Schauspiel von Dick van den Heuvel im TAS

6. März 2019 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur

Ruhestand – oder der große Aufbruch

Sie sind schon ein Leben lang zusammen, Hetty und Wilhelm. Ein Rentnerehepaar mit gutem Auskommen. Sie haben einen Sohn und einen Enkel – und waren glücklich. Zumindest so glücklich wie man als „altes“ Pärchen so ist. Es gibt eigentlich keinen Grund, das Dasein infrage zu stellen oder sich Sorgen zu machen. Außer dass das Lebensende irgendwie bald naht und die Frage aufkeimt: Kommt noch was? Nach der Buchvorlage der niederländischen Schriftstellerin Yvonne Kroonenberg hat ihr Landsmann Dick van den Heuvel ein feinsinniges Bühnenstück über die Unterschiede von Männern und Frauen verfasst. Eine unterhaltsame Studie zum Thema „der Mann und die Genügsamkeit“; einfühlsam stimmig jetzt im Theater am Schlachthof auf der Bühne zu sehen.

Kann das vielleicht mal einer dem Wilhelm erklären, was da so um ihn herum passiert? Jetzt ist er schon über 50 Jahre mit dieser Frau zusammen, war erfolgreich mit seinem Geschäft und hat ihr ein schönes Haus in ruhiger Lage gebaut, doch so richtig zufrieden will Hetty nicht sein. Dabei findet er sie heute noch sehr ansehnlich – wenn nicht anziehend. Außer wenn sie nörgelt. Und das tut sie aus seiner Sicht nun einmal zu gern. Selten ist was richtig. Da sitzt er im Restaurant und befindet das Essen für gut. Aber Hetty ist es zu schwer – oder zu mächtig. Da will er ein normales Telefon, mit Wählscheibe und Hörer, aber Hetty kauft so ein plattes formloses Etwas, das einem mit Gewissheit früher oder später aus der Hand flutscht. Neuzeitlicher Überfluss halt, aber dafür online-tauglich. Alles Quatsch urteilt Wilhelm. „Lass uns mal weitermachen wie gehabt.“ War doch alles gut. Denn schließlich befindet das Ehepaar sich jetzt im verdienten Ruhestand. Und Wilhelm meint „Ruhe“. Und Hetty hört „Stand“. Da ist ja mal klar, dass das wieder zu Diskussionen führt.

Für Männer sind Frauen unlösbare Rätsel. Auf ewig. Aber ist es umgekehrt anders? Dick van den Heuvel lüftet in seiner Komödie „Man gewöhnt sich an alles nur nicht an den Kerl“ das Geheimnis und entschleiert die Natur des Menschen auf amüsante Art und Weise. Der Mann ist hier nicht weniger als die Frau ein Buch mit sieben Siegeln. Durch- und entblättert von Dick van den Heuvel, in der Manier eines ironisch genüsslichen Tiefseeforschers im Reich des Geschlechterkampfes. Mit vorzüglichen Spitzen begibt er sich auf die Suche nach dem Wesen des Mannes und ergründet das schwer deutbare Verhalten der Frauen gleich mit.

Was kommt noch?

Zwei Menschen in einer Welt, die diese doch mit völlig anderen Augen sehen. Für Wilhelm ist das eheliche Zusammenleben, so wie es ist, auf jeden Fall zufriedenstellend. Es ist in Ordnung. Da muss man nicht lange was hinterfragen. Frau Hetty aber sieht es anders. Wie immer. Ganz plötzlich wird sie mit einer Panikattacke konfrontiert: „Soll das etwa alles gewesen sein?“.

So will sie was verändern, was bewegen. Will Kunstgeschichte studieren. Und tut es auch. Aber das ist noch nicht alles. Plötzlich kehrt Thomas, ein neuer junger Studienfreund von Hetty, in Wilhelms Haus ein und aus. Und sogenannte moderne Kunst „bereichert“ seine Wände. Da macht sich Argwohn breit. Der Zoff ist vorprogrammiert. Und die Welt läuft aus dem Ruder… Ruhe ging anders. Diskussion braucht Kraft. Auch Mut. So kommt erst einmal die Trennung. Zumindest auf Zeit. Denn Hetty ruft nach Aufbruch. Nicht nur für sich selbst.

Bertold Kastner als Wilhelm und Ana Maria Gonzalez als Hetty haben sich hier im TAS unter der Regie von Marika Rockstroh bestens gefunden. Edwin Schulz als Thomas gibt der Würze noch einen guten Schuss. Jedoch ganz lustig ist der Zwiestreit des Pärchens nicht immer, denn die Gedanken, die da durchs Wohnzimmer kreisen, lassen auch geballte Traurigkeit und ängstliche Ausweglosigkeit mit sich schwingen. Keiner von beiden weiß, ob der Weg der richtige ist. Aber jeder sucht, um das Leben lebenswert zu gestalten. Der eine an seinem Anker, die andere durch ihre Flügel. Und dazwischen liegt der Alltagszwist. „Immer die gleichen Straßenbahnen, immer die gleichen Endstationen“, so Wilhelm. Im Gespräch kommen sie nicht zueinander. Sie ginge halt jedem Konflikt aus dem Weg, meint er, und suche ihn dennoch immer. Wie solle man da aus dem Nörgeln rauskommen. Über 50 Jahre und sie könne noch nicht einmal rechts von links im Auto unterscheiden; wie dann an der Wahlurne? Oder gar im richtigen Leben. Scheinbar haben sie nichts mehr gemeinsam, außer ihrer Vergangenheit. Scheinbar…

Über die Grenzen Hollands hinaus wurde Yvonne Kroonenbergs Buch „Alles went behalve een vent“ bekannt. Über zwanzig Jahre später hat Dick van den Heuvel sein Bühnenadaption geschrieben. Ein Stück, in dem sich so manch einer getrost wiederfindet. Und dabei grübelt – oder schmunzelt. Egal wie, anregend ist dieser humorvolle Geschlechterexkurs allemal. Anschauen lohnt!

Karten gibt es im Vorverkauf für 17 € (ermäßigt 14 €) und an der Abendkasse für 19 € (ermäßigt 16 €). Termine, Vorverkauf und weitere Infos über das Internet: www.tas-neuss.de und telefonisch unter 02131 – 277 499.