Premiere: „Die mittlere Lebenserwartung von Waschmaschinen“ im TAS

4. Oktober 2018 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur

Skurrile Träume an ignorierter Wirklichkeit: Sie scheinen eine ganz normale Familie zu sein. Mutter, Vater und Tochter; Letztere schon erwachsen. Ihr Alltag dreht seine gewohnten Runden, genauso wie ihre Waschmaschine. Eine, die allerdings alt und brüchig ist. Eine, die dann auch plötzlich den Geist aufgibt und mit ihrer Vergänglichkeit dem Dreigespann den Spiegel vorhält. Denn so schrottreif das Gerät jetzt dastehen mag, so funktionslos erscheint auch das Miteinander der Familienmitglieder. „Die mittlere Lebenserwartung von Waschmaschinen“ heißt das Stück der rumänischen Autorin Elise Wilk, das die Spielzeit im Theater am Schlachthof einläutet.

Einfach ist das Leben nicht. Zumindest haben es andere leichter. Mag das gemeinsame Glück verheißungsvoll mit etwas Schummelei seinerseits begonnen haben, so ist die Seifenblase dieses Ehepaares längst geplatzt. Der Alltag in aller Trostlosigkeit hat sich breit gemacht. Er ist arbeitslos, gammelt tagsüber gerne herum. Sie ist frustriert und meckert mit Vorliebe. Zwar läuft das Geschäft der Mutter mit dem Online-Versand von Tiersärgen gut an. Man könnte behauptet es boomt, besonders für Kleintiere wie Hamster. Aber es bringt noch kaum Geld und sonst sind die Perspektiven eh grau. Während die Nachbars­tochter schon ihren zweiten Master hat, scheint die eigene kein Interesse an einer Karriere zu entwickeln. Wie der Vater. Der interessiert sich noch nicht einmal dafür, wieder Arbeit zu finden. Ein Taugenichts durch und durch; ein zielloser Schluffi. So zumindest sieht es die Mutter, die – um noch etwas zu retten – ein hartes Regiment zu Hause führt. Schließlich bringt sie das Geld an. Auch wenn es nicht reicht. Da ist es wohl nicht zu viel verlangt, wenn ihr der Vater die Fußnägel lackiert oder die Tochter mit 25 Jahren noch Rechenschaft ablegt, wann sie mit wem um die Blöcke streift.
Doch dann streikt die alte Waschmaschine. Und die Funktionslosigkeit scheint ein Sinnbild für die noch rotierenden Familieninsassen zu sein…

Flinker Geist der Gedanken

Die erste Premiere nach der Sommerpause im TAS gewährt bizarre Einsichten in den Alltag dreier Familienmitglieder, die eher zufällig zur selben Zeit am selben Ort existieren. Denn schon lange reden sie aneinander vorbei oder schalten auf Durchzug. Er erträumt sich ein Leben mit seinem Idol Nena, „wissend“, dass sie seine Seelenverwandte ist. Die Tochter liebt den Familienvater von nebenan. Früher oder später, so ist sie sich sicher, wird er seine Frau verlassen. Und bis es so weit ist, muss man sich mit den geheimen Treffen im Hotel begnügen. Jeder hat seine Sehnsucht, seine eigene Welt. Die Mutter beamt sich weg, indem sie durch die Verkaufsshows im Fernsehen zappt. Treffsicher ergattert sie Schnäppchen um Schnäppchen. Und Bildung obendrein. Ob mit dem Wissen um die Kraft einer chinesischen Eule oder dem des magischen Waldes, noch sind Leben und Ziele nicht verloren. Man muss nur fest dran glauben und auf Höheres bauen, dann wird es wieder steil nach oben gehen. Schließlich gibt es auf alle Produkte sogar eine Glücksgarantie, auf Gesundheit, Beruf und Liebe – und vieles mehr. „Liebe dich selbst und du kannst heiraten, wen du willst.“ Das leuchtet ein, hat Hand und Fuß.
Elise Wilk wirft einen humorvollen Blick in eine „normale“ Familie, deren Mitglieder sich wegträumen, um sich den Problemen des Alltags nicht zu stellen. Mit stereotypen Handlungen, Einfrierungen und Übersteigerungen formiert sich auf der Bühne ein aberwitziges Treiben, das durch den kecken Geist schwirrender Gedanken die Geschichte ins Kuriose schiebt. Fast sind alle Figuren dem Leben entglitten und der Fantasie verpflichtet, da holt das Lasso der Realität sie alle wieder rein. Die verlassene Mutter mit Sehnsucht nach ihren „Lieben“ – den Vater mit blutiger Nase und die Tochter mit dickem Bauch. In dieses Leben, das so wenig sinnig erschien. Das für jeden allein, unterwegs in der Welt, zur Bruchlandung führte. Und gemeinsam dann doch besser zu ertragen ist.
Eine heitere, lockere Unterhaltung unter der Regie von Katja Lillih Leinenweber mit dunklem Humor und Schlaglichtern auf eine absurde Welt; mit punktenden Darstellern.

Karten gibt es im Vorverkauf für 17 € (ermäßigt 14 €) und an der Abendkasse für 19 € (ermäßigt 16 €). Termine, Vorverkauf und weitere Infos über das Internet: http://www.tas-neuss.de und telefonisch unter 02131 – 277 499.

Marion Stuckstätte