„Twelfth Night“ von Guy Retallack beim Shakespeare Festival

4. Juli 2019 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur

Ein alter Bekannter mit stets Besonderem

Dass das Shakespeare Festival beim Publikum beliebt ist, wissen wir. Aber das Interesse liegt nicht nur in den Zuschauerreihen. Auch die Kompanien, deutsche wie internationale, kommen gerne immer wieder. Daher gehört im Shakespeare-Monat zur Würdigung des elisabethanischen Theatermeisters aus Stratford-upon-Avon dazu, beliebte Truppen und Regisseure aufs Neue zu bejubeln. Guy Retallack ist so ein angesagter Theatermensch. Mit den „Wild Thyme Productions“ hat er schon in zurückliegender Zeit erfolgreiche Shakespeare-Inszenierungen auf die Globe-Bühne gebracht. Dieses Jahr ist er mit einer neuen Produktion von „Twelfth Night“ dabei. Gerade hat er diese im Londoner Bridge House produziert – und Andeutungen kreisten um ein Illyrien im Brexit-Land. So darf man gespannt sein, auf das, was einen erwartet. Eine Einschätzung des Künstlers zum Stück gibt es hier vorab.

Guy Retallack weiß selbst nicht mehr so genau, wie oft er schon mit eigenen Inszenierungen im Neusser Globe war. Vier Produktionen fallen ihm auf Anhieb ein: Richard III., Ein Sommernachtstraum, Romeo & Julia und zuletzt vor vier Jahren Macbeth. In diesem Jahr kommt er mit einer der beliebtesten und vor allem sprachprächtigsten Shakespeare-Komödien: „Twelfth Night“ (Was ihr wollt).

Der englische Titel verweist auf die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönig. Eine Zeit in der traditionellen Gesellschaft, die durch ausgelassene Fröhlichkeit mit Mummenschanz und „verkehrter Welt“ gezeichnet ist. Die am Abend vor Dreikönig, der zwölften Nacht, ihren Abschluss findet. Die Geschichte kreist um Viola, die sich nach einem Schiffsunglück an die Küste Illyriens retten kann, derweil ihr Bruder verschollen scheint. Als Knabe verkleidet tritt sie als Cesario in die Dienste des Herzogs Orsino, der unsterblich in die Gräfin Olivia verliebt ist. Für ihn soll Cesario – alias Viola, die sich längst in den Herzog verliebt hat – als Liebesbote um die Gunst der Angebeteten kämpfen. Doch die will nicht den Herzog, sondern den Knaben. Wie gut, dass Violas Zwillingsbruder noch ins Geschehen rückt. Der perfekte Liebesreigen und das amüsante Verwirrspiel nimmt seinen Lauf. Garniert durch Olivias hochmütigen Haushofmeister Malvolio, der ebenso um seine Herrin flaniert – aber durch Intrige weiterer Nebenbuhler mit Schmach und Schande ein Nachsehen hat. Ein Nebenschauplatz, der es ebenso in sich hat, gipfelt Malvolios gockelhaftes Gehabe doch im Auftritt mit gelben kreuzgeschnürten Strümpfen. Groteske Komik, ein Highlight schlechtweg. Genauso wie die Lieder des Narren Feste, die zu den schönsten sangbaren Gedichten Shakespeares zählen.

Aufregende Entdeckungsreise in Shakespeares Liebestaumel

Ein reizvolles Stück, komplex, emotionsgeladen und meisterhaft. Und eine besonders romantische Liebeskomödie, wie Guy Retallack meint, der sie mit dem Londoner Ensemble Bridge House Productions auf die Neusser Globe-Bühne bringt. „Es ist eine Entdeckungsreise, und ich suche einfach gern wie ein Detektiv nach gemeinsamen Zielen. Es ist fesselnd zu sehen, wie menschlich dieses Stück ist und wie viel es zu erzählen hat. Ich glaube, dass es die Liebe in ihrer Essenz einfängt und uns zeigt, wie nötig diese uns als Zentrum unseres Lebens ist.“

Besonders fasziniert den Londoner Shakespeare-Kenner auch „das Tempo, in dem sich die Leute verlieben oder besser: das erleben, was sie für Liebe halten.“ Es ist ein trickreich vertracktes Spiel um ein Geschwisterpaar, das durch den Schiffbruch voneinander getrennt wird und mannigfache Wirrungen überstehen muss, bis sich am Ende aufklärt, warum sich Gräfin Olivia in einen Knaben verliebt, der in Wahrheit ein Mädchen ist, das seinerseits für den Herzog entflammt, der just diesen „Jüngling“ als Boten einsetzt, der der Gräfin seine Liebesschwüre übermitteln soll, indessen ein biederer Matrose nicht begreifen will, warum ihn sein Freund plötzlich nicht mehr kennt (da dieser ja zeitweilig die verkleidete Schwester ihres Bruders ist), und ein selbstgefälliger Haushofmeister mit albernen Strümpfen der Herrin peinliche Avancen macht … Das köstliche Quodlibet findet ein Happy End, in dem die wahre Liebe den Sieg davonträgt.

Schicksal ist es jedoch nicht, so Retallack: „Ich glaube, dass man an Umständen mitwirken kann, die zu einem spezifischen Resultat führen – was ich sowohl in negativer wie positiver Hinsicht meine.“

Als Inspizient hat Guy Retallack im West End, bei Jonathan Miller am Old Vic Theatre und für die Royal Shakespeare Company gearbeitet. Seine Produktionen waren nicht nur im West End, sondern auf regionalen Bühnen wie auf dem Kontinent und in der ganzen Welt zu sehen. Als Gründungsmitglied und Direktor der Londoner Company of Clerks hat er etliche Inszenierungen geleitet – darunter die gefeierte Produktion „The Master and Margarita“ am Barbican Centre, für die er von Plays International als „verheißungsvollster Einsteiger“ nominiert wurde. Die Produktion des Musicals „Thrill me, the Leopold and Loeb Story“ hat ihm zwei Nominierungen als bester Regisseur eingebracht und wurde soeben zum dritten Mal wieder aufgenommen. Guy Retallack wird heute zu den zehn besten Schauspiellehrern in London gezählt.

Dass er bei all seinem Einsatz immer wieder gern Station in Neuss macht, liegt mitunter an dem Raum und am Festival, die ihn begeistern. Aber das ist es nicht allein: „Ich liebe dieses Publikum, das sich so leidenschaftlich auf die Schauspieler einlässt.“

Vorstellungen am 4., 5. und 6. Juli, jeweils um 20 Uhr, am Samstag, den 6.7., auch um 15 Uhr. Noch Karten erhältlich – telefonisch unter 02131-526 99 99 9, bei der Tourist-Information und anderen bekannten Vorverkaufsstellen oder im Internet unter www.shakespeare-festival.de.