26. Shakespeare-Festival im Globe Neuss: To touch – to kiss – to die

15. April 2016 | Von | Kategorie: Neusser Kultur

Great Horned Owl (Bubo virginianus) Intense Stare - captive bird

Der Frühling zwinkert, der Sommer naht und das Globe wartet auf Zulauf. Aber nicht mehr lange, denn der Vorverkauf zum diesjährigen Shakespeare-Festival ist eröffnet und der Run auf die beliebten Karten in vollem Gange. Auch in diesem Jahr hat das Programm wieder einiges zu bieten, von Komödien über Tragödien bis hin zum Konzertabend und Puppenspiel gibt es viel Abwechslung. 14 Compagnien reisen vom 27. Mai bis 25. Juni an, um 43 Aufführungen im Festivalmonat zu zeigen. Los geht es mit ungewöhnlichem Auftakt: „Shakespeare goes Varieté“.

Einen ehrwürdigen Anlass, das Festival gebührend zu feiern, lässt sich immer finden. Sei es wie im vergangenen Jahr das 25-jährige Jubiläum des Shakespeare-Festivals oder in diesem Jahr der 400. Todestag des elisabethanischen Meisters. Aber eigentlich ist sein unglaubliches Werk Grund genug, ihn einmal im Jahr zu ehren. Unterhaltend wie anspruchsvolles Material hat er selbst genügend bereitgestellt. Auch wenn manch einer ihn als Verfasser noch immer in Frage stellt. So oder so, es gibt einige Rätsel, die den Dichter umkreisen. Das macht es aber nicht weniger spannend. Im Gegenteil. Also schauen wir mal hin, was uns dieses Jahr erwartet.
Beispielsweise eine eindringliche, auf eineinhalb Stunden gestraffte, aber extrem intensive Hamlet-Produktion vom Flute Theatre aus England. Unter der Regie von Kelly Hunter ist ein ausgefallenes Stück mit gewandeltem Interpretationsansatz entstanden, das renommierte Shakespeare-Kenner schon zu hohem Lob veranlasste. Denn in „Hamlet: Who‘s there“, tritt der Vater nicht als „Person“ auf, sondern ergreift direkt Besitz vom Körper seines Sohnes. „Es ist die modernste Inszenierung in diesem Festival. Der Geist des Vaters kommt besonders zu tragen“, so Programmmacher Dr. Rainer Wiertz. „Es ist so, als ob Hamlet einen Anfall bekommt, der Geist des Vaters in ihn fährt. Es sind die Anforderungen des Vaters, mit denen Hamlet zu kämpfen hat.“ Sein Urteil ist klar: „Hochspannend gemacht, ungewöhnlich und ganz anders. Mit tollen Schauspielern und absolut sehenswert.“
Aber unter dieser Prämisse ist das Werk im diesjährigen Festival nicht allein im Rennen. „Zwei Herren aus Verona“, eine Produktion vom Berliner Ensemble zusammen mit der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, ist sicher ein weiteres Highlight. Claus Peymann bat um die Inszenierung, die Veit Schubert, Professor der Hochschule, dann umsetzte und zur glänzenden Premiere führte. Das Resultat: ausverkaufte Vorstellungen und begeistertes Publikum, das die Ästhetik und die Leichtigkeit der Inszenierung mit viel Beifall auszeichnete.

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Woody Allen auf Shakespeares Spuren
„Wie man aus dem Sommernachtstraum eine Sex-Kömodie machen kann, das war ein Skandal in den 80ern. Aus heutiger Sicht ist alles halb so wild“, so Dr. Wiertz. Aber ein Hingucker ist Woody Allens „Eine Mittsommernachts-Sex-Komödie“ immer noch. Das Theater Poetenpack aus Potsdam bringt sie am 11. und 12. Juni auf die Bühne. Mal nicht Shakespeare direkt, sondern „Shakespeare and beyond“, eine Reihe im diesjährigen Festival, die auch andere Autoren zur Aufführung kommen lässt. Auch das ist unterhaltsam. „Wer liebt wen? Wie lange hält die Liebe?“ – Und: „Kann man Liebe von Sex trennen?“ Viele Fragen, die es in dieser Bühnenfassung des Films zu erläutern gilt.
„Träumerisch und märchenhaft inszeniert“ geht es dann im „Wintermärchen!“ zu, das die Shakespeare Company Berlin teils mit lebensnahen Puppen am 15. Juni darbietet. Eine NRW-Premiere bringt die Bremer Shakespeare Company mit „Maria Stuart“ am 21. Juni ins Globe. Wieder kein Shakespeare, diesmal aber kein Geringerer als Friedrich Schiller. Das passt gut ins Festival, denn schließlich war die Titelheldin die größte Kontrahentin von Shakespeares Förderin Elisabeth I. 18 Jahre ließ Elisabeth ihre katholische Nichte einsperren, bevor sie diese töten ließ. Auf der Bühne begegnen sie sich nun. Ein interessantes Werk – und obendrein ein Meisterwerk der deutschen Literatur.

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Kleiner Filmgenuss vor jeder Veranstaltung
So kann man noch viele Leckerbissen finden: Einen „Julius Caesar“ von der hier bereits bekannten und gefeierten Regisseurin Polina Kalinina. Ein Shakespeare-Konzert „to touch – to kiss – do die” mit Countertenor Valer Sabadus, von dem die künstlerische Festivalleitung schwärmt: „Eine super Combo, die die Vanitas-Idee zur Zeit Shakespeares aufgreift: ‚Du bist wie eine Rose und am nächsten Tag ist es vorbei‘.“ Oder „Henry VIII“ von Bea von Malchus, die auf vielfachen Wunsch nach sechs Jahren mit diesem Programm noch einmal auf dem Shakespeare-Festival zu sehen ist. Auch Patrick Spottiswoode ist in diesem Jahr – nach einjähriger Pause – mit seiner Lecture „Shakespeare an the Globe“ wieder dabei. Und auch für die Kleinsten unter den Zuschauern gibt es 2016 etwas zu entdecken. Als Auftragsproduktion kommt „Der Sturm oder die Insel der zauberhaften Wesen“ vom Seifenblasen-Figurentheater für Kinder ab 6 Jahren in die Wetthalle am Globe.
Zu Gast beim diesjährigen Festival ist zudem eine kleine Filmreihe, die das Globe London zum 400. Todestag von William Shakespeare produziert: „THE COMPLETE WALK“ – 37 Kurzfilme, die an Originalschauplätzen von Shakespeares Werken gedreht und später in speziell hierfür installierten Stelen an der Londoner South Bank gezeigt werden. Und vor jeder Veranstaltung im Neusser Globe! Sehr avantgardistisch. Das passt perfekt zur diesjährigen Idee, auch zu betrachten, wie Shakespeare auf andere Autoren und Medien wirkt. „Shakespeare and beyond“, wir warten ungeduldig, dass es endlich losgeht.
(Infos zum Programm und zu Karten unter
www.shakespeare-festival.de)