Nur die Laube zählt: Nicht ohne meinen Kleingarten

8. April 2019 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Leben

Eine grüne Oase in der Stadt: Schrebergärten sind nach wie vor beliebt.

Waren Schrebergärten in den 70ern der Inbegriff von Spießigkeit mit Gartenzwerg, so sind sie heute Sehnsuchtsorte und für viele Städter ein willkommenes Refugium inmitten der Natur, in dem sie nach Herzenslust eigenes Obst und Gemüse anbauen können. In Neuss gibt es rund 1.600 Schrebergärten und sie erfreuen sich einer wachsenden Beliebtheit.

Sie heißen „Hohle Hött“, „Im Zöör“, „Deutsche Scholle“ oder „Neue Erde“ – die Rede ist von Kleingartenvereinen. 28 gibt es davon in Neuss, der größte ist der KGV Römerlager mit 168 Kleingärten, der kleinste ist der KGV Erftland mit 16. Freie Gärten gibt es selten und meist dauert es nicht lang, dann sind sie wieder verpachtet. Kein Wunder, bietet doch ein Kleingarten Natur pur mit vielfältigen Anbaumöglichkeiten für relativ geringe Kosten. Gerade mal 26 Cent Pachtgebühren pro Quadratmeter fallen an, plus Vereinsbeiträge und Kosten für Versicherung. Dafür bekommt der Pächter dann in der Regel einen 300 bis 400 qm großen Kleingarten inklusive Laube, Anbaugrund und jeder Menge Gartenarbeit. Denn die fällt an, da ein verwahrloster Garten nicht gern gesehen wird und sogar Kündigungsgrund sein kann. Auch sonst gibt es ein paar Regeln und Verhaltensmaßgaben, die zu beachten sind. Sie sind entweder vom Verein aufgestellt, wie Ruhezeiten, Wasser- und Stromnutzung oder werden durch das Bundeskleingartengesetz geregelt, wie beispielsweise Heckenhöhe und Verbote bestimmter Bäume, Pflanzen und Blumen. Giftige Pflanzen sind tabu, genauso wie das Pflanzen großer Bäume oder Bambus, der sich unterirdisch rasch und weitläufig verzweigt. Auch das permanente Wohnen ist im Kleingarten verboten, gegen die ein oder andere Übernachtung hat aber in der Regel niemand was auszusetzen. Ansonsten ist beim Anbau erlaubt, was gefällt. Blumen, Obst und Gemüse wachsen in fast jedem Garten, das ist wichtig für Umwelt und vor allem für die Artenvielfalt. Bienen, Schmetterlinge, Insekten und Vögel profitieren enorm.

Schrebergärten gestern waren für Spießer, Rentner und Gartenzwerge, heute sind sie hip

Vor allem junge Familien zieht es in Schrebergärten. Naturverbundenheit wird wichtig, vor allem sollen die Kinder lernen und wissen, wo das Essen wächst. „In den letzten Jahrzehnten hat es eine durchschnittliche Verjüngung der Pächter um 10 Jahre gegeben“, so Friedhelm Doll, Vorsitzender des Stadtverbandes der Kleingärtner. „Unser jüngster Pächter ist 19 Jahre alt.“

Auch hat er beobachtet, dass einer der Hauptbeweggründe für viele Kleingärtner ist, dass sie wissen wollen, wo ihr Obst und Gemüse herkommt und mit was es behandelt wird. Standen früher der schönste Garten, die imposantesten Blumen und die dicksten Tomaten im Vordergrund, geht es heute für viele in erster Linie um Eigenversorgung plus Ruhe und Erholung.

Der Garten besitzt neben seinem Wert als Anbaugelände zusätzlich Freizeitwert. Man kann in Ruhe im Grünen sein Feierabendbier trinken, den Insekten beim Bestäuben der Blüten zuschauen, während die Kinder im Garten an der frischen Luft spielen. In manchen Kleingartenvereinen kommt noch ein reges Vereinsleben dazu. Regelmäßig werden gemeinsam Feste geplant und gefeiert. Entweder in eigens dafür eingerichteten und bewirteten kleinen Gaststätten, Vereinsheimen oder reihum in den einzelnen Gärten. Hier kann sich jeder einbringen, muss aber nicht. Wer lieber seine Ruhe haben möchte, zieht sich einfach zurück und ist sich jenseits seiner Hecken selbst genug.

Leider kommen nicht allzu viel „Neue“ in den Genuss eines Kleingartens. „Die Nachfrage übersteigt bei Weitem das Angebot“, so Friedhelm Doll „pro Jahr gibt es rund hundert Pächterwechsel. Viele Vereine haben eine lange Warteliste.“ Interessierte können sich bei den einzelnen Vereinen oder auf der Homepage des Kleingartenvereins (stadtverband-der-kleingaertner-neuss-online.de) unter der Rubrik „Freie Gärten“ informieren.