40 Jahre Deutsche Kammerakademie Neuss am Rhein: Innovation und Tradition an Enthusiasmus

17. September 2018 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur

Aus sechzehn Nationen kommen die Künstlerinnen und Künstler der Deutschen Kammerakademie Neuss am Rhein (dkn). Ob im eigenen Zeughaus, im Tonstudio oder auf den Podien der Welt, das Orchester sorgt für herausragende Resultate. Vier Dutzend CD-Produktionen hat es seit dem Start im Jahr 1978 eingespielt. Sein Charme und der musikalische Esprit nährt sich aus der besonderen Zusammensetzung: junge Stipendiaten, denen erfahrene Solisten und Stimmführer weisend und inspirierend zur Seite stehen. In diesem Jahr feiert das erfolgreiche Kammerorchester sein 40-jähriges Bestehen und lädt unter der musikalischen Leitung von Isabelle van Keulen zu einer erlesenen Jubiläumssaison ein.

Werke wie Aufführungen sind hoch virtuos, witzig, expressiv und emotional berührend“, schwärmte der ORF über die dkn. Ein Lob, das nicht alleine steht. Sowohl die CD-Einspielungen wie auch die Auftritte der Deutschen Kammerakademie Neuss am Rhein werden von Kritikern und vom Publikum gleichfalls geschätzt. Eine Abonnement-Auslastung von über 95 Prozent im vergangenen Jahr spricht für sich.
Ende der 70-er als Festivalorchester der Rottweiler Sommersprossen durch den Cellisten und Dirigenten Johannes Goritzki gegründet, stand für die dkn anfangs eine Vision: das Streichquartett als Streichorchester. Noch wusste Goritzki nicht, was er ins Rollen brachte und dass er bis 2003 dieses Ensemble als Chefdirigent leiten und nach vorne bringen würde. Denn das Niveau und die Leistungsbereitschaft der Instrumentalistinnen und Instrumentalisten, die kontinuierliche Arbeit und nicht zuletzt auch der internationale Erfolg platzierten das Orchester treffsicher in der Musiklandschaft. Schon 1980 schlägt die Aufmerksamkeit auf die Stadt Neuss über, die die Förderung der Deutschen Kammerakademie übernimmt. Viele weitere Sponsoren sollten folgen, u.a. die Sparkasse Neuss und 3M. 1998/99 setzt sich die dkn von der Reihe der Zeughauskonzerte ab und konzertiert in Eigenregie.

Die Sprache Musik als Ereignis

Eine Erfolgsgeschichte über vier Jahrzehnte. Eine, die auf eine ausgeklügelte, gut verzahnte und vitale Musiker- und Nachwuchs-Auswahl baut sowie auf deren Enthusiasmus, Beharrlichkeit und höchste Leistungsbereitschaft setzt. Denn das Orchester nährt sich aus jungen, hochbegabten Talenten aus verschiedenen Ländern, die über Vorspiel und Probephasen ein Stipendium und einen Orchesterplatz erringen können. Die Zusammenarbeit mit international erfahrenen Dirigenten, renommierten Solisten und Stimmführern ermöglicht den jungen Musikerinnen und Musikern sich intensiv fortzubilden – und beflügeln zu lassen. Das Resultat: Die Entdeckung einer gemeinsamen Sprache. Musik wird Ereignis. Leidenschaft, Hingabe und Eifer finden sich in einem lebhaft produktiven Spannungsbogen, in dem sich Ideen zur Perfektion binden. Ein Konzept, das sich bis heute bewährt. Ein Orchester, das immer noch so frisch, jung und unverbraucht musiziert wie in den ersten Tagen – und das seine ihm eigene Dynamik entfaltet.
An die 50 CD-Produktionen hat das Orchester im Laufe der Zeit unter verschiedenen Dirigenten und für verschiedene Labels eingespielt: Firmen wie cpo und Capriccio verpflichten die Deutsche Kammerakademie Neuss seit langem, wenn es um die Aufnahme von Meisterwerken geht, die durch eine Laune des Schicksals oder durch schlichte Nachlässigkeit vergessen wurden. Denn auch das ist ein Erkennungsmerkmal des Orchesters: Forschergeist und Stöberfreude. So manches verschollene Werk wurde durch die dkn wieder ins musikalische Bewusstsein gerückt. Das wiederentdeckte Melodram ‚Dirna‘ von E.T.A. Hoffmann wird von Johannes Goritzki und der Deutschen Kammerakademie Neuss im Mai 1998 erstmals wieder aufgeführt und in einer Koproduktion des Deutschlandradios für cpo aufgenommen. Für E.T.A. Hoffmann war das Werk, das er 1809 in Bamberg komponierte, einer seiner größten musikalischen Erfolge.
Carl Heinrich Grauns Oper ‚Montezuma‘, Fagottkonzerte von Antonio Rosetti oder die Symphonien von Luigi Boccherini und Michael Haydn gehören zu den erfolgreichen Wiederentdeckungen. Zudem die Violinkonzerte von Giovanni Battista Viotti und das Cellokonzert op. 61 von Othmar Schoeck. Besondere Aufmerksamkeit erweckte auch Heinrich Kaminskis Werk für Streichorchester, dessen Aufnahme eine ähnlich positive Resonanz auslöste wie die Produktion sämtlicher Orgelkonzerte von Georg Friedrich Händel, die Matthias Kirschnereit und die dkn auf drei Compact Discs in einer modernen Version interpretierten.

Auslands-Tourneen und Gastauftritte

Aber nicht nur auf der hiesigen Bühne kann das Neusser Kammerorchester überzeugen. Auf wechselnden Tourneen zog es bereits durch Spanien, Finnland genauso wie durch Mittel- und Südamerika. Gastauftritte – z.B. im Konzertsommer der Bamberger Symphoniker, beim Musikfest Münsterland, dem Pablo Casals Cello Festival und dem länderübergreifenden Festival Euriade – oder Konzerte mit Krzysztof Penderecki, François René Duchable, Sharon Kam, Stella Doufexis und Hildegard Behrens (u.a. in der Kölner Philharmonie, der Alten Oper Frankfurt, der Stadthalle Wuppertal und dem Berliner Konzerthaus) bereicherten schon den Orchesterplan.
Mit der Saison 2005/06 änderte sich die musikalische Leitung: Lavard Skou Larsen, zugleich Leiter der Streicherschule des Salzburger Mozarteums, übernimmt den Chefdirigenten-Platz der Deutschen Kammerakademie Neuss. Einstimmig von der Findungskommission gewählt, setzt sich der gebürtige Brasilianer unter den Gastdirigenten durch. Mit ihm baut die dkn die Präsenz auf renommierten Fremdbühnen noch weiter aus. So tritt die Deutsche Kammerakademie Neuss erstmals als „Orchestra in Residence“ bei der Internationalen Sommerakademie Mozarteum im Rahmen der Salzburger Festspiele auf und gastiert beim finnischen Naantali Festival. Auf Veranlassung des Landes Nordrhein-Westfalen begleitet die Deutsche Kammerakademie Neuss gemeinsam mit den Kings Singers und dem Bundesjazzorchester die beiden Semi-Finales und das Finale der FIFA Weltmeisterschaft 2006.

dkn im Théâtre des Champs-Élysées

Neben beachtenswerten Konzertreisen, wie auch auf berühmte Festivals in Davos oder Genf, konzertiert die dkn ebenso in der Düsseldorfer Tonhalle. Radio-Übertragungen fördern ihre Bekanntheit, wie Mitschnitte vom Jazz Cologne Festival, vom Deutschlandradio oder der European Broadcasting Union nach England, Norwegen, Ungarn und Australien. Zu den Highlights der Orchester-Geschichte gehört auch die Deutschland-Tournee mit dem Turtle Island String Quartet, dem bekannten Grenzgänger zwischen Klassik und Jazz aus San Francisco, oder das dkn-Debut 2012/13 im Théâtre des Champs-Élysées: In der Reihe ‚Les Grandes Voix‘ wurde die dkn eingeladen, mit dem Weltstar Juan Diego Flórez einen Arienabend zum einhundertjährigen Jubiläum des traditionsreichen Hauses zu gestalten. Eine ganz besondere Ehre wird der Deutschen Kammerakademie auch am Ende 2015 zuteil: Als eines der wenigen Ensembles aus NRW wird die dkn eingeladen, in der Berliner „Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund“ das Adventskonzert auszurichten.
40 Jahre sind verstrichen, aber der Blick richtet sich nach vorn. Ein ebenbürtiger Nachfolger für Lavard Skou Larsen muss gefunden werden. Anfang 2019 soll er gewählt werden. Auf dem Wege zum neuen Chefdirigenten und künstlerischen Direktor hat die Deutsche Kammerakademie Neuss auch in dieser Saison wieder einige internationale Stars eingeladen. Der norwegische Geiger, Komponist und Dirigent Henning Kraggerud öffnet ein Fenster zur Musiklandschaft seiner Heimat, die vielfach ausgezeichnete Geigerin und Dirigentin Carolin Widmann wird eine Soirée mit Wolfgang Amadeus Mozart gestalten, und auch Frank Beermann, dem die dkn einen sehr gelungenen Beitrag zu ihrer umfangreichen Michael Haydn Edition verdankt, hat Mozart aufs Programm gesetzt, dem er, unter anderem im Dialog mit dem Pianisten Matthias Kirschnereit, zu einer musikalisch völlig einleuchtenden Begegnung mit Igor Strawinsky verhelfen wird.

Künstlerische Leitung durch Isabelle van Keulen als „Artist in Residence“

Wie auch in der vergangenen Saison wurde Isabelle van Keulen in der hiesigen als „Artist in Residence“ für die künstlerische Leitung verpflichtet. Eine gute Wahl, versteht es die faszinierende wie sympathische Top-Geigerin und Orchesterchefin exzellent, ihr Publikum durch bezaubernde Leichtigkeit und unaufdringliche Prägnanz zu betören. So schwärmte das Fachmagazin ‚Das Orchester‘ berechtigt: „Lupenreine Intonation, volle, aber nicht schwülstige Klanggebung, lebendiges Reagieren auf die Chancen des Augenblicks.“ – Genau auf diese Momente darf man sich dann auch wieder freuen.
Für die Jubiläumssaison 2018/19 hält Isabelle van Keulen besondere, mit feinem Gespür erstellte Programme bereit, in denen die Meilensteine der Literatur auf selten gespielte, mitunter gar „unerhörte“ Kompositionen treffen: So umrahmt die musikalische Leiterin im ersten Abonnementkonzert das jazzige Konzert für Violine und Perkussion von Jacques Loussier („Play Bach“) mit Musik von Wolfgang Amadeus Mozart und Sergej Prokofieff. Im vierten Saisonkonzert wird sie mit dem motorisch lyrischen zweiten Violinkonzert von Otar Taktakischwili georgisches Temperament entfesselt, bevor sie dann im Mai 2019 mit Streicherwerken von Benjamin Britten einen britischen Schwerpunkt setzt.
Musikalisches Charisma, Innovation und Tradition – Forschergeist an Leidenschaft und Perfektion. Das Ganze mit enormer Spielfreude und Mut, „Altes“ neu zu begehen. Eine überzeugende Mischung, die seit frühesten Tagen funktioniert. Eine, die die Fühler längst in weitere Jahrzehnte streckt. Jung und dynamisch. Wir sind gespannt. Auch auf die neue Michael Haydn-Aufnahme, die in diesem Sommer – passend zum Jubiläum – die umfassende Serie, die bereits unter dem Gründer Johannes Goritzki begonnen wurde, abschließen wird. Der Ausblick lohnt. Lassen wir uns ein!

Weitere Infos über die Saison-Programme, die Musikerrinnen und Musiker, zu Abonnements und Einzelkarten unter http://www.deutsche-kammerakademie.de

Marion Stuckstätte