Matinee von der Deutschen Kammerakademie Neuss am Rhein: Farbige Nachtmusik am Morgen

18. November 2016 | Von | Kategorie: Neusser Kultur

OSB - Orquestra Sinfônica Brasileira; Lavard Skou Larsen

Am 20. November ist Totensonntag. Für viele ein Tag der inneren Einkehr und des Gedenkens. Ihn mit klassischer Musik zu begehen, ist ein Weg, seinen Gefühlen Raum zu geben. Um 11 Uhr im Neusser Zeughaus gibt es eine einladende Möglichkeit hierzu: Die Deutsche Kammerakademie Neuss spielt Musik des 20. und 21. Jahrhunderts unter Leitung ihres Chefdirigenten Lavard Skou Larsen. Werke von Bernard Stevens, Peter Seabourne, Mikolaj Górecki und Szymon Laks werden zu hören sein; und die bestechende Fenella Humphreys als Solistin an der Violine.

Romanzen“ der jüngeren und jüngsten Musik hat Lavard Skou Larsen für die November-Matinee der Deutschen Kammerakademie Neuss ausgewählt. Die Spielzeit 2016/17 ist die zwölfte und letzte Saison, in der er als Chefdirigent und künstlerischer Leiter für die dkn zur Verfügung steht. Viele innovative Ideen und Ausflüge in künstlerische Grenzbereiche sowie klassisch hochwertige Darbietungen hat das Orchester ihm zu verdanken. Auch die Weiterentwicklung der Deutschen Kammerakademie zu einem international anerkannten Klangkörper. Sein Erfolg fußt auf großes Einfühlungsvermögen wie auf hohe kreative Experimentierfreude; präzise Werkkenntnis und technische Präzision immer vorausgesetzt. Hervorragende Neueinspielungen und lobende Kritiken der CDs unterstreichen dies.
Aber noch ist er da; und noch kommt das Publikum auf den Genuss seiner Konzerte. Auch am Totensonntag ist er mit einer Besonderheit im Zeughaus vertreten. Romanzen im 21. Jahrhundert, hat das seine Berechtigung? Lavard Skou Larsen kommt mit einem deutlichen „Ja“. Denn eine musikalische Romanze ist frei von festgelegten Formen und vermag menschliche Gefühle in poesievolle Stimmungen zum Klingen bringen. Kunst als visionäres Gegenbild zum Grauen und Grau des Alltags, das war schon immer so; und das verliert nicht seine Wirkung. So komponierte der Engländer Bernard Stevens 1948 eine sensible und außergewöhnliche Sinfonietta für Streichorchester, die melodische Raffinesse und romantische Expression mit Schönbergs Technik verbindet. Und so schreibt sein Landsmann Peter Seabourne 2016 in seiner „eigenen Modernität“ ein Violinkonzert, das dezidiert „Romanzas“ als Satzbezeichnungen verwendet. Die englischen Titel täuschen – hinter „This is a song…“ und „Give to me another song“ stecken deutsche Dichtungen des Expressionisten Stefan George. Die Kräfte des Gefühls, die Energien des Rhythmus und der Zauber der Melodie sind auch für Seabourne nichts „Altmodisches“.

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Lebendige Tradition der Romantik
Ebenso in der Musik Polens gibt es eine lebendige Tradition der Romantik, der auch Avantgardisten wie Penderecki ihren Tribut zollen. Mikolaj Górecki, der Sohn und Schüler Henryk Mikolaj Góreckis, schrieb sein „Concerto-Notturno“ im Jahr 2000. Auch der Warschauer Szymon Laks, Komponist und Schriftsteller – und Auschwitz-Überlebender – verband in seiner Musiksprache Traditionelles mit polnischer Volksmusik, wozu in seinem Fall jüdische Weisen kommen. Seine Sinfonie für Steichorchester entstand 1964.
Auf diesen interessanten menschlichen wie künstlerischen Persönlichkeiten baut der vorzügliche Inhalt des Konzertvormittags. Die Streichersymphonien des Engländers Bernard Stevens und des Polen Szymon Laks bilden den Rahmen für das Violinkonzert des Briten Peter Seabourne und das konzertante Notturno von Mikolaj Górecki.
Solistin der Matinee ist die langjährige erste Konzertmeisterin der Deutschen Kammerakademie Neuss: Fenella Humphreys, die einmal mehr zeigen darf, dass sie eine exzellente Solistin ist. Die Künstlerin hat bereits in der Wigmore Hall und dem South Bank Centre zu London und in dem neuen Musikzentrum von Helsinki musiziert. Rundfunkaufnahmen entstanden für die BBC, Classic FM, das Deutschlandradio Berlin, den Westdeutschen Rundfunk, den australischen ABC Classic FM und den Koreanischen Rundfunk. Ein besonderes Ereignis war die Interpretation des Violinkonzerts von Sir William Walton, das Fenella Humphreys auf Einladung des Walton Trust im Heim des Komponisten spielte und das vom Kanadischen Fernsehen übertragen wurde.
Ihre erste Konzertaufnahme war das Violinkonzert „And then there was silence“ von Christopher Wright. Die Produktion mit dem Royal Scottish National Orchestra unter Martin Yates erschien im Jahre 2012 und wurde unter anderem vom BBC Music Magazine mit fünf Sternen als Orchester-CD des Monats ausgezeichnet.
Verschiedene britische Komponisten haben für Fenella Humphreys bzw. für das Lawson Trio geschrieben, deren Mitglied sie ist. In der Saison 2014/15 gab sie die Uraufführung von „Bach to the future“ mit neuen Solostücken von Cheryl Frances-Hoad, Gordon Crosse, Sally Beamish, Adrian Sutton, Piers Hellawell und Sir Peter Maxwell Davies. Das Projekt wurde bislang bei mehreren großen britischen Festivals realisiert und soll auf zwei CDs bei Champs Hill Records erscheinen, deren erste im Oktober 2015 veröffentlicht und vom BBC Music Magazine zur Instrumentalaufnahme des Monats gekürt wurde.
So darf man sich freuen; und auch dazulernen. Denn wie immer gibt es eine Konzerteinführung: am 20.11. um 10.15 Uhr mit Dr. Matthias Corvin.
Nähere Infos unter www.deutsche-kammerakademie.de.