Das Erbe von Bauer & Schaurte

26. Oktober 2020 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Leben

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Von 1876 an hat die Schrauben- und Muttern­fabrik Bauer & Schaurte in Neuss produziert, bis sie 2013 vom Investor Whiteshell übernommen und kurz darauf geschlossen wurde. Bald wird hier ein neues Wohnviertel entstehen. Dafür, dass das Andenken an die Fabrik, die die Inbus-Schraube erfand, bewahrt bleibt, engagieren sich Bürgerinnen und Bürger, vor allem Dr. Albert Wunsch.

Irgendwann“, so berichtet Dr. Albert Wunsch, „waren die Hallen und das Verwaltungsgebäude restlos ausgeräumt. Es hieß, der Erwerber des Grundstücks wolle alle Gebäude abreißen lassen. Da mein Großvater eine starke Heimatverbundenheit in mich legte, wollte ich ein solch geschichtsloses Verhalten nicht hinnehmen und richtete Ende 2016 einen Prüfantrag an den Denkmalschutz des LVR und an die Stadt Neuss als untere Denkmalbehörde, welche Gebäude erhaltungswürdig sein könnten.

Aufgrund meines Antrags fand dann im Frühjahr/Sommer 2017 eine Begehung des Areals durch die Denkmalbehörde des LVR mit Vertretern der Stadt, des Bauträgers und der Presse statt. Dabei kam man zu der Ansicht, ein oder zwei Hallen und die Fassade des Verwaltungsgebäudes seien sehr erhaltungswürdig und beim Planungswettbewerb zu berücksichtigen.

Bei einer öffentlichen Begehung des Geländes im Herbst 2017 entdeckte ich dank der Hinweise von ehemaligen Werksmitarbeitern, dass noch einige für die Produktion wichtige Hinterlassenschaften in einem noch nicht zur Kenntnis genommenen Kellerbunker und etliche Überbleibsel in den auf den ersten Blick leeren Hallen vorhanden waren. Diese Gegenstände sind so wertvolle Zeitzeugen, dass ich beschloss, sie zu bergen und zwischenzulagern, um sie schließlich in einer Vitrine an geeigneter Stelle innerhalb des neuen Areals auszustellen.

Im November 2018 konnte ich mit der Unterstützung von Jugendlichen des Logistik-Lehrgangs des Berufs-Förderungs-Zentrums Schlicherum eine LKW-Ladung aus dem Kellerbunker sowie etliche andere Relikte bergen und in Schlicherum zwischenlagern.“

Dokumente der Industrie- und Zeitgeschichte gerettet

Gemeinsam mit etlichen Helfern sammelte Dr. Albert Wunsch von Januar bis Juni 2020 viele weitere Relikte aus der Werksgeschichte, die nicht nur technisch Interessierte staunen lassen.

Da sind beispielsweise die Teile des alten Rohrpost-Systems. Das war sozusagen das Intranet des vergangenen Jahrhunderts, mit welchem nicht nur Texte, sondern auch Gegenstände gezielt hausintern verschicket wurden.

Das Kellerarchiv der Werksbibliothek umfasst Bestände ab 1870, und aus dem Archiv der PR-Abteilung wurden historisch bedeutsame Fotos geborgen.

Zu den Funden zählen außerdem Teile aus dem Schrauben-Produktionsprozess, Zeichnungen auf Pergamentpapier, große Glas-Dias und Mikrofiche-Filme mit technischen Abbildungen, fast 100 Jahre alte Produktkataloge, viele Klischees zur Schaltung von Werbung und ein Sonderfund zu einem bei der Weltausstellung in Paris im Jahre 1937 erhaltenen Preis, viele Musterschrauben und sogar die für das Olympiadach in München entwickelte Spezialschraube, Schraubenkartons aus dem Prüflabor mit den Zertifikaten, eine Werksuhr, zwei Sirenen, eine gut erhaltene Bunkertür, einige der gusseisernen Bodenplatten, Teile der alten Telefonanlage, Werkzeuge zur Materialprüfung, personenbezogene Akten, Feuerwehr-Einsatzpläne, eine uralte zentnerschwere Stahlkarre zum Materialtransport, das Oberteil einer gut 100 Jahre alten Bodenwaage sowie das geschmiedete Balkongitter des ehemaligen Verwaltungsgebäudes.

Etliche Dokumente, Fotos und Bücher erhielt das Stadtarchiv am 15.9.2020. Ca. 150 Materialfestigkeitsprüfeisen wurden einem Neusser Künstler zur kreativen Gestaltung für das neue Inbus-Viertel übergeben.

Diese Funde sowie das alte Kesselhaus und die Sheddach-Hallen bleiben als Zeugen der Industrie- und Zeitgeschichte erhalten und werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ohne das starke und zähe Engagement von Dr. Albert Wunsch wäre das nicht möglich.