„Inter Nationes“ im Clemens Sels Museum Neuss

2. September 2021 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur

Der Mensch im römischen Novaesium

Das antike Neuss war ein Schmelztiegel. Im Castrum Novaesium stationierte römische Soldaten stammten aus Italien, der Iberischen Halbinsel, aus Germanien, Nordafrika oder auch Vorderasien. Was sie einte, war der römische Lebensstil. Sie trugen die römische Kultur in die gesamte westliche Welt. Ob in der Schrift, der Architektur, der Medizin oder in der Technik – viele Ursprünge lassen sich aus ihr erklären. 2.000 Jahre Geschichte, die hier zu finden ist; und Zukunft baute. Jetzt wurde der Niedergermanische Limes, die römische Grenze von Rheinbrohl bis Katwijk an Zee, von der UNESO in den Kreis der Weltkulturerbestätten aufgenommen. Ein Anlass, der die diesjährige Sommer-Ausstellung des Clemens Sels Museums noch spannender gestaltet: In Kooperation mit dem Archäologischen Institut der Universität Köln wurde der Mensch und das Leben im römischen Noveasium weiter erkundet. Noch bis zum 3. Oktober kann die aufschlussreiche Schau besucht werden.

Das Römische Reich war in seinem Umfang eines der größten Reiche, das es je gab. Seine Kultur und Lebensweise beeinflussen uns bis heute. Der Niedergermanische Limes bildete die Grenze des Römischen Reiches zur „Germania magna“, dem nicht-römischen Germanien. Er erstreckte sich über 400 km Länge und entsprach über weite Strecken dem Verlauf des Rheins; war somit neben der kulturellen Grenze zugleich Verkehrsweg und Austauschzone.

Wer aber waren die Menschen, die hier am Rhein beherbergt waren, ihren Dienst absolvierten und ihre Waren feilboten? Woher kamen sie, wie lebten sie? Wie mag der griechische Soldat ausgesehen haben, der seinen Essteller mit seinem Namen markierte? Wer trug die afrikanische Münze bis nach Novaesium? – Viele Fragen, jetzt gibt es Antworten. Auch darüber, wie sich das Zusammenleben der verschiedenen ethnischen Gruppen vor Ort gestaltete.

Auch Frauen lebten im Legionslager

Bereits in den 20er oder 30er Jahren v. Chr. begannen die Römer mit der Errichtung eines ersten befestigten Militärlagers auf dem Gebiet der heutigen Stadt Neuss. Bis ins späte 4. Jahrhundert oder Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. blieb Novaesium ein Garnisonsstandort. Das ist gut erkundet. Aber nur wenige zeitgenössische Schriftquellen geben Auskunft darüber, wer die Bewohner waren. Ein Grund, hier genauer nachzuforschen – und Interessantes aufzudecken. Beispielsweise, dass im Neusser Legionslager nicht nur Männer beherbergt waren. Archäologische Funde belegen: Auch Frauen hielten sich regelmäßig im Castrum auf.

Viele größere und kleinere Legionslager befestigten die Grenze entlang des Rheins, der als wichtiger Handelsweg eine unschätzbare Funktion erfüllte. Die Truppen kamen aus den entlegensten Winkeln des Imperiums ins antike Neuss. Berittene Bogenschützen aus Persien, Legionäre aus Italien, Spanien oder Nordafrika mit ihren Familien, dazu Händler und Handwerker aus allen Teilen des Reiches besiedelten das römische Novaesium, die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln) oder die Colonia Ulpia Traiana (Xanten). Hier bildeten sich nicht nur wichtige Militärlager am Rande des römischen Universums, sondern Metropolen mit internationalem Flair.

Zwischen 1887 und 1900 hat der Archäologe Constantin Koenen in Neuss die römische Ansiedlung ausgegraben – ein aus Steinen gebildetes Lager, das als abgerundetes Rechteck angelegt und wesentlich größer war als das mittelalterliche Neuss. Die höheren Offiziere und die Tribunen wohnten hier in Villen, wie man sie aus Pompeji kennt. Die Mannschaftsunterkünfte waren an die Wohnhäuser ihrer Zenturionen gebaut, die nach der Art mediterraner Atriumhäuser gestaltet und mit farbenfrohen Fresken ausgeschmückt wurden.

Ein Miteinander der Kulturen und Religionen

Trotz aller straffen Strukturen war das Dasein in den Lagern außerordentlich bunt. Man huldigte den verschiedensten Göttern, magische Vorstellungen und zahlreiche religiöse Rituale lebten friedlich nebeneinander – geeint durch den römischen Lebensstil.

Wie sich dieser zeigte, davon berichten die fachkundigen Auswertungen zahlreicher Quellen des Clemens Sels Museums. Mosaikartige Details wurden zu einem komplexen Sachverhalt zusammengeführt. Um Geschichte begreifbar zu machen, bedient sich das Haus anschaulicher Bilder und Rekonstruktionen. Direkt bei Eintritt ins Foyer erfolgt die Begrüßung durch eine digitale römische Familie, die in ihre Welt entführt, von der Fibeln, Schmuck- und Kleidungsstücke, Gebrauchsgegenstände und eine faszinierende 3D-Rekonstruktion des sogenannten Koenen-Lagers ein eindrucksvolles Bild geben.

Eine Schau, der Geschichte ihren Wert für die Zukunft attestiert. Austausch als wichtiger Nährboden für Neues; das lehrt auch die römische Kultur. Orientalische, griechische, germanische und keltische Traditionen wurden in ihr integriert; Kunst und Kultur Europas durch sie bis heute nachhaltig geprägt. Standen bisher die baulichen Hinterlassenschaften der Militärlager am Niedergermanischen Limes im Fokus, so widmet sich das Clemens Sels Museum jetzt dem Menschen. Die Ausstellung ist Teil des Themenjahrs „Provinz“ des Verbunds der Kulturgeschichtlichen Museen an Rhein und Maas, das von der Regionalen Kulturpolitik des Landes NRW und dem Landschaftsverband Rheinland gefördert wird. Zur Ausstellung ist ein sehr informativer wie aufschlussreich bebilderter Katalog erschienen, der zum Preis von 14,90 Euro im Museumsshop erhältlich ist. Nähere Infos unter www.clemens-sels-museum-neuss.de. Am ersten Sonntag jeden Monats ist der Eintritt frei!