Jüdische Bestattungskultur in Neuss
10. November 2020 | Von Der Neusser | Kategorie: AktuellesNeuer jüdischer Friedhof geplant
Am 31.8.2018 unterzeichneten die Jüdische Gemeinde Neuss als Zweigstelle der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und die Stadt Neuss einen Vertrag zur Förderung des jüdisch-kulturellen Lebens der jüdischen Gemeinde in Neuss sowie zur Weiterentwicklung des deutsch-jüdischen Kulturerbes. Vereinbart wurde der Ausbau des Alexander-Bederov-Zentrums an der Leostraße zur Synagoge, die Gründung einer Städtepartnerschaft mit einer Stadt in Israel und die Anlage eines neuen jüdischen Friedhofes.
Das Richtfest für die neue Synagoge an der Leostraße konnte im Juni gefeiert werden; die Fertigstellung ist für Frühjahr 2021 vorgesehen.
Zur Absicht, einen neuen Friedhof anzulegen heißt es im Vertrag:
„Den Parteien ist bekannt, dass der jüdische Friedhof Neuss (Glehner Weg) mittelfristig keine Möglichkeit zur Anlegung weiterer Grabstätten erlaubt, da jüdische Grabstätten auf Dauer angelegt sind. Bereits jetzt vereinbaren die Vertragsparteien die Absicht, sich spätestens 2019 über die Anlage eines neuen jüdischen Friedhofes zu verständigen.“
Die Geschichte des jüdischen Friedhofes in Neuss
Das Gelände des jüdischen Friedhofes am Glehner Weg gegenüber dem 1873 angelegten städtischen Hauptfriedhof erwarb die jüdische Gemeinde Neuss 1887. Die Eröffnung fand 1890 statt.
Der neue Friedhof am Glehner Weg war notwendig geworden, weil der bis dahin an der Düsseldorfer Straße gelegene Friedhof durch die Ausbreitung von Industriebetrieben und den Ausbau des Hafens keinen Raum mehr hatte. Auf den erstmals auf einer Karte von 1829 eingezeichneten Friedhof weist heute eine Tafel an der Düsseldorfer Straße hin.
Die Umbettung der auf dem Friedhof Bestatteten erfolgte 1920. Ihre Grabsteine bilden eine eigene Abteilung im hinteren Teil des jüdischen Friedhofs am Glehner Weg. Dieser wird in absehbarer Zeit keine weiteren Bestattungen mehr ermöglichen, denn nach jüdischem Verständnis ist der Friedhof ein Ort der Ewigkeit, an dem die Verstorbenen den Tag der Auferstehung erwarten.
Der ewige Ort
Von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf erfuhren wir mehr über die jüdische Bestattungskultur.
Im jüdischen Glauben hat die die Hoffnung auf Auferstehung eine zentrale Bedeutung, die bestimmte Regeln mit sich bringt. So ist im Judentum nur die Erdbestattung zugelassen und die Feuerbestattung untersagt. Die Bestattung soll so schnell wie möglich erfolgen. Da in vielen Ländern die Bestattung innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod nicht erlaubt ist, erfolgt das Begräbnis meist zwei bis drei Tage nach dem Tod.
Die Gräber haben für alle Zeit Bestand. Sie laufen nicht ab und werden nicht neubelegt. Die Grabsteine sind einheitlich und schlicht gestaltet. Sie dürfen keine Bilder der Toten zeigen und werden meist erst nach Ablauf eines Jahres aufgestellt.
Blumenschmuck und Grabbepflanzung sind nicht erwünscht. Besucher der Grabstätte bringen kleine Steine mit, die sie an oder auf die Grabsteine legen. Sie sind Symbol der Ehrerbietung, ein Zeichen, das sagt „Ich war hier“.
Trauerphasen
Nach dem Begräbnis von Eltern, Ehegatten, Geschwistern oder Kindern folgt für die Hinterbliebenen die siebentägige Schiwa, das Stillsitzen. Die Trauernden verlassen das Haus nicht, enthalten sich aller alltäglichen Pflichten und Freuden. Enge Verwandte, Freunde, Gemeindemitglieder kondolieren, kümmern sich um sie, indem sie ihnen Essen bringen, ihnen zuhören, für sie da sind.
In dem Monat nach der Schiwa, dem Schloschim, kehren die Hinterbliebenen nach und nach wieder in den Alltag zurück, beachten aber weiterhin einige Trauervorschriften (z.B. keine Feierlichkeiten, keine neuen Kleider), die für Kinder nach dem Tod eines Elternteils ein ganzes Jahr gelten.
Nach einem Jahr ist die offizielle Trauerzeit abgeschlossen. Der Tote wird aber nicht vergessen. Jedes Jahr am Todestag brennt für 24 Stunden ein Licht für den Verstorbenen.