Im Miteinander voneinander profitieren

31. Oktober 2012 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur, Neusser Leben

AG Interkultur bietet Kunst und Bildung für Bürger ungleicher Herkunft

An die 25 Prozent der Neusser Bevölkerung, rund 38.000 Menschen, haben einen Migrationshintergrund. Dazu zählen Bürger, die selber aus einem anderen Land stammen oder solche, bei denen zumindest ein Elternteil aus dem Ausland kommt. Ein Grund für die Kulturschaffenden der Stadt, sich in ihren Angeboten dieser Entwicklung anzupassen. Denn, da sind sich die Verantwortlichen einig, Kultur sollte alle Bürger erreichen, sollte die Vielfalt in Lebensart und Sprache einbeziehen und nutzen. Im Mai 2011 wurde hierzu ein Interkulturkonzept im Rat der Stadt Neuss verabschiedet. Die Umstrukturierungen in den Inhalten der beteiligten Institutionen und die Entwicklung neuer Projekte laufen, zudem wurde nun eine gemeinsame Veranstaltungsreihe aufgelegt. In diesem Rahmen lädt das Kulturamt am 28.11. die türkische Journalistin und TV-Moderatorin Asli Sevindim ein, um von ihren weiten interkulturellen Erfahrungen zu berichten.

(von Marion Stuckstätte)

 

Im Grunde kennt Kultur keine Grenzen. Kaum ein bedeutender Künstler, ob Literat, Musiker oder Maler, der nicht die Welt bekundete und sich kreative Inspiration aus fremden Ländern holte. Auch auf den Bühnen des Landes werden internationale Künstler gern gesehen, erwecken ausländische Musikproduktionen, Filme und Bücher Neugier und Fantasie. Doch wenn das Fremde in die Heimat zieht, ebbt das Interesse häufig ab, findet zu viel Andersartigkeit keinen Zuspruch mehr. Die Bereicherungen, die multikulturelle Strukturen für die Gesellschaft bringen können, werden durch skeptische, negative Betrachtungsweisen in den Hintergrund gedrängt. Und obwohl im Sport, im Geschäftsleben und in Schulklassen Internationalität längst zum Alltag gehört, wird die Vielfalt in Sprache, Kultur und Religion weitgehend noch nicht positiv ausgeschöpft. Ein Handlungsbedarf, dem sich die Neusser Kulturinstitute durch Bildung der „Arbeitsgemeinschaft Interkultur“ gestellt haben. Ihr Ziel: Alle Bürger, egal welcher Muttersprache, sollen sich in Neuss zugehörig und zu Hause fühlen und sich gegenseitig bereichern.

 

Die Realisation in den Kulturinstituten erfolgt in verschiedenen Projekten, in mehrsprachigen Präsentationen und Internetauftritten und verschiedensprachigen Inhalten der Häuser, die sich als Lesungen, Vorstellungen, Diskussionen, Ausstellungen, Bildungsmaßnahmen oder Medienangebote gestalten. Zudem hat die AG Interkultur eine gemeinsame Veranstaltungsreihe aufgelegt, an der im ersten Schritt Kulturamt, Volkshochschule, Stadtbibliothek und Stadtarchiv mitwirkten, später auch Musikschule, RLT, Off-Theater und Tanzraum Neuss und weitere mitbeteiligt sein werden. Im Rahmen dieser Reihe lädt das Kulturamt Neuss in diesem Monat die bekannte Journalistin Asli Sevindim in die Quirinusstadt ein. Die TV-Moderatorin (u.a. der WDR-Nachrichtensendung „Aktuelle Stunde“) und Buchautorin („Candlelight Döner: Geschichten über meine deutsch-türkische Familie“) weiß einiges über Völkerverständigung zu erzählen. Schon aufgrund ihrer Erfahrungen als eine der künstlerischen Direktoren des „Kulturhauptstadtjahrs 2010 der Metropole Ruhr“ wird sie am 28.11. qualifiziert Rede und Antwort auf Fragen zum interkulturellen Leben stehen. Am 6.2. ist Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan im Romaneum Gast der Volkshochschule. Menschen mit Migrationshintergrund begegnen oft dem Vorurteil, defizitär gesellschaftlich wirksam zu sein. Mit welchem Leistungsvermögen sie jedoch ausgestattet sind und welche Chancen sich daraus für die deutsche Wirtschaft ergeben können, wird häufig übersehen oder unterschätzt. Die Veranstaltung durchleuchtet die Potentiale von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

 

Diversity“ als Wesensmerkmal der modernen Gesellschaft

Zuhören und Verstehen, das sind Voraussetzungen, die Menschen zueinander führen. Die Sprache kann Hindernis sein, die Tradition ebenfalls. Drum gibt es neben kulturellen Programmen in Mehrsprachigkeit auch speziell auf einzelne Bevölkerungsgruppen zugeschnittene Angebote, die die Integration erleichtern sollen. VHS-Gesundheitskurse für muslimische Frauen, geführt von einer türkischen Ärztin, gehören dazu genauso wie die fremdsprachigen Hausführungen und Sprechstunden der Stadtbibliothek. Die Bücherei hat überdies geplant, den Bestand an fremdsprachigen Medien, auch im Bereich Kinderbücher, Kochbücher und Gesundheitsratgeber, weiter auszubauen. Fremdes Leben begreifen und sich für andere Kulturen öffnen, erfordert auch, sich im eigenen Empfinden wahrgenommen und verstanden zu fühlen. Hierin kann die Chance auf Begegnung liegen. Mehrsprachige Projekte, wie das zweisprachige Vorlesen in der Bibliothek in Deutsch und in Italienisch, Chinesisch, Türkisch, Polnisch oder Griechisch und vielen Sprachen mehr, kann Brücken bauen. „Einmal um die Welt in einem Jahr“ heißt ein weiteres Projekt des Hauses, in dem fremde Kontinente von Afrika, Asien, Europa über Australien bis nach Amerika anhand von Lesungen, Themennachmittagen, Filmen und Vorträgen erkundet werden.

 

„Diversity“, erklärt Harald Müller, Leiter des hiesigen Kulturamtes, das federführend die Belange der AG Interkultur voranbringt, „müsse zum Ausgangs- und Zielpunkt kultur- und gesellschaftspolitischer Aktivitäten werden.“ Hier sei möglichst früh in der Entwicklung anzusetzen, interkulturelle Vielfalt als Wesensmerkmal einer modernen Gesellschaft zu begreifen. Individuen sehen und Potentiale nutzen, müsse am Anfang des Denkens und Handelns stehen. Ein besonderes Augenmerk des städtischen Interkulturkonzeptes liegt daher auf der Förderung und kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen. Miteinander voneinander profitieren. Der positive Einfluss von kultureller Bildung auf Fantasie, Kreativität und Sozialverhalten ist bekannt. Das Neusser Interkultur-Projekt bietet hier einen weitgefächerten Ansatz.

(Das Interkulturkonzept der Stadt Neuss kann als PDF-Datei von der Homepage der Stadt, www.neuss.de, in den Sprachen Deutsch, Arabisch, Englisch, Französisch, Polnisch, Russisch und Türkisch heruntergeladen werden. Infos zum Veranstaltungsprogramm der AG Interkultur jeweils bei den mitwirkenden Institutionen.)