29. Shakespeare Festival im Globe – Neuss Immer für Überraschungen gut

12. April 2019 | Von | Kategorie: Aktuelles

Teatr Papahema, Macbett, Foto: Lucjusz Sawicki

38 Dramen schreibt man ihm zu. Komödien und Tragödien, die auch 400 Jahre nach ihrem Entstehen noch zu den beliebtesten auf deutschen Bühnen zählen. Denn wer kann so wunderbar aus dem Vollen schöpfen, mischt aus Tugenden, Lastern und Leidenschaften großgönnerisch wie perfekt ab? – Meister Shakespeare war es. Und schafft es noch immer. Mit überbordender Fantasie und üppigem Wortschatz gelangen ihm Theaterspektakel, die ihresgleichen suchen: Romeo und Julia, Macbeth und Ein Sommernachtstraum erzeugen Stürme nicht nur vor Prosperos Insel. Auch im Neusser Globe beben Jahr für Jahr die Bretter, wenn das Shakespeare Festival im Rennbahn-Park einzieht. Vom 14. Juni bis 13. Juli ist es wieder so weit. 13 Kompanien aus Frankreich, Polen, Ungarn, England und Deutschland werden mit 15 Inszenierungen erwartet. Insgesamt 33 Vorstellungen stehen im Programmheft; Interpretationen verschiedenster Couleur. Mit der turbulenten Komödie ‚Much Ado About Nothing‘ der Northern Broadsides aus Halifax geht es los. Doch was sich hier in den vier Festivalwochen präsentiert, ist weit mehr als ‚Viel Lärm um Nichts‘.

Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind, und unser kleines Leben ist von einem Schlaf umringt.“ Viel besser als in diesem Satz von Prospero aus Shakespeares ‚Der Sturm‘ kann man es eigentlich nicht ausdrücken, was einen im Sommer im Festival ums und im Globe erwartet: It’s Shakespeare-Time! Das elisabethanische Theaterfieber breitet sich aus. Nicht nur in Neuss, sondern auch weit über die Grenzen der Quirinusstadt. Rund 14.500 Besucher konnte das Shakespeare Festival im vergangenen Jahr zählen. Kaum eine Vorstellung, die nicht ausverkauft war. Die knapp 500 Plätze pro Aufführung sind stets schnell vergriffen. Als Garanten des Erfolgs stehen die erlesene Stückeauswahl und die extrem reizvolle Atmosphäre des Festivals rund um den markanten Theaterbau, der Shakespeares „Wooden O“ in London nachempfunden wurde. Das Programm steht, der Vorverkauf läuft. Ein Angebot, das wie auch in den Vorjahren ausgefallen und abwechslungsreich ist.

Inszenierungen aus aller Welt hat man hier schon gesehen, Hong Kong, Afghanistan und Brasilien, auch sie waren bereits dabei. In diesem Jahr beschränkt sich Festivalgestalter Dr. Rainer Wiertz allerdings auf Europa. Schließlich ist Wahljahr.

Arien und Tanztheater

Das heißt aber nicht, dass in Sachen Varianz und Exaltiertheit Einschränkungen gemacht werden. Im Gegenteil, wieder gibt es einige Neuerungen. Denn dafür steht das Festival: Neben der Huldigung des begnadeten elisabethanischen Wortmagiers und der Würdigung seiner Werke in originalgetreuen Produktionen, rückt man Meister Shakespeare hier in immer wieder anderer Gangart auf den Leib. Waren es im vergangenen Jahr die Rapper aus Chicago, die das ehrwürdige Globe in eine Highschool-Hip-Hop-Bühne verwandelten, so schmettern in diesem Jahr Arien aus der Deutschen Oper am Rhein in die Ränge. „Shakespeare at the Opera“ heißt es am Sonntag, den 23. Juni um 18 Uhr, wenn acht junge Sängerinnen und Sänger des Opernstudios und zwei Ensemblemitglieder der Deutschen Oper am Rhein unter der musikalischen Leitung von Ville Enckelmann Shakespeares Spuren nachgehen.

Im Sektor Musik ist das aber nicht das einzige Experiment. ‚Searching for William in Concert‘ steht am Freitag, den 28. Juni, auf dem Programm. Geboten werden Songs, die rund um Shakespeare kreisen – und gerne ins Schwarze treffen. „I’ll call thee Hamlet“ ist einer der bekanntesten Songs der Popgruppe Woods of Birnam. Seit 2011 ist die Truppe um Christian Friedel unterwegs. Der Sänger und Schauspieler gibt gerade am Düsseldorfer Schauspielhaus den Hamlet. Keine Frage, er kennt sich bestens im Metier aus.

Wie auch Kino- und TV-Allrounder Tim Bergmann, der vor 24 Jahren bereits als Münchner Schauspielschüler im Shakespeare Festival auf der Bühne stand. Jetzt kommt der gebürtige Düsseldorfer mit ‚For you my Love!‘, einer Tanztheater-Produktion seiner Frau Johanna Richter: Fünf Männer, zwei Tänzer und drei Schauspieler gehen den Kampf um Liebe, Macht und Ehre ein und überscheiten dabei gern mal die rote Linie der Gewalt.

Imagination und Einfallsreichtum

Denn Gewalt ist aus Shakespeares Stücken kaum wegzudenken. Ist sie doch ein Teil des Menschen. ‚Richard III.‘ steht hier exemplarisch. In diesem Jahr In der eindringlichen Inszenierung des Maladype Theaters aus Budapest. Hier brillieren die Schauspieler und als einziges Requisit ein schimmerndes Gerüst, das die Szene bildet und die Fantasie des Zuschauers fordert. Ganz so wie es Shakespeare eigen ist. Wer das Stück vorher gelesen hat, der ist in dieser spannenden Deutschlandpremiere am Donnerstag, den 27. Juni, klar im Vorteil. Die Aufführung ist in ungarischer Sprache mit deutschen Untertiteln.

Wie gewohnt sind auch alte Bekannte auf dem Spielplan des Festivals. Die Bremer Shakespeare Company ist 2019 mit vier Vorstellungen und zwei Stücken vertreten. 2 Stunden 20 Minuten dauert ‚Die Zähmung der Widerspenstigen‘ am 17. und 18. Juni, jeweils um 20 Uhr, die hier in NRW zur Premiere kommt. An den zwei darauffolgenden Tagen präsentiert die Truppe ‚König Lear‘: Die Geschichte um den alternden König, der sein Reich unter seinen drei Töchtern aufteilen will. So beschließt er, fortan als Gast ohne Regierungsverantwortung abwechselnd bei ihnen zu leben. Doch die an die Damen gestellte „Liebesprobe“ entpuppt sich als die Initialzündung für seinen Niedergang in den Wahnsinn. (Vorstellung am 20. Juni um 16 Uhr.)

Reine Männer- wie Frauentruppen

Auch die HandleBards aus London sind wieder mit von der Partie. ‚Much Ado About Nothing‘ heißt es auch bei ihnen am 11. und 13. Juli. Schräg und komplett verkörpert von Männern gibt es hier gewiss eine ganz andere Version als bei der Auftaktveranstaltung. Und neben der Männertruppe haben die HandleBards jetzt auch eine Frauentruppe dabei. Diese sorgt am 12. und 13. Juli mit ‚The Tempest‘ für kräftigen Wind und ordentlichen Zug. Nichts für Puristen! Denn das kreative Chaos ist vorbestimmt.

Aus Potsdam reist erneut das Theater Poetenpack an. Aus Anlass seines 20-jährigen Bestehens hat die Kompagnie ‚Romeo und Julia‘ auf die Bretter gebracht. Vor zwei Jahren glänzten sie schon mit Woody Allens ‚Mittsommernachts-Sexkomödie‘. So darf man gespannt sein, was sich hier in 2 Stunden 50 Minuten von Montag, den 8. Juli, bis Mittwoch, den 10. Juli, aus der Verkettung lyrischer Shakespeare-Dichtung mit derber Alltagsprosa zusammenbraut.

Wie gewohnt ist wieder eine Inszenierung des Rheinischen Landestheaters dabei: ‚Was ihr wollt‘ mit Emilia Haag, Johanna Freyja Iacono-Smbritzki, Josia Krug, Richard Lingscheidt, Stefan Schleue u.v.m.

Klassik und Absurdes

Besonders freuen kann man sich ebenso auf zwei bemerkenswerte Stücke aus dem französischen und polnischen Nachbarland. Dan Jemmett wird – nach erfolgreichen Gastspielen wie ‚Shake‘, ‚Dogface‘ und ‚Les Trois Richard‘ – für seine Gruppe Les Monstres de Luxe in einer Produktion des Théâtre de Nîmes einen ‚Sommernachtstraum‘ inszenieren, der den Titel ‚Je suis invisible!‘ erhalten soll. Mit dem einfachen wie genialen Zitat aus dem Text „Ich bin unsichtbar“ macht Oberon dem Publikum klar, an was es glauben soll: an die Magie der Nacht, den Mondschein und den Zauberwald. Den setzt Dan Jemmett dann auch für seine Inszenierung visionär um: Eine Art VW-Bulli scheint dort eingewachsen und wird zum Ausgangspunkt dieser unwahrscheinlichsten und beliebtesten aller Märchengeschichten Shakespeares. (Am Sonntag, den 30. Juni, um 20 Uhr. 2 Stunden ohne Pause. Deutschlandpremiere in französischer Sprache. Erläuterungen in deutscher Sprache erhältlich.)

Die Inszenierung des polnischen Theaters Papahema treibt den „Shakespeare-Wahnsinn“ dann am 3. Juli auf die Spitze: ‚Macbett‘ heißt ihr Stück – und da hat man durchaus richtig gelesen. Denn hier geht es etwas anders zu. Das Spiel um Ehrgeiz, Korruption und Feigheit findet auf dem Golfplatz statt. Geschrieben mitten im Kalten Krieg vom französischen Hauptvertreter des Absurden Theaters, Eugène Ionesco. Seine skelettierte Version aus dem Jahr 1972 des shakespeareschen Dramas ist eine tragische Farce. Es treten auf: Macbeth, Banquo, Duncan und die Hexen. Lady Macbeth – eine seiner genialen Ideen – ist eine der Hexen, die sich später in Lady Duncan verwandelt und Macbeth heiratet. Halt absurd. Sicher sehenswert.

Auch das wieder eine Premiere – eine Deutschlandpremiere in diesem Fall, in polnischer Sprache. Denn an Premieren spart man in dieser Saison nicht: sieben Deutschlandpremieren und drei NRW-Premieren werden geboten. On top gibt es wieder einen Kinder-Shakespeare-Tag, Workshops und regelmäßige Einführungen. Man sollte es sich nicht entgehen lassen, dieses wunderbare Festival im eigenen Garten. Denn derartiger Shakespeare-Kult ist nicht nur für Neuss etwas ganz Besonderes. Bundesweit sucht man seinesgleichen. Ein weiterer Grund, unbedingt mal oder erneut hinzugehen!

Tickets zwischen 20 und 44 Euro. Karten, zzgl. 12 Prozent Vorverkaufsgebühr, bei den bekannten Vorverkaufsstellen, telefonisch unter 02131/526 999 99 – montags bis freitags von 8 bis 20 Uhr, samstags von 9 bis 18 Uhr sowie sonntags und an Feiertagen von 10 bis 16 Uhr – oder im Internet unter www.shakespeare-festival.de.