Das Neujahrsfest in unterschiedlichen Kulturen
28. Dezember 2017 | Von Der Neusser | Kategorie: Aktuelles, Neusser Leben, TitelthemaMit Feuerwerk, Raclette, vierblättrigem Klee, guten Wünschen und guten Vorsätzen starten die meisten Deutschen ins Neue Jahr. Während in Italien rote Unterwäsche in der Neujahrsnacht ein absolutes Muss ist, lassen es Franzosen ruhig, gesellig und kulinarisch angehen. In Spanien gehören unbedingt Weintrauben zur Neujahrsnacht, von denen bei jedem Glockenschlag eine Traube verzehrt wird. Wie und wann aber feiern Menschen den Jahresbeginn, für die dieser nicht auf den 1. Januar fällt?
Der Kopf des Jahres
„Rosch ha-schana ist Hebräisch und bedeutet ‚Kopf des Jahres‘“, erklärt Poline Levina von der Frauengemeinschaft der jüdischen Gemeinde in Neuss mit dem Gemeindezentrum auf der Leostraße. „Dann feiern wir den Jahrestag der Schöpfung von Adam und Eva, den Geburtstag der Menschheit, dann bricht ein neues Jahr der Menschheit an. Nach dem jüdischen Kalender findet das Neujahrsfest meist im September oder Oktober statt. Im Jahr 2017 fiel das Fest auf den 20. und 21. September und läutete das Jahr 5778 ein.
Die Feierlichkeiten beginnen am Abend zuvor, bei Sonnenuntergang. Denn die jüdische Zeitrechnung folgt nicht dem Verlauf der Sonne, sondern dem des Mondes.
Neben vielen traditionellen Gerichten kommt auch ein Fischkopf auf den Tisch; den wir aber nicht essen. In den zehn Tagen bis zum Versöhnungstag, dem Jom Kippur, besinnen wir uns: Wie habe ich gelebt? Wo stehe ich? Welche Absichten habe ich? Wohin gehe ich? Nicht nur in der Synagoge auch zu Hause wird während der zehn Tage das Schofar geblasen. Die Töne dieses Widderhorns gehen mir immer wieder unter die Haut. In den 24 Stunden vor dem Jom Kippur fasten wir. Nichts soll vom Höhepunkt des Bewusstwerdens ablenken – weder essen noch waschen oder rasieren. Dann am Versöhnungstag wird gefeiert – gleich, ob Gott uns in das Buch des Lebens oder des Todes eingetragen hat. Wir sind froh, dass wir auf der Welt sind. Wir essen Äpfel, die in Honig getunkt werden, Reis, Granatäpfel. Und je mehr Kerne im Granatapfel sind, umso glücklicher wird das Jahr.“
Das Jahr 1439
Auch der Islam orientiert sich am Mondkalender. „Das marokkanische Neujahr begann 2017 in der Nacht von Donnerstag, dem 21. September, auf Freitag, den 22. September – und damit für die Muslime das Jahr 1439“, so Hamdi Berdid, 1. Vorsitzender des Vereins ‚Raum der Kulturen‘ in Neuss auf der Oberstraße. Der Verein ist ein Zusammenschluss von interkulturell tätigen Menschen, Vereinen und Einrichtungen in Neuss, insbesondere der Kulturvereine mit Migrationshintergrund.
Das islamische Neujahr ist ein wichtiger Gedenktag in der Geschichte des Islam, da der Prophet Mohammed, der Religionsstifter des Islam, im Jahre 622 n. Chr. mit seinen gesamten Anhängern von Mekka nach Medina wanderte, um dort die erste muslimische Gemeinde aufzubauen. Der erste Tag des Jahres Hidschra („Al Hijra“ in arabischer Sprache) ist diesem Ereignis gewidmet und bezeichnet den Beginn der islamischen Zeitrechnung.“
Nouruz: Uraltes Kulturgut
Das altpersische Neujahrs- und Frühlingsfest Nouruz wird weltweit am 20. oder 21. März 2018 von mehr als 300 Millionen Menschen in aller Welt gefeiert. Überlieferungen lassen auf ein Alter von mindestens 3.000 Jahren schließen. Als eines der ältesten Feste der Menschheit nahm die UNESCO den Nouruz-Tag im Jahr 2009 in die Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit auf. Seit 2010 ist das Persische Neujahr von den Vereinten Nationen als Internationaler Nouruz-Tag (21. März) anerkannt.
Nouruz oder Nowruz bedeutet im Persischen und Kurdischen ‚neuer Tag‘“, so Hamdi Berdid. „Kurden feiern das Neujahr mit dem großen Spektakel, ein riesiges Feuer zu zünden, um welches herum ausgelassen getanzt wird. Besonders mutige TeilnehmerInnen springen über das Feuer in der Hoffnung auf Glück für das nächste Jahr. Das Feuer steht symbolisch für den Sieg des Schmieds Kaveh über den Tyrann Zohak. Kaveh zog zusammen mit der Bevölkerung los und erschlug den Unterdrücker Zohak. Aus Freude entfachte die Bevölkerung das Feuer, um die gute Neuigkeit im ganzen Land zu verbreiten. Auch Neusser Kurden pflegen alljährlich diesen Brauch und feiern.“ Iraner bereiten zum Fest das „Haft Sin“ zu. Auf einem Tischtuch werden sieben Lebensmittel ausgebreitet, die mit dem Buchstaben „S“ anfangen und eine tiefere Symbolik haben:Sabzeh: Weizen-, Gersten- oder Linsensprossen (Munterkeit), Samanou; Pudding aus Weizen (Wohltat und Segen), Sir: Knoblauch (Schutz), Senjed: Mehlbeere (Saat des Lebens), Serkeh: Essig (Fröhlichkeit), Somagh: Gewürzsumach (Geschmack des Lebens), Sib: Apfel (Gesundheit).
Das Jahr des Hundes
Anlässlich des chinesischen Neujahrsfestes am 28. Januar gab die Stadt Neuss 2017 erstmals einen Empfang im Romaneum. Auch das chinesische Neujahr richtet sich nach dem Mondkalender und fällt 2018 auf den 16. Februar. Damit bricht das Jahr des Hundes an, das im Zeichen der Treue steht. Am Vorabend des Neujahrsfestes werden traditionell kleine Teigtaschen gegessen, deren Form an alte chinesische Geldstücke erinnert und Glück und Reichtum verheißen soll. Den ganzen Abend wird Feuerwerk gezündet. Die Farbe der Glücksbringer ist Rot. Die Geschenke sind oftmals rote Umschläge mit Geld. Heute werden die Grüße auch per Internet oder Smartphone übermittelt und die roten Umschläge per App getauscht.
Pongal: Überkochen
Nach dem tamilischen Kalender fällt der Neujahrstag meist auf den 14. oder 15. Januar und ist zugleich das tamilische Erntedank- oder Pongal-Fest. Das Pongal-Gericht besteht aus Reis mit frischer Milch und Sirup aus dem Palmzucker der neuen Ernte. Um Glück, Wohlstand und Überfluss anzuzeigen, muss das Essen unbedingt überkochen. Wenn das geschieht, ist ein freudiges „Pongal! Pongal!“ auch in der tamilischen Gemeinde in Neuss zu hören.
Claudia Pilatus