Morgens von halb acht bis halb neun in Neuss: Der beschwerliche Weg zur Arbeit
23. Mai 2018 | Von Der Neusser | Kategorie: Aktuelles, TitelthemaStop and Go: Mehr als 18 Millionen Deutsche pendeln zu ihrem Arbeitsplatz, Tendenz steigend. Neuss belegt den ersten Platz unter den 29 Großstädten in NRW, was die Zahl der Einpendler betrifft. Hier beträgt die Einpendlerquote 60,4 Prozent. Aber auch die Auspendlerquote ist mit 54,5 Prozent vergleichsweise hoch. Was für die einen eine gute Nachricht ist, denn die Zahlen geben Auskunft über Wirtschaftskraft, Arbeitsplätze und die hohe Erwerbstätigenquote, ist für andere, die zur Rushhour im Stau stecken, oftmals das nackte Grauen.
Mit der Zahl der Erwerbstätigen erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, auf dem Weg zur Arbeit nur beschwerlich voranzukommen. So ist die Nachricht, dass Neuss jährlich einen Zuwachs von mehr als 1.300 Erwerbstätigen verzeichnet, einerseits Beweis für positive Arbeitsmarktentwicklung und wirtschaftlicher Stärke. Andererseits aber auch Grund für mehr Berufsverkehr.
Gerade an neuralgischen Punkten wie dem Willy-Brand Ring, der Stresemann- oder Gladbacher Straße müssen Berufspendler oft viel Geduld mitbringen. Auch auf dem Autobahnring und vielen Bundesstraßen in und rund um Neuss gehören allmorgendlich und nach Feierabend lange Blechlawinen zum alltäglichen Straßenbild. Staufallen also soweit das Auge blickt, ein Entkommen nicht in Sicht. Sind die Staus also eine Art notwendiges Übel oder zwangsläufige negative Begleiterscheinung einer ansonsten sehr positiven Wirtschaftsentwicklung? Oder begegnet die Stadt aktiv dem Problem und sucht nach möglichen Alternativen, um den Verkehr zu entzerren? Hier antwortet Christoph Hölters, Beigeordneter für Planung, Bau und Verkehr, dass es sehr wohl Aufgabe der Stadt sei, sich des Problems anzunehmen und Maßnahmen zu ergreifen. Hierzu gehören langfristig Neubau-, Entlastungs- und Ausbaumaßnahmen des Straßennetzes, aber auch Optimierung des ÖPNV und der Parkraumbewirtschaftung und Verbesserung und Ausbau des Radverkehrsnetzes. Ziel sei es, die urbane Mobilität in Neuss zu gewährleisten mit der Gleichrangigkeit aller Verkehrsteilnehmer ohne den Vorrang des motorisierten Individualverkehrs. Hier setzt das Gesamtkonzept zur „Urbanen Mobilität Neuss“ auf bestmögliche Vernetzung aller Verkehrsträger, um Wege zurückzulegen. So könne beispielsweise ein Arbeitnehmer aus Allerheiligen, der in die Innenstadt muss, bequem seinen Wagen am Park&Ride Parkplatz Allerheiligen abstellen, mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof fahren, um sich von dort via Fahrrad weiterzubewegen. „Neuss soll die Stadt der kurzen Wege werden“, so Hölters. „Die intelligente Vernetzung aller Verkehrsträger spielt dabei die wesentliche Rolle.“ E-mobility, Carsharing, die Optimierung des ÖPNV mit neuen Haltepunkten, weiteren Schnellbuslinien und Verdichtung der Takte gehört ebenso dazu wie die Weiterentwicklung der Parkinfrastruktur oder intelligente Verkehrslenksysteme.
Mobilität neu denken:
Alle Möglichkeiten nutzen, um in Bewegung zu bleiben und so den Stillstand auszubremsen.
Flexibilität entsteht im Kopf und ist immer eine Vernetzung von Möglichkeiten und die Fähigkeit, diese neu zu kombinieren. Ein gutes Beispiel ist hier ein Wettbewerbsbeitrag, der u. a. einen Mobilitäts-Hub direkt hinter dem Hauptbahnhof auf dem Gelände der ehemaligen Schraubenfabrik vorsieht. Dieser besteht aus einem Quartiersparkhaus plus der Möglichkeit für Car-Sharing, einem Fahrradverleih für e-bikes und normale Zweiräder. Dadurch wird der Hauptbahnhof eine Zwischenstation, von der aus man einfach seine Fahrt fortsetzen kann. Weitere Neubauprojekte wie Hammfeld 1 oder „Inbus-Viertel“ setzen ebenfalls auf gute verkehrstechnische Anbindung und wollen Mobilität einfach und komfortabler machen. Vielleicht übernimmt in Zukunft die Digitalisierung ebenfalls eine wichtige Rolle. Denn sie ermöglicht Vernetzung und treibt sie voran. Via App sich die günstigste Route zum Ziel, Alternativrouten bei Stau, die beste Verbindung mit dem ÖPNV oder den Fahrschein zu lösen, ist heute entweder in der Testphase oder kein Problem und macht Mobilität einfacher und komfortabler. Vielleicht sind es dann morgen freie Parkplätze, Mitfahrgelegenheiten und Sammeltaxen, die via Smartphone angezeigt bzw. gebucht werden können. Denn wenn Mobilität neu gedacht wird und es um Fortbewegung geht, ganz gleich womit, anstatt sich ergeben in den Stau zu stellen, kommt Bewegung in den Stillstand.
Monika Nowotny