Jetzt wird´s bunt: Sprayerhände verzieren Brücken und Wände?

7. Februar 2018 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Leben, Titelthema

Schmierereien? Sachbeschädigung? Gestaltungsspielraum? Moderne Kunst? An Graffitis scheiden sich die Geister. Für die einen sind Sprayer respektlose, kriminelle Schmierfinken, für andere moderne Street-Art Künstler. Fakt ist: Wer ohne Genehmigung Wände mit Graffitis besprüht, im Fachjargon „bombing“ genannt, begeht Sachbeschädigung und riskiert eine Bestrafung. Die gute Nachricht: In Neuss gibt es eine Reihe legaler Möglichkeiten, um seine Kunstwerke an die Wand zu bringen und so öffentlichen Raum bunter zu gestalten. Sie nennen sich „Halls of Fame“. Die größte befindet sich seit 1995 an der Unterführung am Konrad-Adenauer Ring.

Spätestens seit „Banksy“, dem berühmten Phantom der Graffiti-Szene (und für viele Sprayer ein absolutes Vorbild), sind Graffitis salonfähig geworden und hat sich das Label „Street-Art“ etabliert. Jeder Sprayer, der was auf sich hält, wäre am liebsten eine Art „Banksy“: ein anonymer Künstler, der es (weltweit) zu Ruhm und Aufmerksamkeit bringt. Gesellschaftskritisch, meinungsstark und durchaus auch demokratisch. „Warum darf die Stadt als öffentlicher Raum allein durch teuer erkaufte Werbeplakate gestaltet werden?“ Diese Frage stellt sich nicht nur „Tom“ (auch „Tom“ möchte anonym bleiben, daher wurde der Name von der Redaktion geändert), sondern sie beschäftigt viele Sprayer. „Die meisten Graffitis haben immer auch eine Botschaft, die einen Dialog anstoßen soll. Es geht um Gehört- und Gesehen-Werden, wir wollen Teil der Stadtkultur sein, die Stadt dient uns als Medium. Es kann nicht sein, dass die einzigen Botschaften Werbebotschaften von Firmen und Konzernen sein dürfen.“

Dass die Stadt Flächen bereitstellt, auf denen legal gesprayt werden kann, findet er prinzipiell gut. „Diese Flächen bieten den Street-Art Künstlern eine gute Gelegenheit, legal zu arbeiten und mit ihrer Street-Art eventuell einen Schritt in Richtung kommerzielle Kunst zu gehen.“ Aber er betont auch, dass die meisten Sprayer weder nur legal, noch nur illegal sprayen. Zum Wesen von Graffitis gehöre auch immer der Kick. Nur legal zu sprayen wäre doch ein wenig zu langweilig, betont er. Ähnlich wie bei Banksy gehöre zum Sprayen auch immer eine Portion Anarchismus und das eventuelle Risikos, erwischt zu werden. „Das Gute an den legalen Flächen ist, dass man sich Zeit lassen kann, um konzentriert zu arbeiten. So erzielt man natürlich andere Ergebnisse, als wenn’s schnell gehen muss, um nicht erwischt zu werden.“
Mittlerweile gibt es neben der „Hall of Fame“ am Konrad-Adenauer Ring noch eine Reihe weiterer Flächen, an denen sich Street-Art-Künstler in Neuss legal austoben und ihre Kunstwerke einem breiteren Publikum zugänglich machen können. So hat die Stadt vor einiger Zeit eine Fläche am Nixhütter Weg in Gnadental freigegeben. Auch in der Innenstadt gibt es schöne Beispiele für gelungene Streetart, beispielsweise rund um die Neustraße.
Auch am Erftmühlengraben gibt es eine bunte Wand. Sie ist eine Art private „Hall of Fame“, die seit vielen Jahren von einer Künstlergruppe immer wieder neu gestaltet wird. Und an der Hammer S-Bahn Brücke, einem idealen Ort für großflächige Kunstwerke, werden Sprayer mittlerweile geduldet. Sprayen ist hier zwar nicht ganz legal, dafür aber auch nicht wirklich illegal.

Unabhängig davon, ob die Kunstwerke jedermann gefallen (wie das bei Kunst nun einmal immer so ist), so haben sie auf jeden Fall einen Vorteil: Anschauen kostet nix.

Monika Nowotny