Biwakierende Schützen: Vom Feldlager zur Megaparty

24. August 2018 | Von | Kategorie: Aktuelles, Schützenfeste, Titelthema

Biwakieren – was ist denn das? Wenn wir Schützen am Oberst- oder Königsehrenabend im Bereich der Stadthalle unter freiem Himmel lagern und feiern sehen, bekommen wir eine Antwort.

Drei Wochen vor dem Festwochenende feiern die Schützen mit dem Oberstehrenabend ihre erste Zusammenkunft im Freien. Das ist der Tag, an dem erstmals Schützenbiwaks stattfinden.
Es folgt der Königsehrenabend, an dem der amtierende Schützenkönig gefeiert und wieder biwakiert wird. Im Ursprung war das Schützenbiwak jedoch keine Party. Es war ein Aufenthalt im Freien, der eher zweckmäßigen Überlegungen entsprang.

Die Wiege des Schützenbiwaks

Peter Albrecht, ehrenamtlicher Mitarbeiter im Rheinischen Schützenmuseum und viele Jahre aktiv im Hubertuszug Diana, erzählt:
Anfang der 1980er umfasste das Neusser Schützenregiment etwa dreieinhalbtausend Schützen, war also nicht mal halb so groß wie heute. Dennoch war die Stadthalle zur Feier des Oberst- und Königsehrenabend bereits überfüllt. Viele Schützen wichen zur Feier in ihre Stammlokale aus.
Der Hubertusschützenzug Diana kam auf die Idee, einige Abgeordnete in die Stadthalle zu entsenden, während die anderen Zugmitglieder nicht fern von Oberst und König in der Nähe der Stadthalle kampierten. Hinter der Stadthalle, in dem Eck zwischen Nordkanal­allee und Schillerstraße ist die Wiege des Schützenbiwaks, und hier ist bis heute der Zug Diana anzutreffen.“
Zuerst geschah das Biwakieren zum Missfallen der Obrigkeit. Doch bald schaute diese bei uns hinein. In den folgenden Jahren griffen weitere Züge unsere Idee auf und lagerten im Bereich der Stadthalle und des Clemens-Sels-Museums.“

Ungebremste Biwak-Lust

Die Biwak-Bewegung der Schützen war nicht zu stoppen und wurde schließlich offiziell genehmigt. „Bald wurde sie als Gewinn für die Schützenvereine gesehen“, so Peter Albrecht.
Ist es im Biwak des Hubertuszugs Diana bis heute „puritanisch“ bei Bier und Mettbrötchen geblieben, werden mittlerweile häufig Party-Services für die nunmehr zahlreichen Schützenbiwaks engagiert.
Seit 2003 veranstaltet Reinhold Gauder mit seinen Grenadieren vom Fahnenzug 1920 ein Schützenbiwak im Rosengarten. Das Rosengarten-Biwak zum Start ins Neusser Bürger-Schützenfest wurde bald so beliebt, dass die Teilnehmerzahl auf etwa 400 begrenzt wurde.

Einladungen für die Schützen

Nicht nur die Schützenzüge organisieren Biwaks für ihre Mitglieder, auch Unternehmen und der Bürgermeister laden zum Biwak ein und bringen so ihre Verbundenheit zum Neusser Schützenwesen zum Ausdruck.
Neben den offiziellen Empfängen im Rathaus ist das Biwak seit dem Jahr 2000 eine bei den Schützenzügen beliebte und begehrte Veranstaltung – so begehrt, dass Bürgermeister Reiner Breuer 2016 ein Auswahlverfahren einführte.
Alle beim Neusser Bürger-Schützenfest mit marschierenden Züge können sich bewerben. Anschließend werden 25 Züge von der amtierenden Schützenkönigin aus der Lostrommel öffentlich gezogen. Diese Schützenzüge erhalten eine offizielle Einladung zum Biwak im Rathausinnenhof am Kirmesdienstag.
Am Montag, vor den nachmittäglichen Umzügen strömen ca. 1.500 Schützen und Gäste bereits zum 38. Mal auf dem Münsterplatz zum Volksbank-Biwak zusammen.
Das Autohaus Timmermanns an der „Rollmopsallee“ lädt montags jährlich neue Züge ein. Beim 18. Treffen im letzten Jahr ließen es sich fast 300 Schützen aus 14 Zügen bei kühlen Getränken und Buffet gut gehen.

Oder fing es hier an?

Gehen wir noch weiter auf Spurensuche nach den Anfängen des Biwaks zum Schützenfest, stoßen wir auf das Horten-Feldlager.
Von der Leiterin des Rheinischen Schützenmuseums, Dr. Britta Spies, erhalten wir zur Vorgeschichte des heutigen Schützenbiwaks am Rheinischen Landestheater folgende Auskunft:
Sicher wissen nur wenige Schützen, die am Montagmorgen beim Feldlager am Theater auf das Schützenfest anstoßen, dass sie dieses Vergnügen Heinz Gappa zu verdanken haben. Obwohl Heinz Gappa selbst kein aktiver Schütze war, suchte er Anfang der 1960er Jahre nach einer Möglichkeit, die Schützen zu fördern. Damals war er verantwortlich für den Gastronomiebereich des 1963 eröffneten Kaufhauses Horten. Zusammen mit dem Hubertusmajor Bruno Kistler und dem Gildemajor Karl Herbrechter entwickelte er die Idee des Horten-Feldlagers – des ersten Schützenbiwaks in Neuss.
Nach dem Ende von Horten und dem Umbau des Hauses an der Oberstraße zum Rheinischen Landestheater gelang es dem damaligen Major der Schützengilde, Dr. Dr. Udo Kissenkoetter, neue Sponsoren zu gewinnen und das Horten-Feldlager als Schützenbiwak am Rheinischen Landestheater weiterzuführen.“

Und warum heißt es Biwak?

Die „Biwake“ kommt aus dem Niederländischen. Die „Beiwache“ kampierte in früherer Zeit vor den Stadtmauern im Freien und verstärkte die Innenwache in der Stadt.
Das Gemälde „Biwak“ des französischen Malers Antoine Watteau aus dem Jahre 1709 zeigt ein Biwak, ein Feldlager von Soldaten. Der französische Titel: „Camp Volant“ meint das mobile Zelt oder Lager. Hier zerstreuten und erholten sich die Soldaten, bevor es wieder in den Kampf ging.
In dem Sinne tanken die Schützen im Biwak auf, feiern ihre Freundschaft und ihren Zusammenhalt, bevor es in den „Kampf“ des Schützenfestes geht – genussvoll, mit Freude und Freunden und allen BürgerInnen.

Claudia Pilatus