Neues aus der Rathauskantine

24. Oktober 2018 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur

Mahlzeit! Mein Name ist Alfred Sülheim, Stadtarchivar. Gemeinsam mit Controllerin Simone Strack, die ich regelmäßig in der Rathauskantine treffe, haben wir schon etliche spannende und brisante Abenteuer zum Wohl des Bürgers, des Steuerzahlers und unserer geliebten Heimatstadt Neuss erlebt und erleben sie täglich wieder. An dieser Stelle gebe ich zum Besten, was uns zur Zeit bewegt…

Menü heute: Struwwelpeter ‚Hamacher Art‘

Manchmal kommen Vorschläge auf den Tisch, von denen man gar nicht glauben möchte, dass sie irgend jemand ernst meinen könnte. Etwa die Kategorie „Wenn das hungernde Volk kein Brot hat, soll es doch Kuchen essen“. Oder „Sorgen Sie als Hartz-IV-Aufstocker besser privat für die Rente vor.“ Aber irgendwie scheint kein Gedanke zu blöd, als dass sich nicht eine Königin oder ein Wirtschafts-Liberaler findet, der ihn mutig ausspricht. Oder eben ein Neusser Bildungspolitiker. Der spektakuläre Vorschlag von Herrn Hamacher: Die Länge der Sommerferien soll den Zeugnisnoten der Schüler angepasst werden. Schlechtere Noten würden dementsprechend kürzere Ferien bedeuten.

Ich weiß gar nicht, welcher Aspekt dieses ‚Plans‘ mich mehr schockiert, die Steinzeit-Pädagogik, die Strafen als Mittel zur Leistungsförderung betrachtet (wobei vermutlich immer eine nostalgische Erinnerung an die Segnungen der Prügelstrafe mitschwingt), oder die plumpe Übertragung von Mechanismen aus der profitorientierten ‚freien‘ Wirtschaft auf die Bildung und Erziehung unserer Kinder. Denn, obwohl Hamacher noch „Leuchttürme schulischer Bildung“ sieht, möchte er doch „das in der Wirtschaft ohnehin geltende Leistungsprinzip wieder in den Schulen verankern“. Spätestens hier wird die ganze Sache zur Lachnummer. Ist vielleicht das ‚VW-Leistungsprinzip‘ gemeint? Bescheiß soviel du kannst, solange du durchkommst, alles easy. Und wirst du mal erwischt, sorgt Mutti dafür, dass die Folgen im Rahmen bleiben? Oder das ‚Too-Big-To-Fail-Banken-Leistungssrinzip‘? Das ‚Wer-braucht-schon-billigen-Wohnraum-Leistungsprinzip‘? Das ‚Amazon-Lidl-DeutschePost-Etc.PP-Leistungsprinzip‘?

Ein nicht unwesentlicher Teil der Wirtschaft leistet sich aktuell hauptsächlich die Abkehr von Prinzipien – vor allem dem, dass Eigentum verpflichtet. Aber wen schert schon das Grundgesetz, wenn es ums Geld verdienen geht. Scheinbar nicht einmal ausgesuchte Juristen.

Es gibt viele Firmen und Unternehmer, auch in Neuss, die als positive Beispiele für alles mögliche gelten können. ‚Die‘ Wirtschaft ist es sicher nicht. Und über die Anwendung des Leistungsprinzips in der Politik will ich mich gar nicht äußern, wo gerade erst ein Mister X durch Beförderung zum ‚Rücktritt‘ gezwungen wurde.

Übrigens haben Forscher der Uni Bonn gerade herausgefunden, dass Schüler besser schreiben, wenn sie nach der Fibel-Methode lernen. Es gibt also durchaus alte Rezepte, die einen Platz in der modernen Schul-Küche finden können und sollten. Mit einem tun wir unseren Kindern aber sicher keinen Gefallen: Ideologisch eingefärbten Experimenten zwischen Leistungsdrill und Laisser-Faire. Und um das zu erkennen, braucht selbst ein kleines Licht keinen Leuchtturm. Denn es sind vor allem die Schüler, die diese Suppe auslöffeln müssen.

Wohl bekomm‘s!