Wie die Neusser Tafel den Überfluss nutzt, um Armut zu bekämpfen
20. Juni 2018 | Von Der Neusser | Kategorie: Aktuelles, Neusser LebenEigentlich ist genug für alle da…
Der Aufnahmestopp für Ausländer der Essener Tafel vor einigen Monaten hatte bundesweit für Diskussionen gesorgt, da er nach Meinung vieler gegen die selbstauferlegten Grundsätze der Tafeln verstoße, nicht nach Herkunft sondern nach Bedürftigkeit zu entscheiden, wer aufgenommen wird und wer nicht. Als Begründung gab die Essener Tafel an, dass sich viele ältere Menschen und Alleinerziehende durch die hohe Zahl fremdsprachiger Männer abgeschreckt fühlten. Wie sieht die Situation bei der Neusser Tafel aus? Der Neusser hat nachgefragt.
„Einen Aufnahmestopp gibt es bei der Neusser Tafel nicht und wird es auch nicht geben“, so Monika Luchs, eine von mehr als 30 ehrenamtlichen Mitarbeitern bei der Neusser Tafel. „Natürlich gibt es hier auch manchmal Probleme, aber das ist doch normal. Und die meisten wissen sich auch zu wehren“, schmunzelt sie. Die Neusser Tafel gibt es jetzt seit mehr als 20 Jahren. Anfangs vor allem gegründet, um Lebensmittel vor dem Verfall zu bewahren und an Obdachlose zu geben, ist die Nachfrage seitdem stetig gewachsen. Zunehmende Armut vor allem bei Rentnern und Alleinerziehenden ist einer der Gründe, aber auch eine gestiegene Zahl an Flüchtlingen.
Insgesamt versorgt die Tafel ca. 3.000 bis 4.000 Menschen kreisweit, nicht nur die 60 bis 70 Wartenden, die an den Ausgabetagen vor der Tür der Tafel an der Düsseldorfer Straße geduldig anstehen, um ihr „Körbchen“ auszuwählen und entgegenzunehmen, sondern auch die, die zu den Außenstellen in Korschenbroich und Kaarst kommen. Darüber hinaus beliefert die Tafel zahlreiche Einrichtungen wie Flüchtlingsunterkünfte, Jugendeinrichtungen und Kindertagesstätten. 3 Fahrzeuge sind täglich für die Tafel unterwegs, um Lebensmittel zu verteilen und natürlich einzusammeln. Die ehrenamtlichen Fahrer haben in der Regel feste Routen, sie fahren die Filialen größerer Supermarktketten an, wo die aussortierten Lebensmittel, die alle noch haltbar sind und noch zum Verzehr taugen, bereits auf ihren Abtransport warten und bringen sie zu den Tafelläden. Dort werden dann die Regale bestückt, und die Kunden können sich dann an den drei Ausgabetagen ihre maximal 3 „Körbchen“ selbst zusammenstellen. „Wir haben hier ein Spende gegen Spende-Prinzip“, so Frau Luchs „pro Körbchen mit den gespendeten Lebensmitteln spenden die Kunden ihrerseits 2,50 Euro.“ Ein bestimmtes Kontingent an Lebensmitteln wird von den Fahrern dann zu den unterschiedlichen Einrichtungen und Außenstellen geliefert. Alles, was am Freitag dann noch übrig bleibt, geht an die Obdachlosenunterkünfte am Derendorfweg und nach Reuschenberg. Im Schnitt wechseln so in Neuss 100 Tonnen vom Handel aussortierte Lebensmittel monatlich den Besitzer, sie werden umverteilt statt in der Mülltonne zu landen.
… es ist nur völlig falsch verteilt
Somit ist die Arbeit der Tafel eigentlich ein Austarieren von zwei Extremzuständen in unserer Gesellschaft: einerseits gibt es einen wahnsinnigen Überfluss an Lebensmitteln und andererseits eine zunehmende Armut. Die Arbeit der Tafel bekämpft Armut mit den Auswüchsen des Überflusses und macht so auf die ungerechte Verteilung nicht nur von Lebensmitteln aufmerksam. Denn neben der Lebensmittelausgabe gibt es bei der Neusser Tafel viele Dinge des alltäglichen Bedarfs im eigenen Second-Hand Shop. Dort bekommt man von Kleidung über Geschirr und anderen Hausrat gegen eine kleine symbolische Spende, auch Bücher und Spiele und die sogar geschenkt. Anders als bei den Lebensmitteln steht dieser Shop allen offen, nicht nur denen, die über einen Bedürftigkeitsnachweis verfügen. „Hier finden sich manchmal richtige Kostbarkeiten“, weiß Frau Luchs „teure Markenjacken oder schicke Wintermäntel.“
Die Tafel freut sich über Spenden und spenden kann jeder, der etwas Brauchbares nicht mehr braucht. Bei Lebensmitteln sind Spenden ebenfalls gern gesehen, hier ist es wichtig, dass die Ware originalverpackt ist und das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht überschritten ist. Weitere Infos zur Neusser Tafel, Spenden und Öffnungszeiten unter http://www.neussertafel.de .
Monika Nowotny