Wenn eine Familie plötzlich nicht mehr funktioniert
3. April 2018 | Von Der Neusser | Kategorie: Aktuelles, FamilieKindern ein neues Zuhause geben? Die Stadt Neuss sucht Pflegeeltern:
Ein altes chinesisches Sprichwort besagt: „In einer friedlichen Familie kommt das Glück von selber.“ Was aber, wenn der Frieden gestört ist und der Haussegen dauerhaft schief hängt? Wegen physischer oder psychischer Erkrankung der Eltern, Gewalt in der Familie, Suchtproblemen oder Überforderung beispielsweise. Dann können die Kinder oft nicht unbeschadet in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen, sondern sie müssen zu ihrem eigenen Schutz herausgenommen werden. Hilfe leistet hier der Pflegekinderdienst der Stadt Neuss, der, wenn auch mit ambulanten Hilfen nicht geholfen werden kann, für die Unterbringung in Pflegefamilien sorgt.
In Deutschland leben so viele Kinder in Pflegefamilien wie nie. Auch in Neuss ist die Tendenz steigend. Aktuell sind es 170 Kinder, die in Pflegefamilien aufwachsen. Viele kommen aus zerrütteten Verhältnissen und erfahren erst in der Pflegefamilie echte Geborgenheit und Zuneigung. So wie Karla*. Sie ist mittlerweile 16 Jahre alt und lebt seit ihrem 3. Lebensjahr bei Familie S., ihren Pflegeeltern. Erinnerungen an ihre leibliche Mutter hat sie fast keine, da es auch in der Vergangenheit so gut wie keinen Kontakt gegeben hat. Ihre leibliche Mutter hat ein Alkoholproblem und war mit dem Säugling komplett überfordert. Ihr damaliger Lebensgefährte kontaktierte das Jugendamt, dieses wendete sich dann an den Pflegekinderdienst. Die kleine Karla kam zunächst in eine Bereitschaftsfamilie, wo sie einige Monate blieb, bis sie bei der Familie S. ein neues Zuhause fand. „Mit Karla haben wir einen echten Sonnenschein bekommen und unsere Tochter eine tolle, kleine Schwester“, so Frau S. rückblickend auf die letzten 13 Jahre. Familie S. hatte sich damals beim Pflegekinderdienst als Pflegefamilie beworben, weil Frau S. nach der schwierigen Geburt ihrer ersten Tochter keine weiteren Kinder bekommen konnte, die Familie sich aber auf jeden Fall ein zweites Kind wünschte.
Sie durchliefen die Eignungsüberprüfung, die u.a. an einige Bedingungen geknüpft ist (einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis, guter Gesundheitszustand, regelmäßiges Einkommen, geeignete Räumlichkeiten und genügend Zeit). „Das Wichtigste ist Zeit, Offenheit, Liebe und Bereitschaft, sich mit dem Kind zu beschäftigen, das sind die wesentlichen Faktoren, da viele Kinder so etwas noch nie kennengelernt haben. Leider“, so Frau Lafon, Fachberaterin des Neusser Kinderpflegedienstes. „Viele Kinder haben traumatische Erfahrungen gemacht, sie kennen so etwas wie ein normales Familienleben gar nicht. Darauf muss man natürlich als Pflegefamilie vorbereitet sein. Aber dafür sind wir ja da“, so Lafon.
Der Pflegekinderdienst begleitet und unterstützt Pflegeeltern in jeder Hinsicht und jederzeit
Der Pflegekinderdienst begleitet die Pflegeeltern bereits vor der Aufnahme des Pflegekindes, bereitet sie vor, sorgt für die geeignete Vermittlung und ist auch in der gesamten Pflegezeit immer für die Familie da. Mit Rat und Tat, bei Problemen, Fragen und möglichen Krisensituationen.
Als Pflegeeltern kommen nicht nur verheiratete Paare in Frage, auch Unverheiratete, Gleichgeschlechtliche und Alleinerziehende können Pflegeeltern werden. „Wirklich wichtig ist uns die menschliche Eignung. Freude am und Neugier auf das Kind, der Wunsch, dem Kind eine Familie und Normalität zu geben und die Aufmerksamkeit, die es braucht“, so Lafon. Dafür ist es sicherlich erforderlich, dass für eine gewisse Zeit eine Berufstätigkeit aufgegeben wird, und ein Pflegeelternteil Elternzeit nimmt.
Anders als bei Karla, die keinen Kontakt mehr zu ihren leiblichen Eltern hat, gibt es viele Pflegekinder, die ihre leiblichen Eltern in regelmäßigen (oder unregelmäßigen) Abständen sehen. Auch hierum kümmert sich der Pflegekinderdienst, dass diese Treffen harmonisch verlaufen und im Idealfall die Chemie stimmt. Denn anders als bei Adoptionskindern behalten die leiblichen Eltern oft das Sorgerecht. In anderen Fällen wird vom Gericht ein Vormund bestellt.
„Hier wählen wir sehr sorgfältig aus, denn das Kindswohl steht bei uns immer an erster Stelle. Da muss alles passen“, so Andreas Kels, Leiter des Kinderpflegedienstes.
Aktuell sucht der Kinderpflegedienst der Stadt Pflegeeltern, die sich vorstellen könnten, Kindern ein neues Zuhause zu bieten. Es gibt natürlich auch finanzielle Unterstützung in Form eines vom Alter des Kindes abhängigen Pflegegeldes. Interessierte wenden sich bitte an den Kinderpflegedienst der Stadt Neuss. Entweder telefonisch unter 02131/905189 oder per email an andreas.kels@stadt.neuss.de. Hier gibt es auch Informationen, wann und wo der nächste Infoabend stattfindet.
* Name von der Redaktion geändert
Monika Nowotny