Grevenbroich – Viel mehr als Tagebau und Kohlegrube

14. Mai 2017 | Von | Kategorie: Aktuelles, Titelthema

Neuss und seine Nachbarn Teil 2: Von Neuss nach Grevenbroich fährt man ganz schnell, knapp 20 Minuten, wenn nicht gerade Berufsverkehr ist. Doch vielen Neussern ist das zu weit, denn was gibt es schon in Grevenbroich? Tagebau und Kohlegrube, fällt vielleicht dazu ein. Ach ja, und Horst Schlämmer alias Hape Kerkeling hat doch ‚Grevenbroisch‘ zu einiger Bekanntheit verholfen. Aber das ist lange her, ebenso wie die Landesgartenschau, an die sich manche Neusser noch erinnern. Stimmt alles, tatsächlich hat Grevenbroich durchaus mehr zu bieten.

Die Geschichte Grevenbroichs beginnt Ende des 13. Jahrhunderts, als die Grafen von Kessel auf dem sumpfreichen Gelände eine befestigte Burganlage errichteten. „1311 wurde Grevenbroich erstmals als Stadt ‚oppidum nostrum bruke‘ urkundlich gesichert erwähnt“, erfährt man auf der städtischen Homepage. Zentrum der Stadt war die Burg bzw. das “landesherrliche Schloss“, zu dem die Grafen von Jülich die Anlage im 15. Jahrhundert umbauten. Der Palastbau und ein Torgebäude, das in die Stadt führt, sind bis heute sehr schön als „Altes Schloss“ erhalten. Dieses wird gerne für kulturelle und gesellschaftliche Anlässe genutzt und macht dem Namen „Schloss-Stadt“ für Grevenbroich alle Ehre. Beliebt ist es zudem als malerische Fotokulisse für die vielen Brautpaare, die sich in der nahegelegenen Villa Krüppel frisch vermählt haben. Außerdem kommt man von dort direkt auf den nett angelegten Marktplatz im Schatten der Pfarrkirche St. Peter und Paul und somit in die verkehrsberuhigte Fußgängerzone mit ihren – oft inhabergeführten – Geschäften und netten Cafés.

Alles Kohle

Aber natürlich ist Grevenbroich auch geprägt vom Braunkohle-Tagebau – die Türme der Kraftwerke in Frimmersdorf und Neurath sind ja schon von weitem zu sehen und prägen das Bild der Stadt und ihrer Umgebung. Ebenso wie die im Rahmen der Rekultivierung künstlich angelegte Vollrather Höhe zwischen den Kraftwerksstandorten daran erinnert, dass hier schon seit vielen Jahren riesige Mengen Erde bewegt werden, um Braunkohle zu gewinnen. Der Tagebau Garzweiler, betrieben von der RWE Power AG, liegt westlich von Grevenbroich und bewegt sich in Richtung Erkelenz. „Um die Braunkohle freizulegen, bewegt der Tagebau Garzweiler jährlich gut 140 Millionen Kubikmeter Abraum, also Löß, Kies und Sand“, heißt es auf der RWE-Hompage. Jeder, der Grevenbroich besucht, sollte mal einen Blick auf und in die wirklich beeindruckende ‚Grube‘ werfen, wo ungeheuer große Schaufelradbagger und Absetzer auf einem Gebiet von zurzeit etwa 35 km Tag und Nacht im Einsatz sind und sich durch das Erdreich fressen. Interessierte müssen dafür aber ein Stück an Grevenbroich vorbeifahren, denn die beste und sicherste Aussicht bieten die offiziellen RWE-Aussichtspunkte in Hochneukirch und Jackerath. Übrigens: „Bagger 288 gehört zu den größten der Welt mit 96 m Höhe, 40 m Länge, 13.500 Tonnen Gewicht und einer Tagesleistung von 240.000 m“, erklärt RWE-Pressesprecher Guido Steffen.

Natur pur

Der Tagebau hat über die Jahre nicht nur Löcher hinterlassen und ganze Ortschaften verschlungen, sondern der Stadt und ihrer Umgebung zugleich mit der Rekultivierung buchstäblich ‚blühende Landschaften‘ geschaffen. Die eingangs erwähnte dicht bewaldete Vollrather Höhe ist beliebtes Ziel für Spaziergänger und eine sportliche Herausforderung für Radfahrer. Die Königshovener Höhe hat sich zu einem Refugium für seltene Pflanzen, Vögel und Insekten entwickelt sowie für Wissenschaftler, Fotografen und Naturliebhaber, die sich daran erfreuen. Ebenso beliebt ist das Elsbachtal, das für viele Grevenbroicher, besonders Hundebesitzer, die erste Adresse für naturnahe Spaziergänge ist. Aber auch unabhängig vom Tagebau gibt es schöne Ecken in Grevenbroich. Wunderbar spazieren kann man nämlich im sogenannten Wildfreigehege Bend, einem Tierpark im Wald mit Spielplatz und Streichelgehege zwischen der A 540, Erft und Innenstadt, sowie im Stadtpark im Herzen der City, der 1995 Teil des Landesgartenschaugeländes war. Hier steht eingangs die beeindruckende Blitz-Skulptur „Permanent Lightning“ des Künstlers Thomas Stricker und mittendrin, auf der malerischen Apfelwiese, das markant-rote „Schaufelrad“ von Georg Ettl.

Kunst und Kultur

Im Stadtpark liegt zudem die stattliche, sonnengelbe Villa Erkens, die seit 2012 das „Museum der Niederrheinischen Seele“ beherbergt. Dort erfahren die Besucher unterhaltsam, interaktiv und abwechslungsreich alles über das Land und die Menschen am Niederrhein. Ein kulturelles Veranstaltungsprogramm und wechselnde Ausstellungen wie zurzeit „The Sixties. Porträt einer Ära“ mit Original-Fotos von Linda McCartney runden das Angebot ab. Ein weiteres Grevenbroicher Kleinod ist der Ian-Hamilton-Finlay-Park in der Nähe des Alten Schlosses. Der angelegte Waldpark verbindet auf symbiotische Weise Kunst(objekte) und wilde Natur. Und wer dann noch mehr sehen will, kann in der Umgebung Grevenbroichs das Zisterzienser-Kloster Langwaden und das denkmalgeschützte Schloss Hülchrath mit historischem Ortskern besuchen.

Annelie Höhn-Verfürth