Ende einer Ära: Staffelübergabe im Haus der Jugend am Hamtorwall

17. Oktober 2018 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Leben

Rund 60 Jahre hat der Verein Offene Tür Neuss e.V. die Geschicke im Haus der Jugend bestimmt. 50 Jahre davon hat der Neusser Dr. Albert Wunsch die Entwicklung der Jugendeinrichtung maßgeblich geprägt, die meiste Zeit als stellvertretender Vorsitzender des Vereins. Im Sommer hat der Verein seine Auflösung beschlossen und die Verantwortung für das Haus der Jugend endgültig an den neuen Träger übergeben: die Katholische Jugendagentur Düsseldorf.

Wir wollten das Haus für die Zukunft aufstellen“, erklärt Albert Wunsch den Grund für die Staffelübergabe. Das Durchschnittsalter der Vereinsmitglieder sei zu hoch gewesen und Nachwuchs nicht in Sicht, so dass die verbliebenen Mitglieder unter dem Vorsitz von Monsignore Guido Assmann, Oberpfarrer von St. Quirinus, die Auflösung des Vereins beschlossen hätten. „Wir haben in den letzten Jahren schon in verschiedenen Bereichen erfolgreich mit der Katholischen Jugendagentur kooperiert, so dass die Übergabe nun ganz flüssig vonstattengehen konnte.“ Ein bisschen Wehmut ist für Wunsch aber schon dabei: „Für mich persönlich ist diese Situation recht eigenartig, wird damit doch die offizielle Tätigkeit als Hauptverantwortlicher innerhalb des Vereins für das Haus der Jugend nach rund 50 Jahren beendet.“

Ein Blick zurück

Die Gründer des Vereins Offene Tür Neuss kamen alle aus der kirchlich-katholischen Jugendarbeit. Erster Vorsitzender war traditionell bis heute immer der Stadtdechant“, erklärt Wunsch die Anfänge des Vereins. „Das Ziel war, Jugendlichen eine Anlaufstelle zu schaffen, unabhängig vom elterlichen Wohnzimmer, als Treffpunkt für die Freizeitgestaltung.“ Dafür sollte mit Unterstützung der Kirchengemeinde St. Quirinus, die das Grundstück kostenlos zur Verfügung stellte, eigens ein Haus gebaut werden. Albert Wunsch wurde in seiner Funktion als Jugendreferent des Katholischen Jugendamtes (seit 1968), vom damaligen Stadtjugendseelsorger Karl Franzen gebeten, im Verein mitzuarbeiten, wurde dann Mitglied und schließlich nach kurzer Zeit stellvertretender Vorsitzender – und damit unversehens Hauptverantwortlicher für die Planung, den Bau und die Entwicklung des pädagogischen Konzeptes der neuen Jugendeinrichtung „Haus der Jugend“. „Meine Idee war, wenn ein solches Haus gebaut und mit Leben gefüllt werden soll, muss es maxifunktional und multivariabel sein“, erzählt Wunsch mit einem Schmunzeln. So habe er sogar selbst Möbel entworfen und bauen lassen, um die optimale Inneneinrichtung für die Bedürfnisse der Jugendlichen zu bekommen. „In einem solchen Haus sollte alles möglich sein, vom Rockkonzert bis zur seriösen Diskussionsrunde.“ Offenbar ist es ihm und seinen Mitstreitern gelungen, diese Idee erfolgreich umzusetzen: Bis heute gibt es im Haus der Jugend ein breit gefächertes Programm, von Konzerten über Musik-Workshops und Theaterprojekten bis hin zu Sozialtrainings und Ausstellungen.

Offen für alle

Die Jugendarbeit ist heute schwieriger und problembeladener geworden“, findet Albert Wunsch, der promovierter Erziehungswissenschaftler sowie diplomierter Sozialpädagoge und Psychologe ist. Schwieriger, weil die Kinder durch das Konzept der Ganztagsschulen deutlich weniger Zeit hätten und problembeladener, weil mehr Kinder und Jugendliche mit sozialen oder schulischen Problemen, etwa durch einen Migrationshintergrund oder fehlendem Schulabschluss, aufzufangen seien. Zufrieden zeigt er sich, dass das Haus der Jugend über die Jahre immer offen für alle war: „Was ich immer stark fand, war, dass wir die unterschiedlichsten Szenen im Haus hatten, von Punks bis hin zu bürgerlichen Jugendlichen und es hat nie handfeste Probleme im Miteinander gegeben.“ Das zeichnet die Einrichtung heute noch aus. So gibt es seit etwa fünf Jahren mit Unterstützung der Stadt und der Aktion Mensch auch einen inklusiven Schwerpunkt. Unter dem Motto „alles inklusiv“ heißt es auf der Homepage der Katholischen Jugendagentur: „Alle unsere Angebote sind mittlerweile inklusive Angebote, die sich auch an junge Menschen mit Handicap richten. Stolz sind wir auch auf unsere rollstuhlgerechte neue Theke und Tische“. Diese Entwicklung findet Wunsch toll: „Bei den inklusiven Projekten und Initiativen kommt es zu beeindruckenden Begegnungen und Entwicklungen. Nachher weiß man oft nicht, wer denn nun behindert ist und wer nicht.“

Herausforderungen

Albert Wunsch sieht nun viel Arbeit auf den neuen Träger zukommen. „Das Haus ist in die Jahre gekommen. Es besteht ein enormer Sanierungs- und Renovierungsbedarf.“ Aber die Katholische Jugendagentur habe durch das Erzbistum Köln einen besseren finanziellen Rückhalt als der aufgelöste Verein. Außerdem hat sich inzwischen auch der städtische Jugendhilfeausschuss bereit erklärt, die nötige Sanierung der Jugendeinrichtung finanziell zu unterstützen. Als gutes Zeichen für die Zukunft wertet Wunsch, dass alle MitarbeiterInnen vom neuen Träger übernommen worden sind. Und so ist er optimistisch, was das Haus der Jugend angeht: „Das Team der Katholischen Jugendagentur hat viel Erfahrung. Die wissen, was Sache ist.“

Annelie Höhn-Verfürth