Der Neusser Dr. Albert Wunsch schreibt über Resilienz: „Das Immunsystem der Seele“

4. Juli 2018 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Leben

Das Sachbuch „Mit mehr Selbst zum stabilen Ich! Resilienz als Basis der Persönlichkeitsbildung“ ist bereits 2013 erschienen. Der Psychologe und promovierte Erziehungswissenschaftler Dr. Albert Wunsch war einer der ersten Autoren, der sich mit dem Thema Resilienz beschäftigt hat. Nun erscheint sein wissenschaftlich fundiertes Buch, das zugleich auch Gesellschaftsanalyse und Ratgeber ist, in einer überarbeiteten und deutlich ergänzten Neuauflage. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, warum das Thema immer noch ganz aktuell ist.

Dr. Albert Wunsch: Das Thema ist aktuell, weil es ganz viele Bereiche betrifft. Es geht immer um die Frage: Wie stark ist ein Mensch, eine Institution, ein Organismus oder die Gesellschaft, um auf von außen eindringende negative Einflüsse gelassen und stabil zu reagieren? Resilienz ist gerade in einer angespannten Situation sehr wichtig, und wir leben heute häufig in angespannten Situationen, privat, beruflich und auch gesellschaftlich.

Sie haben einmal gesagt, Resilienz sei „das Immunsystem der Seele“. Was genau hat man darunter zu verstehen?

Resilienz ist die Fähigkeit, negative Dinge, die mir begegnen oder widerfahren, nicht so nah an mich rankommen zu lassen, dass sie mir schaden können. In Bildern gesprochen: Resilienz ist wie ein Regenschirm oder Regenmantel – mit seiner Hilfe kann ich den Regen zwar nicht stoppen, aber er schützt mich davor, nass zu werden.

Warum ist diese Fähigkeit zum Selbstschutz wichtig?

Wir stehen heute von morgens bis abends vor Herausforderungen, auf die wir reagieren müssen – Tagesereignisse, Stress im Beruf, Ärger im Stau, Konflikte in der Familie. Da stellt sich die Frage: Lasse ich diesen Ärger und Stress so an mich heran, dass ich Schaden nehme oder überprüfe ich, ob ich etwas daran ändern kann? Wenn nichts zu ändern ist, dann akzeptiere ich es besser, ohne mich aufzuregen, denn Ärger ist fehlgeleitete Energie.

Wie schaffe ich das denn?

Die Grundvoraussetzung für Resilienz ist die Einsicht, dass ich nicht der Mittelpunkt der Welt bin. Jeder Mensch hat bestimmte Fähigkeiten, aber auch Schwächen, die er einfach akzeptieren muss, wenn er sie nicht ändern kann. Ein resilienter Mensch ist geerdet, er verfügt über eine innere Stabilität, die ihn aber je nach Erfordernis und Situation dynamisch reagieren lässt.

Inwiefern kann Ihr Buch mir dabei helfen, Resilienz zu entwickeln?

Einmal zeige ich auf, wie Menschen resilient werden und zwar von Geburt an. Dann gibt es ein Kapitel zur persönlichen Resilienz-Bestandsaufnahme mit Selbsttest und eines zu der Frage „Wie lassen sich Selbstwirksamkeit und Resilienz gezielt erweitern?“.

Was ist denn nun neu in der überarbeiteten Neuauflage?

Ich habe alle wissenschaftlichen Belege nochmal überprüft und aktualisiert. Außerdem habe ich zwei neue Kapitel geschrieben, in denen ich versuche, zwei aktuelle, zum Teil sehr emotional diskutierte gesellschaftliche Themen wissenschaftlich zu betrachten: „Gender-Ideologien als gezielte Vereitlung von Selbstwerdeprozessen“ und „Massenmigration als Gefahr für die Stabilität der gesellschaftlichen Identität“.

Warum sind Ihnen die beiden neuen Kapitel so wichtig?

Weil das Thema ‚Gender-Ideologien’ so durch Denk-Diktate geprägt ist, dass es fast nicht mehr steigerungsfähig erscheint. Katastrophal wird das, wenn Kinder dadurch in ihrer Identitäts-Entwicklung gestört werden. Beim Thema ‚Massenmigration’ sehe ich das Problem, dass hier sozial-psychologische Fakten kaum eine Bedeutung haben und die gesellschaftliche Diskussion eher in einer durch ‚Gutmenschen-Naivität’ und ‚braun schillernden Ausgrenzungs-Bestrebungen’ geprägten Polarisierung stattfindet und wichtige Argumente oder Fakten sofort in eine rechte Ecke geschoben werden. In beiden Fällen möchte ich zu einer Versachlichung beitragen.

Warum sollte man „Mit mehr Selbst zum stabilen Ich!“ lesen?

Um selber stabiler zu werden und um gleichzeitig mit der Instabilität anderer besser umgehen zu können. Denn meine These dazu ist: „Der instabile Mensch ist die Quelle aller Konflikte.“ Wenn ich also selber stabil bin, kann ich auch mit den Unzulänglichkeiten anderer besser klarkommen, sei es in Partnerschaft, Beruf oder Gesellschaft.

Annelie Höhn-Verfürth