Frivoles Durcheinander im plüschigen Etablissement: Die Komödie „Floh im Ohr“ im Rheinischen Landestheater

13. Juni 2018 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Kultur

„La puce à l‘oreille“ von Georges Feydeau stammt aus dem Jahr 1907. Eine Verwechslungskomödie, die die brave Gesellschaft unsittlich aufmischt. Denn im „Hotel zur zärtlichen Miezekatze“ geht es turbulent einher. Der Auslöser ist die aus der Laune der Langeweile keimende Idee von Raymonde Chandebise, ihr Mann würde sie betrügen. Ein Lockvogel soll ihn überführen. Und schon ist das Verwechslungsspiel entfacht. Ein Klamauk – auch sicherlich. Aber einer mit Charme und Idee. Michael Lippold versteht, aus Elfriede Jelineks Übersetzung Akzente herauszukitzeln und nicht in plätschernden Schabernack zu verfallen. Wer ein Fan des Genres ist, kommt auf seine Kosten.

Georges Feydeaus „Floh im Ohr“ gilt als eine der turbulentesten Verwechslungskomödien der Theatergeschichte. Tumult in der sonst so sittsamen Welt gutsituierter, der Lust nicht entsagenden Franzosen. Ein bisschen Spielerei zweier gelangweilter Damen. Eine Vermutung, die noch haltlos ist. Eine Falle – und es geht rein ins heillose Durcheinander. Anonyme Briefe. Irrtümer. Ein eifersüchtiger Spanier. Ein Mann mit Sprachfehler. Überraschungseffekte beim Rendezvous. Hosenträger, die ihren Herren wechseln. Jacken und Mützen ebenso. Dazu Ohrfeigen ohne Zahl. Sprünge in der Ehe. Seitensprünge aus der Ehe. Überpotenz und Impotenz.

Das Resultat: eine rasante Farce, deren Plot sich schwer in klaren Worten bändigen lässt. Elementarteilchen außer Rand und Band; im Tanz heißer Wallungen. Die Welt ein Bordell, und alle Frauen und Männer getrieben von frivolen Begierden. So verstricken sich Aktionen wie Beziehungen und die Gelüste – ob auf Mann oder Frau, anders- oder gleichgeschlechtlich. Der Liebestaumel treibt sie an, in schwindelerregende Verwirrungen und Verwicklungen. Shakespeare auf Französisch sozusagen.

Karussellfahrt auf schwindelerregender Höhe

Feydeaus „Lustwerk“ in der Übersetzung der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek schraubt sich genüsslich in absurde Höhen, jeder Zeit bereit, ein Häkchen zu schlagen, wenn der Wegweiser trügerisch auf geradeaus zeigt. „Poche, Poche, Poche“, skandieren die Darsteller auf dem kreisenden samtig roten Sofa gegen Ende hin. „Immer dieser Poche“, der das Karussell am Drehen hält, auf dem Jahrmarkt der Gefühle. Michael Lippold setzt Bilder aus Worten, Sprachfragmenten, selbst Umbauten. Und schmückt das Stück mit passender Musik: „Un homme et une femme de Claude Lelouch“ von Jean-Louis Trintignant, „Pour un flirt“ von Michel Delpech oder „Quoi de neuf pussycat?” von Joël Denis beschallen den Raum. Und Serge Gainsbourgs „Je t‘aime moi non plus“ sowie der „Chanson d‘amour” von The Manhattan Transfer dürfen hier nicht fehlen. Dazu auf den Punkt Kostüm und Bühne, bestens erwählt und platziert von Sarah Bernardy. So taucht man ab in die 70-er Frankreichs.

„Sie bringen mich dazu, Sachen zu sagen, die ich gar nicht meine“ – ja, ja. Und zu lachen, wo man sonst nicht lacht. Der Switch vom Appartement zum „Hotel zur zärtlichen Miezekatze“ ist eine Glanzstelle der Inszenierung. Die Diskokugel schwingt sich ein. Etablissement-Kabinen präsentieren sich im roten Licht, mit zotteligen Eingängen und skurrilen Auftritten. Die „Crew“ läuft auf mit Pappmasken vorm Gesicht – zu „Kätzchen“ mutiert. Und im Zentrum eine Hausherrin im Wiener Schmäh.

Kurzweilig und locker. Mit Pep und kecken Schauspielern. Auch wenn das Treiben außer Kontrolle gerät, Lippold hält die Zügel in der Hand. Fans von Verwechslungskomödien sind hier richtig.

Marion Stuckstätte