Ingers „Rain Dogs“ auf den Internationalen Tanzwochen Neuss: Identitätswechsel aus Fifties-Spalier

24. Oktober 2016 | Von | Kategorie: Neusser Kultur

Im Herbst 1983 startete eine neue Veranstaltungsreihe in Neuss: die Internationalen Tanzwochen. Seither präsentieren sich hier Jahr für Jahr von Oktober bis März aufstrebende wie renommierte Ensembles aus der ganzen Welt, die das Spektrum des zeitgenössischen Tanzes mit aktuellen Choreographien abbilden. Jung, kreativ und dynamisch geht es auch in diese Saison, die am 26. Oktober von der italienischen Compagnia Aterballetto eröffnet wird.

Rain Dogs“ heißt ein 1985 veröffentlichtes Album von Tom Waits. Gleich betitelt ist die Choreographie von Johan Inger aus dem Jahr 2011 nach eben dieser Musik. Das allein mag sich schon interessant anhören und die Vermutung einer eigenwilligen Darbietung ist nicht aus der Luft gegriffen. Denn diese Choreographie im amerikanischen Retrolook ist erfrischend lebhaft, einfallsreich und mutig gestrickt. Eröffnet wird ein Spielfeld, in dem Geschichten erzählt, Stimmungen durchwandert und Konflikte ausgetragen werden. Das Thema: Mann und Frau. Aber nicht in enge Fesseln gefasst, sondern auf der Suche nach den Merkmalen der Geschlechter. Licht wandelt sich von gleißender Mittagshitze über dunkel bewölkte Endlosnachmittage hin zu warmen Nächten. In diesen Atmosphären begegnen sich die Geschlechter; in ihren Sehnsüchten und Gefühlen, in Zuneigung und Ablehnung, in Hingabe und im Konflikt. Synchron getanzte Minibewegungen in Reihe oder Gruppe, die dem Solotänzer gegenübergestellt werden. Ein Spiel auch mit der Wahrnehmung, denn die Rollen sind fließend; wie die Kleiderwahl ebenfalls. Was weiblich zu sein scheint, kann auch beim Mann gefunden werden. Genauso umgekehrt. Die Unbestimmtheit verschafft sich Raum.
In Stockholm geboren, erhielt Johan Inger seine Ausbildung an der Königlich Schwedischen Ballettschule und der National Ballet School in Toronto, Kanada, bevor er seine Laufbahn 1985 im Ensemble des Königlich Schwedischen Balletts begann. Dort avancierte er 1989 zum Solisten. Bereits ein Jahr später folgte er dem Ruf Jiří Kyliáns ans Nederlands Dans Theater (NDT) und entwickelte sich dort zu einem der profiliertesten Tänzer. Sein erstes eigenes Stück »Mellantid« kreierte Inger für das Holland Dance Festival. 2003 verließ er das Nederlands Dans Theater, um die Künstlerische Leitung des Cullberg Ballet zu übernehmen. Im Sommer 2008 legte er diese Stelle nieder, um sich fortan gänzlich der Choreographie zu widmen. An der Semperoper kreierte er Choreographie und Bühnenbild zu »Empty House« in »Dreamlands«. 2013 brachte er dort im Rahmen des Abends »Nordic Lights« seine Choreographie »Walking Mad« zur Premiere, für die er ebenfalls die Bühne und die Kostüme gestaltete. Ein kreativer, leidenschaftlicher und feinsinniger Choreograph, der seinen Ideenreichtum in Spiel- und Tanzkunstwerke wandelt; wie es sich in „Rain Dogs“ – vor fünf Jahren für das Ballett Basel geschaffen – beispielhaft offenbart.

.
Ehemaliger Tänzer der Gauthier Dance Company
Das Neusser Publikum darf sich am Mittwoch, den 26. Oktober, auf die Inszenierung freuen. Präsentiert wird der Saisonauftakt von der Compagnia Aterballetto, die auf ihrer Deutschlandtournee auch in der Quirinusstadt gastiert. Aber das ist nicht die einzige Choreographie, die die 16 Tänzer und Tänzerinnen aus dem italienischen Reggio Emilia an diesem Abend aufführen. Mit „Lego“ des noch jungen, talentierten Giuseppe Spota bringen sie ein Kontrastwerk auf die Bühne, das jedoch in Farbe und Leidenschaft wie in der tänzerischen Kraft nicht minder einnehmend ist.
Giuseppe Spota kommt aus dem italienischen Bari und studierte an der Scuola del Balletto del Sud sowie der Scuola del Balletto di Toscana. Ab 2002 tanzte er in verschiedenen Ensembles in Italien: im Balletto di Roma, in der Gruppo Nuova Danza Treviso und beim Aterballetto unter Mauro Bigonzetti.
Nach einem Engagement 2009/10 in der Gauthier Dance Company Stuttgart wechselte er zur Spielzeit 2010/11 in das Ensemble des Hessischen Staatstheaters in Wiesbaden. Für seine Interpretation des Blaubart in Stephan Thoss` Choreographie Blaubarts Geheimnis wurde er mit dem Deutschen Theaterpreis DER FAUST 2011 in der Kategorie „Bester Darsteller Tanz“ ausgezeichnet.
Ein abwechslungsreicher Abend steht so am 26. Oktober ins Haus. Neugier berechtigt. Auch auf das italienische Tanztemperament, mittlerweile unter der Leitung von Cristina Bozzolini.
(Nähere Infos unter www.tanzwochen.de)