Bauen auf historischem Grund: Augustinuspark und Sauerkrautfabrik
9. März 2018 | Von Der Neusser | Kategorie: Aktuelles, TitelthemaAuf dem rund 14 Hektar großen Gelände am ehemaligen Alexianer-Krankenhaus an der Nordkanalallee auf dem die Alexianerbrüder in Neuss Geschichte geschrieben haben, wird bis 2022 ein neuer Stadtteil mit rund 500 Wohneinheiten entstehen. Gleich gegenüber auf dem Grundstück, wo die Fabrik Leuchtenberg über ein Jahrhundert lang Sauerkraut herstellte, werden 160 Wohnungen mit circa 10.200 qm Wohnfläche gebaut.
Im Jahr 2016 erwarb der Neusser Bauverein von der Leuchtenberg GmbH das 9.600 Quadratmeter große Grundstück der Sauerkrautfabrik an der Augustinusstraße und das Areal von der Ordensgemeinschaft der Alexianerbrüder an der Nordkanalallee.
Die Alexianer hinterlassen ihre Spuren in Neuss
Im März 2017 wurde der letzte Ordensprovinzial der Neusser Alexianer, Bruder Wunibald, auf dem Friedhof der Alexianerbrüder an der Nordkanalallee bestattet. Er war einer der letzten drei verbliebenen Brüder des Ordens, der hier über ein halbes Jahrtausend lang gewirkt hat. Die Ordensgemeinschaft der Alexianerbrüder stammt von einer spätmittelalterlichen kirchlichen Bruderschaft, den Begarden, ab. Von ihren ersten Klöstern in Flandern und in den Niederlanden ausgehend, ließen diese sich in Köln, Aachen, Trier und Anfang der 14. Jahrhunderts in Neuss nieder. Die freiwillig armen Brüder pflegten Arme, Kranke und Ausgestoßene und begleiteten sie bis zum Tod. Solch eine Gemeinschaft lebte im Jahr 1451 in einem Haus an der Brückstraße.
Der Name Alexianer tauchte erstmals um 1480 auf. Wie ihr Namenspatron wollten die Alexianer dem heiligen Alexius in seiner Liebe zu Gott und den Ärmsten der Gesellschaft folgen. Als die Pest Neuss heimsuchte, bekamen die Neusser Brüder um 1483 Unterstützung von den Brüdern aus dem Alexianer-Kloster in Köln und übernahmen deren Ordensregel des heiligen Augustinus.
Das Neusser Alexianer-Kloster besteht laut Urkunden seit 1490. Mit einem Vertrag hatte die Stadt den Brüdern das Haus in der Brückstraße zur Nutzung übertragen. Im Gegenzug begrenzte sie die Zahl der Brüder auf acht. Denn damals gab es in Neuss viele Ordensleute, und die waren von der Steuer befreit.
Seit dem 17. Jahrhundert kümmerten sich die Neusser Brüder vor allem um psychisch kranke Menschen. Als die Gebäude an der Brückstraße nicht mehr ausreichten, errichteten sie in den Jahren 1868/69 am Alexianerplatz einen Klosterneubau und ein Krankenhaus und gaben das Kloster an der Brückstraße auf. Die Zahl der Alexianer in Neuss stieg bis vor dem 2. Weltkrieg auf über 150.
1990 vereinigten sich die Neusser Alexianer mit der weltweiten Kongregation der Alexianerbrüder und gehörten seitdem zur Neusser St.-Josef-Provinz. Diese fusionierte 2008 mit der Aachener St.-Alexius-Provinz zur neuen deutschen St. Alexius-Provinz, die alle deutschen Alexianer vereint.
Mit dem Beschluss der Leitung der Deutschen Provinz des Ordens, das Kloster an der Nordkanalallee aufzulösen, endet die Geschichte der Alexianer in Neuss.
Die Brüder haben Vorsorge getroffen und für die Weiterführung ihrer Dienste in Neuss gesorgt. In einer gemeinsamen Stiftung mit den Neusser Augustinerinnen haben die Neusser Alexianerbrüder ihre Einrichtungen zusammengeführt und die St. Augustinus-Kliniken gegründet. Ihre christliche Ausrichtung ist dem Unternehmen als Richtschnur gegeben. So bleibt der Geist der Alexianer in Neuss lebendig, ob im Johann-von-Gott Seniorenpflegeheim, der Suppenküche oder dem Zentrum für seelische Gesundheit, dem St. Alexius-/St. Josef- Krankenhaus.
Der heilige Alexius an der Ecke Augustinusstraße/Nordkanalallee kann somit beruhigt auf den Fortgang der Geschichte blicken … und das ganz ohne Sauerkrautduft vom gegenüberliegenden Grundstück.
Neusser Sauerkraut: Das älteste Sauerkraut Deutschlands
Die Geschichte der ältesten Sauerkrautfabrik Deutschlands begann 1861 in Neuss. Josef Leuchtenberg, Landwirt und Besitzer eines Hofes am Neusser Rheinufer, überlegte: „Sollte man nicht beginnen, Weißkohl zu Sauerkraut über den eigenen Bedarf hinaus zu verarbeiten, um auch so die städtische Bevölkerung zu versorgen?“ Gedacht, getan. Und es lohnte sich. Schon 1863 konnte der Unternehmer feststellen: „Das Einmachen von Sauerkraut, womit sich ein hiesiges Geschäft in großartigem Maßstabe befasst, war im abgelaufenen Jahre noch weit bedeutender als früher. Dieses Geschäft versendet sein Fabrikat nicht nur in die weitere Umgegend, sondern auch ins Ausland, als England, Frankreich und selbst Italien und Spanien.“ 1906 verkaufte der kinderlose Unternehmer den Betrieb an Johann Josten. Der Urgroßvater des heutigen Geschäftsführers Joachim Küppers verlegte den Standort an die Augustinusstraße und behielt den Namen des Firmengründers bei.
Im Werk an der Augustinusstraße wurden jährlich mehr als 10.000 Tonnen Weißkohl aus der Region verarbeitet. In der Hauptsaison von August bis Ende November herrschte ein reger Anlieferverkehr, und täglich verließen rund dreißig Lastwagen das Firmengelände, beladen mit Sauerkraut, Rotkohl und milchsauer vergorenen rheinischen Schnibbelbohnen. Die Folienbeutel sind ebenso typisch für Leuchtenberg wie das Obertor im Markenzeichen und die Hausmarke „Neusser Sauerkraut“. Weiter produziert wird in Bornheim auf dem Gelände der ehemaligen Rheinischen Konservenfabrik Seidel, mit der Leuchtenberg schon lange im Vertrieb zusammenarbeitet. Hier kann Leuchtenberg die Produktionskapazitäten um gut 25 Prozent steigern und muss Gemüse, das in der Erntezeit nicht sofort verarbeitet werden kann, nicht mehr teuer einlagern. All das wäre in Neuss nicht möglich gewesen. Auch wenn der Sauerkrautduft nicht mehr über das Augustinusviertel weht, wird niemand auf das „Neusser Sauerkraut“ verzichten müssen, denn das ist unverändert im Leuchtenberger Sortiment und auch im Online-Shop des Unternehmens erhältlich.
Claudia Pilatus