Theodor Schwann – „Nobelpreisträger“ aus Neuss

13. Mai 2019 | Von | Kategorie: Neusser Leben

In Neuss wird an etlichen Stellen an den berühmten Naturwissenschaftler Theodor Schwann erinnert: das Denkmal neben der Alten Post, die Tafel an seinem Geburtshaus am Büchel 18, die Schwannstraße, das Theodor-Schwann-Kolleg; und bis 1992 gab es das Theodor-Schwann-Gymnasium am heutigen Standort der Janusz-Korczak-Gesamtschule.

Hätte es im 19. Jahrhundert den Nobel-Preis bereits gegeben, so hätte Theodor Schwann ihn gewiss erhalten. 1845 wurde ihm die Copley-Medaille der Royal Society of England verliehen. Diese Auszeichnung entspricht in ihrer Bedeutung dem heutigen Nobelpreis. Sie war nur eine von den zahlreichen Ehrungen, die der Anatom, Physiologe und Histologe erhielt.  

Am Anfang ist die Zelle

Wie auf der Tafel an seinem Denkmal in der Neusser Stadt zu lesen, hatte er 1836 das Verdauungsenzym Pepsin entdeckt und 1839 die Zellenlehre begründet. Diese Entdeckung war eine Revolution. Zwei Jahre zuvor hatte der Botaniker Matthias Schleiden Schwann von seiner Entdeckung eines Zellkerns in einer Pflanzenzelle erzählt. Schwann hatte eine ähnliche Beobachtung an einer tierischen Zelle gemacht. Sofort begriffen die beiden, dass die Zelle mit Zellkern und Zellwand der Grundbaustein aller Lebewesen ist – ob Pflanzen, Tiere oder Menschen! Sie erkannten auch, dass einige Organismen einzellig und andere mehrzellig sind. In seiner Abhandlung „Mikroskopische Untersuchungen über die Übereinstimmung in der Struktur und dem Wachstum der Tiere und Pflanzen“ beschrieb Theodor Schwann Strukturen bei tierischen Zellen, ähnlich wie sie Matthias Schleiden bei Pflanzen gesehen hatte. Schwann entdeckte auch, dass ein Ei eine Einzelzelle ist, aus der sich durch Zellteilung ein komplexer Organismus entwickelt. Die Erkenntnis verblüffte die Wissenschaft.

Gut isoliert geht’s schneller

Nach seiner Promotion an der Universität in Berlin über die Atmung des Hühnerembryos erforschte er mikroskopisch Muskeln und Nerven und fand erstaunliche Zellen, die die Nervenleitungen im peripheren Nervensystem isolieren: die Schwann-Zellen. Sie bilden die Schwannsche Scheide, die Ummantelung, die die Fortsätze der Nervenzellen isoliert und so eine schnelle Reizleitung ermöglicht.

Schwann und die Hefe

Obwohl die Menschen seit jeher Fäulnis kannten und Gärung nutzten, war der Vorgang nicht klar und eine wissenschaftliche Frage. Schwann widerlegte die damals gängige Meinung, die Gärung sei ein Oxidationsprozess.

Er vermutete in der Luft neben dem Sauerstoff lebende Materie. Er wies nach, dass in Fruchtsaftlösungen in sterilisierter Luft keine Gärung stattfand, während in nicht sterilisierter Luft die Gärung schnell einsetzte. Als Auslöser identifizierte er einen lebenden Pilz. Er nannte ihn „Zuckerpilz“, lateinisch Saccharomyces cerevisiae, die Bierhefe.

1838 wurde Theodor Schwann als ordentlicher Professor der Medizin an die Universität Löwen in Belgien berufen. (Heute verbindet die Stadt Löwen/Leuven und Neuss das deutsch-belgische Friedensprojekt „Friedensglockenspiel“.)

Er lehrte Anatomie, Physiologie und Embryologie und forschte vor allem über Verdauungsprozesse. Er prägte den Begriff „Metabolismus“ für chemische Umwandlungen in lebenden Geweben, sprich, Stoffwechsel.

Atmungsgerät und Mikroskop

1848 wechselte er an die Universität Lüttich und unterrichtete dort bis 1880.

Während dieser Zeit ereignete sich in einem Bergwerk in Belgien ein schweres Unglück. Daraufhin entwickelte Professor Schwann ein Atemschutzgerät für Bergleute. Auf der Weltausstellung in Paris 1878 wurde sein Gerät „zur Arbeit in irrespirabler Luft“ mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Das Prinzip dieses Gerätetyps wird heute noch weltweit genutzt.

Theodor Schwann galt als ein Meister am Mikroskop und verfügte über viel feinmechanisches Geschick, mit dem er seine Mikroskope für seine Zwecke optimierte. Mit seinen Experimenten und Veröffentlichungen legte er den Grundstein für die Histologie, die Lehre von den Zellen und Geweben und deren mikroskopische Untersuchung.

Während eines Besuchs bei seinem Bruder in Köln erkrankte er und starb dort am 11. Januar 1882.

1909 stiftete die Stadt Neuss das Denkmal zur Erinnerung an den großen Wissenschaftler, der hier am 7. Dezember 1810 als Sohn des Goldschmieds und Verlegers Leonhard Schwann und seiner Frau Elisabeth Schwann geb. Rottels zur Welt kam.