Willkommen im Café International

7. April 2016 | Von | Kategorie: Neusser Leben

Seit März ist Dienstags das VHS Café im Romaneum der Hot-Spot der Integration und Information. Dort begleiten dienstags zwischen 16 und 18 Uhr die Neusser Integrationslotsen Menschen „gleich welcher Herkunft, welchen Alters und Geschlechts“ (so Bouchra El Maazi) in den Hafen unseres heimatlichen Alltags.

Die Initiatorin des Cafés Bouchra El Maazi wurde als Kind Marokkanischer Einwanderer in Deutschland geboren. Beruflich ist sie Integrations-Beraterin für alle Frauen in allen Lebenslagen und besonders für Migrantinnen. Sie blickt aus der Sichtweise verschiedener Kulturen auf unsere Probleme. Da Beruf und Berufung eins sind, kann sie derzeit gut damit leben, dass in der „überraschenden“ Flüchtlingssituation jede Menge Ehrenamt gefragt ist. Für die parteilose Kämpferin ist politische Aufklärung (auch die Aufklärung von PolitikerInnen!) ebenso wichtig wie die vielen kleinen Erfolge vor Ort: „Es macht mich glücklich, Menschen glücklich zu machen. Das dürfen sie zitieren. Auch wenn es kitschig wirken sollte.“ Das ist die Antriebsfeder der Helfer, die derzeit mit aller Kraft und Empathie unsere Gesellschaft zusammen halten. Die Migrationslotsen, die Menschen aus anderen Kulturen in unsere Gemeinschaft führen, gehören dazu. Bouchra El Maazi, die sich 2010 den Neusser Lotsen anschließt, wird im Oktober 2012 zu deren Sprecherin gewählt. Seitdem berichtet sie (ohne Stimmrecht) im Integrationsrat der Stadt Neuss. In Kaarst, wo nach Landesgesetz die geringe Zahl von Migranten einen Integrationsrat nicht zwingend erforderlich macht, hat sie so lange dafür geworben, bis dieser von der Politik erwünscht war. Dort hat sie im Integrationsrat den Vorsitz. Die derzeit 45-köpfige Neusser Lotsencrew ist sprach- und herkunftmäßig so breit aufgestellt, dass sie eigentlich jedem helfen kann, egal aus welchen Winkel der Welt ihn die Flucht nach Neuss gebracht hat. Vor der Eröffnung des Café International lief der Kontakt zwischen Integrationshelfern und Migranten in der Regel über das engagierte Städtische Integrationsbüro unter Uwe Manke und seinem Team. Jetzt gibt es eine „behördenfreie“ Alternative. Ein Ort, an dem man sich konkret oder unkonkret und ohne Hürden annähern kann. Diese Idee der permanenten Begegnungsstätte verfolgte El Maazi zwei Jahre lang.

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Das Café International verdanken wir Bouchra El Maazi, Rita Süssmuth und VHS-Chef Gerhard Herde
Der einstige Vize-Bürgermeister Thomas Nickel überzeugte Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D., die Initiative mit einer Spende in Höhe von 10.000 Euro zu unterstützen, während Bouchra El Maazi den VHS-Chef Gerhard Herde ins Boot holte. Der sieht in dem Projekt eine sinnvolle Ergänzung der Integrationsleistung seines Institutes, wo allein im letzten Jahr weit über tausend Menschen entsprechende Integrationskurse und Seminare besuchten.
Am Eröffnungsabend wurde es nach Ansprachen in Deutsch und Arabisch noch vielsprachiger, bunter und fröhlicher, dank der vielen Lotsen. Der zweite Dienstag war dann nicht nur gut besucht, sondern auf andere Art lebendig. Wenn man weiß, dass im Café des Romaneums sowieso Musikschüler auf Fernstudenten und VHS-Besucher treffen, ist das gemischt mit Migranten und Lotsen ein besonders offenes Publikum. Da musste Bouchra El Maazi folgende Chance nutzen: „Ein Großelternpaar spielte mit ihrem Enkel und hielt etwas Distanz zu uns. Ich ging auf sie zu und erklärte ihnen, das sie auch gerne zu uns stoßen könnten. Sie sagten, ‚nein lieber nicht. Das ist doch eigentlich ein Integrationscafé und dann doch eher eine geschlossene Gesellschaft.‘ ‚Nein, erklärte ich ihnen, es ist offen für jeden und eine Bereicherung für alle.‘“ Um die Geschichte abzukürzen, das Kind und die Großeltern wurden „integriert“. In ihrem Alltag ist die parteipolitisch neutrale Bouchra El Maazi oft im Landtag als Expertin unterwegs. Sie klärt auf und benennt Defizite mit ihrem Blick aus verschiedenen Kulturen. „Problemen vorbeugen ist wie Karies vorbeugen“, sagt sie. Eigentlich sei das ganz einfach. Aber um Prävention geht es in der Politik, wo man sich von Wahl zu Wahl hangelt, viel zu wenig. Es herrscht eine gewisse politische Kurzsicht. Ich frage sie, ob sich die mit Zustimmung fast aller Parteien propagierte Hackordnung, (seit Silvester stehen die Nordafrikaner, zuvor Albaner und Serbische Roma ganz unten und Syrer ganz oben auf der Gästeliste), auf ihre Integrationsarbeit auswirkt. „Das spürt man in der Arbeit sehr genau. Wir haben mehrere Klassen in den Unterkünften, unter denen Unmut, Neid und Aggression wächst. Oben sind die mit einer Bleibeperspektive. Deren Alltag ist strukturiert. Die stehen morgens motiviert auf und orientieren sich, das sehe ich jeden Tag,“ so El Maazi. Die halbwegs optimistischen Flüchtlinge hoffen, ihr Bleiben irgendwie hinzubekommen. Diese sind für die Helfer wenigstens noch erreichbar. Die Perspektivlosen aber schlagen sich einfach durch, egal wie. Trotzdem, auch solche Probleme schmälern Bouchra El Maazis Empathie keinesfalls. Die vielen kleinen Erfolge vor Ort sind ihr Motivation genug, ihren Weg weiter zu gehen.
Schauen sie mal rein, dienstags nach vier. Ziehen Sie sich am Automaten einen Kaffee, erfreuen Sie sich an den Ausgrabungen im Foyer, an dem bunten Völkchen im Café und empfehlen Sie es weiter.