Thomas Mayer seine Vorgehensweise, „ich fotografiere ungeschönt, wie ich es vorfinde, nichts ist inszeniert“. Auf den richtigen Moment kommt es für ihn an. So hat er die Hafen-Atmosphäre mit ihren Landschaften, Gebäuden, ihrer Architektur und Technik, den verschiedenen Arbeitsfeldern, Maschinen und Geräten eindrucksvoll eingefangen, aber auch die Menschen, die dort arbeiten, leben oder ihre Freizeit verbringen, porträtiert. Thomas Brandt hatte ebenfalls ein Leitmotiv für seine Arbeit: „Ich wollte nicht über die Leute schreiben, sondern die Leute erzählen lassen. Man muss spüren, wann man nachfragen sollte und dann gut zuhören.“ Und seine Gesprächspartner haben erzählt: von ihrer Arbeit, ihrem beruflichen Werdegang, ihren privaten Schicksalen und persönlichen Ansichten. Egal, ob es der Müllergeselle, der Kranführer oder ein Angler war oder die Speditionskauffrau, der pensionierte Hafendirektor, der Unternehmer oder ein Imbiss-Betreiber. Entstanden sind so viele feinfühlige und interessante Erzählungen von ganz unterschiedlichen Menschen, die aber alle mit dem Neusser Hafen verbunden sind.
Mehr als zwei Jahre haben Mayer, Brandt und Metzdorf an dem Katalog gearbeitet. „Wir waren alle sehr leidenschaftlich. Jeder hatte seine Meinung, da musste auch mal gestritten werden. Aber das hat dem Buch was gebracht“, findet Thomas Brandt. Vier Themen führen nun durch die Neusser Hafenwelt: „Nahrung für Mensch und Tier“, „Waren in Bewegung“, „Baustoffe & Metalle“ und „Beständig bleibt der Wandel“. Sinnvoll ergänzt wird das Ganze durch eine bebilderte Chronik von Archivar und Herausgeber Metzdorf. Auch optisch ist das Werk mit seinem quadratischen Format und den zweifarbig gedruckten Seiten – weiß für die Bilder, grau für den Text – ein Hingucker. Dafür haben die Düsseldorfer Grafikerin Claudia Ott und der Neusser Nils-Hendrik Zündorf gesorgt. „Hafenwelten“ eröffnet also in jeder Hinsicht neue Perspektiven. „Es wird erst dann interessant, wenn man genau hinguckt“, sagt Fotograf Mayer über seine Arbeitsweise. Das Gleiche stellt man bei der Lektüre der „Hafenwelten“ fest.
„Hafenwelten“: Fotografien von Thomas Mayer und Texte von Thomas Brandt, hrsg. Jens Metzdorf im Auftrag der Stadt Neuss, Neuss 2013, 296 S.; ISBN 978-3-922980-85-6, 24,80 Euro. Der Katalog ist erhältlich im Stadtarchiv Neuss, in der Tourist-Information und im Buchhandel.