Rheinisches Schützenmuseum Neuss mit Joseph-Lange-Schützenarchiv

27. August 2018 | Von | Kategorie: Aktuelles, Schützenfeste, Titelthema

Museum und Archiv einer einmaligen Tradition:
Das Neusser Bürger-Schützenfest ist der Höhepunkt des Jahres und die „fünfte Jahreszeit“ in Neuss. Das Rheinische Schützenmuseum im Haus Rottels lädt das ganze Jahr über ein, tiefer in diese Tradition einzutauchen. Was es hier zu entdecken gibt, ist einzigartig.

Das Rheinische Schützenmuseum Neuss mit Joseph-Lange-Schützenarchiv geht auf das Geschenk von Joseph Lange zurück. Das kleine Bleiglasfenster zeigt seinen Königsorden, sein persönliches Wappen und trägt die Widmung „Dem Neusser Bürger-Schützen-Verein / Schützenkönig Joseph Lange 1959/60“. Dabei hatte er ein Anliegen: Nicht nur die Tradition des jährlichen Schützenfestes lebendig zu halten, sondern auch das Wissen um die Herkunft dieser Tradition zu bewahren, zu erforschen und zu dokumentieren. Seine Idee drückte er bei der Überreichung seines Geschenks so aus: „Hier ist das erste Fenster für ein Schützenhaus, das unserer Stadt noch fehlt. Es würde mich freuen wenn ich den Anstoß geben würde, dass eines Tages ‚drumherum‘ dieses Haus entsteht.“

Das Haus „drumherum“

2004 war es so weit. Die „Stiftung Rheinisches Schützenmuseum Neuss mit Joseph-Lange-Schützenarchiv“ wurde durch den Neusser Bürger-Schützen-Verein und die Stadt Neuss sowie den Rhein-Kreis Neuss gegründet. Das Museum übernahm Joseph Langes Sammlung zum Schützenwesen und die umfangreichen Unterlagen. Zahlreiche Schenkungen und Leihgaben sind hinzugekommen und dokumentieren das Schützenwesen vom Mittelalter über die Frühe Neuzeit bis in die Gegenwart. Frau Dr. Britta Spies leitet das Museum. Herr Dr. Christian Frommert leitet das Archiv. Unterstützt werden sie von ehrenamtlichen Kräften.
Mögliche Ausstellungsstücke werden gesichtet und geordnet. Akten, Fotos und Filme werden ausgewertet, digitalisiert, kategorisiert. Sie zeichnen nicht nur die Geschichte des 1823 gegründeten Neusser Bürger-Schützen-Vereins nach, sie vermitteln auch einen Eindruck der bürgerlichen Stadtgesellschaft.
Christian Frommert weist auf Kisten voller Zugakten. „In den Unterlagen der Züge spiegelt sich das Zugleben. Traueranzeigen von Mitgliedern, Geburtsanzeigen oder auch Rechnungen sind hier zu finden. Wie durch eine Lupe kann man auf das Leben der bürgerlichen Gesellschaft blicken. Wie lebten die Menschen? Was und wie dachten sie? Gerade das, was uns heute selbstverständlich erscheint, kann Jahre später Aufschluss über das Leben der BürgerInnen und Schützen geben“ so Christian Frommert. In dem Sinne sind Kleinigkeiten, auch normale Dinge für das Archiv und Museum interessant. Das Museum von morgen wird heute angelegt“, bestätigt Britta Spies.
Museum und Archiv sammeln breit: Buttons, die der Schützenverein in Schulen verteilt, Eintrittskarten, Zeitungen und Plakate. „Viele Mosaiksteinchen ergeben schließlich ein Bild.“

Eine echte Rarität …

… ist die Gründungsurkunde der Sankt Sebastianus-Bruderschaft, datiert vom 1. November 1415. So etwas gibt es (fast) nur in Neuss. Das Original liegt wohlbehütet im Stadtarchiv. Im Museum ist eine originalgetreue Kopie zu sehen. In elf Punkten sind darin die Rechte und Pflichten der Mitglieder festgelegt. Jeder ist für den anderen da. Gerät ein Bruder in Armut, „sollen die Meister dem Bruder alle Tage vier Möhrchen [eine damalige Münze] vom Geld der Bruderschaft geben.“
Die Schützenvereine wurzeln in den frühen Bruderschaften und bis heute ist soziales Engagement Herzensangelegenheit des Neusser Bürger-Schützen-Vereins. In diesem Zusammenhalt sieht Britta Spies ein Erfolgsgeheimnis des Neusser Bürger-Schützen-Vereins. „In Neuss wird ein Familiengefühl gelebt, ein freundschaftlicher Zusammenhalt vermittelt“, so Britta Spies.

Die Schützenkönigin

Als Partnerin des Schützenkönigs hat die Schützenkönigin ihren festen Platz im Schützenwesen. 1826 wurde sie erstmals erwähnt.
Welches Kleid, welchen Hut trägt die Königin? Die Frage ist mittlerweile (fast) so spannend wie die Frage, wie der Orden des Schützenkönigs aussieht“, stellt Dr. Spies fest. Die eleganten Roben der Schützenkönigin sind im Museum ebenso zu bewundern wie die Uniformen aus verschiedenen Epochen, ob von Sappeuren, Grenadieren, Edelknaben, Jägern oder Reitern, oder die „Dienstkleidung“ des Schützenkönigs: ein Frack mit Schärpe und Zylinder.
Auch die Uniform der Erfttaler Blauröcke ist im Museum zu sehen. Schließlich ist der Schützenverein Erfttal seit seiner Gründung vor 45 Jahren der einzige Verein im Neusser Stadtgebiet, in dem Frauen mit eigenen Zügen mit dabei sind.

Unverwechselbares Neuss

Wir sind eines der wenigen Schützenmuseen in Deutschland“, stellt Britta Spies heraus. „Auf Schloss Callenberg befindet sich das Deutsche Schützenmuseum. Der Schwerpunkt liegt aber im Unterschied zu Neuss auf dem Schießsport. In den Niederlanden ist das Schützenwesen auch sehr lebendig. Hier gibt es das Schützenmuseum Steyl, mit dem wir immer wieder gemeinsam Projekte verwirklichen.“

Neuss kann mit etlichen Besonderheiten beim Schützenfest aufwarten. Den Fackelzug mit großen beleuchteten Motivwagen gibt es in dieser Form nur in Neuss und dem näheren Umland. Im Museum entdecken wir neben Pechfackeln, mit denen der Umzug im frühen 19. Jahrhundert begann, Bauteile älterer Fackelzugwagen aus schwerem, gelötetem Draht, der längst dem leichten Kaninchendraht beim Wagenbau gewichen ist.
Britta Spies: „In jedem Jahrhundert wird das Schützenfest wieder neu erfunden. Immer wieder kommen neue Elemente hinzu. So wie der Fackelzug. Tanzbälle gehören seit dem frühen 19. Jahrhundert zum Schützenwesen. Heute werden außerdem viele Partys gefeiert. Unser Schützenfest ist so zeitlos und zukunftsfähig, weil so viele Bedürfnisse der Menschen angesprochen werden: in einer Gemeinschaft zu sein, Freundschaft, Spiel und Spannung zu erleben, Tradition weiter gestalten zu können, Jahr für Jahr zu planen, diese Vorfreude zu erleben und Erinnerungen aufzubauen. Und auch den Schützenkönig zu ermitteln, ist immer wieder spannend.“
Zum erfolgreichen Vogelschuss reicht es nicht, ein guter Sportschütze zu sein. Wann das letzte Stückchen vom Vogel fällt, ist letztlich auch Glückssache. Es wird also nicht langweilig“, freut sich die Museumsleiterin.

Freude für Neulinge und Eingeweihte

Langweilig wird es in keinem Fall den Kindern, für die Museumsleiterin Dr. Britta Spies beispielsweise Ferienspaßaktionen oder Führungen für Schulklassen im Museum organisiert. Wenn sie mit einer Mini-Armbrust den hölzernen Vogel abschießen oder das prächtige Ballkleid einer Kinder-Schützenkönigin anprobieren dürfen, werden Träume wahr. Museumspädagogische Angebote stehen ebenso im Programm des Rheinischen Schützenmuseums wie Führungen für Gruppen, Martinsfeiern oder die Teilnahme an der Neusser Kulturnacht im Herbst.
Im Museum gibt es Informationen, die uns das Schützenwesen besser verstehen lassen und vielleicht auch bisher Uneingeweihte auf den Geschmack bringen.

Kontakt:

Rheinisches Schützenmuseum Neuss mit Joseph-Lange-Schützenarchiv
Oberstraße 58 – 60, 41460 Neuss, Tel: 02131/904144
schuetzenmuseum@aol.com, schuetzenarchiv@aol.com
www.rheinisches-schuetzenmuseum.de
Öffnungszeiten: Mittwoch und Sonntag 11 – 17 Uhr und nach Vereinbarung

Claudia Pilatus