Sonderausstellung im Feldhaus
21. März 2013 | Von Graef | Kategorie: AktuellesAm kommenden Sonntag, 24. März 2013, 11.30 Uhr, wird die erste Sonderausstellung für dieses Jahr im Feldhaus – Museum für populäre Druckgrafik eröffnet. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht ein Bereich der populären Druckgrafik, der früher fest zum Alltag der Menschen gehörte, heute jedoch kaum noch bekannt ist: der Bilderbogen.
Im 18. und 19. Jahrhundert fanden sie sich in jedem Haushalt: Bilderbogen – großformatige Blätter, die einseitig mit bunten Bildern und kurzen Texten bedruckt waren. Vorläufer gab es bereits im 15. Jahrhundert. In einer Zeit, in der nur wenige Menschen lesen konnten, kam Bildern als Medium der Information und Belehrung große Bedeutung zu. In jeder größeren Stadt stellten Druckereien einzelne Blätter her, die auf der Vorderseite eine große Abbildung mit einem kurzen erklärenden Text kombinierten.
Diese Bilderbogen präsentierten vor allem spektakuläre und politische Ereignisse, von denen die Menschen oft schon durch Erzählungen gehört hatten und die sie nun auch mit eigenen Augen sehen wollten: Kriege und Schlachten, die Krönung eines neuen Herrschers oder exotische Tiere wie ein Elefant oder ein Löwe. Daneben bestimmten religiöse Motive und Bogen für Kinder das Angebot.
Technische Innovationen, vor allem die Erfindung der Lithografie und die Entwicklung des Holzschliffpapiers, ließen die Drucke im Laufe des 19. Jahrhunderts immer preiswerter werden. Die bunten Blätter wurden zum Mitnahmeartikel für jedermann. Einige Verlage schafften es, sich über den lokalen Markt hinaus zu positionieren und erreichten sehr hohe Produktionszahlen. Einer der bekanntesten deutschen Verlage war etwa die Lithographische Anstalt von Gustav Kühn in Neuruppin bei Berlin. Einige Zahlen verdeutlichen die Produktivität dieses Verlages: Gustav Kühn gab mehr als 20.000 verschiedene Bilderbogen heraus, einige davon erschienen in Auflagen von 40.000 bis 80.000 Stück, 1832 wurden 1,2 Millionen Blatt gedruckt und während des deutsch-französischen Krieges konnte Gustav Kühn drei Millionen Bilderbogen allein zu diesem Thema verkaufen.
Kennzeichen der Bilderbogen aus Neuruppin war die große Aktualität und Zeitbezogenheit. Für viele Menschen waren die Einblattdrucke die wichtigste Informationsquelle. Und so äußerte sich Theodor Fontane 1862 in seinem Buch „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ beeindruckt: „Lange bevor die erste ‚Illustrierte Zeitung’ in die Welt ging, illustrierte der Kühnsche Bilderbogen die Tagesgeschichte, und was die Hauptsache war, diese Illustration hinkte nicht langsam nach, sondern folgte den Ereignissen auf dem Fuße.“
Ob Eisenbärenjagd, die Junirevolution in Paris 1830 oder der Brand der Bonner Residenz 1777 – die Käufer der Bilderbogen konnten sich die Welt und die Geschichte ins Haus holen.
Im 19. Jahrhundert wurden die gedruckten Blätter zum ersten grenzüberschreitenden Massenmedium in Europa: In Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland, Russland und in den Niederlanden gab es jeweils zahlreiche Verlage, die Bilderbogen herstellten. Vor allem Verlage aus Deutschland und Frankreich exportierten ihre Produkte auch in andere Länder. Häufig wurden die Titel oder Texte der Bilderbogen in mehreren Sprachen aufgedruckt und konnten so problemlos in verschiedenen Ländern verkauft werden.
Durch Kataloge, Straßenhändler oder Zeitungsannoncen fanden die Bilder ihre Kunden. Einige Orte in Gegenden mit wenigen Verdienstmöglichkeiten spezialisierten sich auf den Vertrieb. Im 19. Jahrhundert waren etwa die „italienischen Bilderhändler“ aus dem Tesin-Tal in Südtirol in ganz Europa bekannt. Die Wanderhändler zogen mit einem Holzkasten auf dem Rücken, in dem sich preiswerte Bilderbogen, aber auch hochwertige Kupferstiche der Druckerei Remondini aus Bessano befanden, zu Fuß von Ort zu Ort und verkauften ihre Ware, wo immer sie interessierte Kunden fanden: Auf Märkten, in Wirtschaften oder direkt in den Häusern der Menschen. Die Reiserrouten führten die Händler von Italien bis nach Russland und Skandinavien.
Die einzelnen Verlage entwickelten durch ihre jeweiligen Themen, ihre Grafiker und ihre Kolorierung ein ganz spezifisches Profil, sodass oft schon ein einziger Blick genügt, um einen Bogen zuordnen zu können: So unterscheiden sich die in kräftigen Farben kolorierten und flächig aufgebauten Bilder des wichtigsten französischen Verlegers Pellerin aus Epinal im Elsass deutlich von den auf dünnem Papier gedruckten und kleinteilig gestalteten „Centsprenten“, wie die Einblattdrucke in den Niederlanden genannt wurden.
Mehr als 70 ausgewählte Beispiele aus den Sammlungen von Irmgard Feldhaus und dem Clemens-Sels-Museum geben einen Überblick über die wichtigsten Verlage, Motive und den Vertrieb von Bilderbogen im 19. Jahrhundert.