Lehm im Bau – ein uraltes Naturmaterial

14. Februar 2017 | Von | Kategorie: Neusser Kultur

Lehm erfreut sich zunehmender Beliebtheit und bietet für den Innenausbau eine gesunde Alternative zu herkömmlichen Baustoffen. Was gibt es schöneres in den ungemütlichen Wintertagen, als die Behaglichkeit der eigenen vier Wände zu genießen. Für ein besonders angenehmes Raumklima sorgt ein Naturmaterial, das seit Ende des 20. Jahrhunderts die Aufmerksamkeit von Bauherren, Architekten und Innenausstattern wiedergewonnen hat.
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Lehm im Innenbereich
Wohl am bekanntesten ist die Anwendung von Lehm zum Verputzen der Wände im Innenbereich. Die Neusser Architektin Kaja Gilges erlebt die Vorzüge im eigenen Haus. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin des „Instituts für Tropentechnologie“ (Uni Köln) leitete sie ein Projekt in Ägypten. In den traditionellen Siedlungen dort kam sie in Berührung mit Lehm als Baumaterial. Überzeugt von den positiven Eigenschaften beschloss sie, dieses Material in ihre Arbeit als Architektin zu integrieren. Sie vertiefte sich in die theoretischen und praktischen Grundlagen des Lehmbaus. Bei der Renovierung des eigenen Hauses konnte sie dies Wissen praktisch umsetzen. Sie „mischte mit“, griff selbst zur Kelle und half beim Verputzten der Innenwände. Das Resultat ist überzeugend: die Wände zeigen besonders ansprechende Oberflächenstrukturen, von rau und rustikal bis glatt und edel. Die Ecken wirken organisch durch ihre leichten Rundungen. Die alten Holzbalken der Decken wurden komplett verputzt und zu sogenannten „Kölner Decken“ umgestaltet, was den Zimmern trotz geringer Raumhöhe ein herrschaftliches Flair verleiht. Neben diesen optischen Vorzügen weist Lehmputz ökologische und gesundheitliche Vorteile auf:
• Lehm ist schadstofffrei und hautfreundlich.
• Er wirkt Luftfeuchte regulierend und ist diffusionsfähig
• Er speichert Wärme und schützt vor Hitze
• Lehm bindet Schadstoffe und Gerüche aus der Raumluft
• Er ist vollständig recyclebar
Zudem ist Lehmputz gut geeignet für Bauherren, die selbst Hand anlegen wollen – er bindet nicht chemisch ab sondern trocknet, kann also unter Zugabe von Wasser gut nachgearbeitet werden. Aufgrund der steigenden Nachfrage wurden Fertigprodukte entwickelt, die einfach zu handhaben sind. Ein Nachteil ist die Wasserlöslichkeit. Für den Spritzwasserbereich im Badezimmer ist Lehmputz daher nicht geeignet. Preislich liegt er etwas über herkömmlichem Putz.

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Lehm im Außenbereich
Ein Lehmbauprojekt im Außenbereich realisierte Katja Gilges gemeinsam mit der Neusser Transition Town Gruppe: den Bau eines Lehmbackofen in einem Garten in Allerheiligen. Hierfür wurde schon einmal verbauter Lehm wieder eingeweicht und mit Stroh gemischt, dann zu sogenannten „Lehmbroten“ geformt. Auf einem betonierten Fundament wurden hieraus schichtweise die Ofenmauern samt Gewölbe aufgebaut. Nach einer zweiwöchigen Trockenzeit konnten sich die Mitwirkenden von der Funktionalität des Bauwerkes überzeugen – Pizza, Brote und Kuchen waren gut gelungen und schmeckten hervorragend. Für Lehmbau im Außenbereich ist jedoch zu beachten, dass Lehm nicht resistent gegen Regen ist. Deshalb sind als Regenschutz ein weit überstehendes Dach sowie eine Wandverkleidung zur Wetterseite ratsam. Ein prominentes Beispiel für einen Lehmbau steht auf der Raketenstation Hombroich, der „domus aurea“, ein fensterloses Lehmhaus (Architektur: Dietmar Hofmann). Leider zeigen sich trotz überragendem Dach erste Anzeichen von Verwitterung im Sockelbereich, da dies die Spritzwasserzone ist. Traditionell wurde für den Sockel kein Lehm verwandt, sondern Naturstein. Nach dem 2. Weltkrieg galt Lehm plötzlich als „arme Leute Baustoff“. In Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs wollte sich niemand mehr die Blöße geben, sein Haus mit „billigem“ Material zu bauen. Der schlechte Leumund führte dazu, dass Lehm als Baustoff in vielen Ländern in Vergessenheit geriet.

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Die Geschichte des Lehmbaus reicht weit zurück
Ein historischer Rückblick belegt, dass Lehm eines der ältesten bekannten Baumaterialien ist. Kein Wunder, die Natur hat ihn uns schon immer gratis geliefert. Früh lernten die Menschen mit Lehm umzugehen und verarbeiteten ihn zu verschiedenen Produkten. Sie kreierten Lehmziegel, indem sie die geformten Ziegel in der Sonne trocknen ließen. Weitere beliebte Bauweisen waren das Einarbeiten in Palisaden und Flechtwände oder für Fachwerkhäuser, die auch heute noch in ganz Europa zu finden sind.
Im Nahen Osten wurden bereits viele Jahrtausende vor der Geburt Christus Gebäude aus Lehm gebaut. Auch die Ägypter setzten ihn sowohl für den Hausbau als auch für den Gräberbau ein. Die jemenitische Stadt Schibam ist für ihre mehrstöckigen Wohnhäuser aus Lehmziegeln berühmt. Viele der Gebäude sind bis zu 25 Meter hoch und haben ein Alter von bis zu 300 Jahren. Generell hat der Lehmbau in Vorderasien und dem Nahen Osten seinen Ursprung. Außerdem wurde er in Mitteleuropa erstmals bei Häusern der ungarischen Körös-Kultur nachgewiesen (6200 bis 5600 v. Chr.). Ein erstaunliches Beispiel aus neuerer Zeit gibt es bei uns in Deutschland: in Weilburg steht das Haus Hainallee 1, erbaut 1826-28. Mit seinen 6 Stockwerken gilt es als höchstes Pisé-Gebäude der Welt. Es wurde mit der Stampflehmtechnik (Pisé) gebaut, wobei Lehm in Verschalungen verdichtet wurde.
Heutzutage ist die Lehmbauweise vorwiegend in trockenen Klimazonen zu finden: im mittleren Osten, nördlich und südlich der Sahara, in Spanien (Mudéjares-Architektur), bei den Pueblo-bauenden Indianern Nordamerikas und in den Anden.
Möchten Sie mehr erfahren über dieses sympathische Baumaterial und seine Anwendungsmöglichkeiten in Ihrem Bauvorhaben? Die Architektin Katja Gilges berät Sie gerne mit Rat und Tat.
Sie ist zu erreichen unter: archi-kat@gmx.de, und Tel.: 02131/521932