6-Tage-Rennen oder Abschleppen mit Kleidung

21. Juni 2014 | Von | Kategorie: Neusser Leben

Autoritätsperson, die lauthals Schwimmbadverweise durch die Gegend brüllt mit elf Buchstaben: Bademeister. Das war vielleicht einst so. Heute ist der Beruf „Fachangestellter für Bäderbetriebe“ vielseitig, erlebnisreich, cool. Meistens jedenfalls.

Donnerstagmorgen, 7 Uhr, südbad. Ich bin verabredet mit Fachausbilderin Marita Lenkeit und ihren Schützlingen Melvin Spicker, André Ferber und Kristian Schunk, alle bereits im 2. Lehrjahr ihrer Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe. Nächstes Jahr machen sie ihren Abschluss und dann freut man sich bei den Stadtwerken Neuss (swn), dass die Nachfolger für die Ausbildungs-Startblöcke bereits feststehen. Um diese passend zu besetzen, läuft die Bewerbungsphase in diesem Jahr erstmals mit einem „CHECK IN Day“ an. Am 26.6., von 14 bis 16 Uhr, gewährt das südbad Schülerinnen und Schülern der Klassen 8 bis 12, die an einer Ausbildung zur/m Fachangestellten für Bäderbetriebe interessiert sind, Blicke hinter die Kulissen. Im Schwimmbad sei kein Tag wie der andere, heißt es dazu auf der Homepage des „CHECK IN Day“. Ich will es genauer wissen. Was heißt das, was passiert bei dieser Ausbildung? Kurz nach meinem Eintreffen am südbad geht es schon los.

Tieftaucher und Warmschwimmer

Kommen Sie rein, Frau Lenkeit und die anderen sind hinten am Sprungbecken“, lässt mich die freundliche südbad-Mitarbeiterin vor der offiziellen Öffnungszeit ein. Noch während ich mich bedanke, kommt Marita Lenkeit um die Ecke. „Guten Morgen, wir haben ein kleines Problem. Ziehen sie sich ruhig schon mal um. Die Jungs tauchen draußen, die Begrenzungsstangen sind ins Becken geworfen worden, die müssen da wieder raus“, begrüßt sie mich und verschwindet mit den Worten, „ziehen sie sich ruhig schon mal um, wir treffen uns dann drinnen“, wieder hinter der Tür zur Halle. Da will ich natürlich dabei sein. Schnell schlüpfe ich in meine David-Hasselhoff-Baywatch-Gedächtnis-Shorts und begebe mich nach draußen. Doch der Spuk der vergangenen Nacht ist bereits behoben. Die Beckenbegrenzung steht, als wäre nichts geschehen. „In Ordnung, dann geht rein und schwimmt Euch 400 Meter warm“, schickt Marita Lenkeit Schunk, Spicker und Ferber ins Hallenbad. Sechzehn Bahnen zum Warmschwimmen, nachdem man Begrenzungsstangen aus 5 Meter Tiefe geholt hat? Na dann: guten Morgen.

Im Anzug durch das Wasser

Normalerweise würden sich die Azubis vor dem Eintreffen der ersten Badegäste um acht Uhr mit der Reinigung des Bads beschäftigen. Einmal in der Woche aber, so wie heute, vertreten sie dabei ihre Kollegen. So bleibt genügend Zeit für das notwendige Training. Denn als Fachangestellte für Bäderbetriebe müssen die Azubis nicht nur mehrmals in der Woche Schwimmkurse oder Aqua-Power-Kurse geben, nicht nur dreimal täglich die Wasserqualität überprüfen und im Bedarfsfall regulieren, nicht nur für die Aufgüsse in der Textilsauna sorgen und sich natürlich um die Sauberkeit kümmern, nein. Sie müssen vor allem eines sein: fit! Die Rettung eines Verletzten aus dem Wasser wäre sonst nicht möglich. „Am Anfang konnte ich so gut wie gar nichts“, erinnert sich André Ferber an seine Schwimmkünste, „ich hab ungefähr drei Monate gebraucht bis ich 300 Meter in Kleidern schwimmen konnte.“ Jetzt schwimmt jeder aus dem Trio in dem rund 15 Kilo wasserschweren Leinenanzug die Distanz in rund fünf Minuten. Allen vorweg Kristian Schunk. Das ehemalige Schwimmverein-Mitglied schafft zwei Bahnen in einer Zeit von gut 1.20 Minuten – Anzug tragend und einen Verletzten transportierend, versteht sich.

Auf zum Selbstversuch

Ich schnappe mir einen Leinenanzug und mache den Selbsttest. Das Sportbecken wird – zu meinem Glück – mittlerweile von einer Schulklasse genutzt. Also weichen wir auf das Sprungbecken der Halle aus. Im Schatten des 5-Meter-Turms sind die Bahnen nur zwölfeinhalb Meter lang. „Viermal hin und zurück“, gibt mir Marita Lenkeit Order. „Aber kraulen!“ Ja, klar kraulen, was denn sonst?, denke ich wohl zu laut. „Kraulen ist schwerer, weil man mit dem Anzug die Arme nicht richtig aus dem Wasser kriegt“, höre ich vom Beckenrand. Die Jungs gucken zu – keine Chance auf Rückzug. Kaum im Wasser, wird der Anzug schwer. Mist. Ich gebe Gas und komme aus dem Rhythmus, schlucke Wasser, ziehe aber durch, der Anzug bremst, wieder ein ordentlicher Schluck – verdammt, zieh durch! – und schlage an. Hustend habe ich mir nach vier Bahnen ein „Respekt“ von Marita Lenkeit erkämpft und die Häme von Azubi-Seite beschränkt sich netterweise auf ein „mann, das machen wir doppelt so lange“. „Ich bin ja auch doppelt so alt“, entgegne ich und bin mit mir – zumindest bis hierhin – ganz zufrieden. Bei der nächsten Übung ist das schon wieder passé. Immer noch den Leinenanzug tragend, darf ich Melvin Spicker „retten“. Nur gut, dass es eine Übung ist. Ich fasse rückenschwimmend unter seine Achseln und kann so sein Gesicht über Wasser halten. Nur: ich komme keinen Meter vorwärts. Null. Ich kämpfe eine unfassbare Ewigkeit von vielleicht 30 Sekunden. Dann bin ich platt und greife an den Rand. Geht gar nicht. Aber es wäre wohl auch vermessen gewesen, zu glauben, das aus dem Stehgreif zu schaffen. Die nächste Aufgabe, einen fünf Kilo schweren Ring zu ertauchen, schaffe ich noch, dann darf ich den Anzug ausziehen. Endlich. Ich pumpe. Ein Schmankerl gibt es aber noch: ein so genanntes „6-Tage-Rennen“, was aus Rücksicht auf mich – und weil die Jungs die volle Distanz an diesem Tag bereits zurückgelegt haben – zu einem „4-Tage-Rennen“ verkürzt wird. Heißt: Quer durch das Sprungbecken im Sprint kraulen, hin und zurück. Aus dem Wasser, fünf Liegestütze. Wenn der Vorschwimmer anschlägt, das Gleiche von vorne. Ein sehr gutes Training. Zum Glück habe ich nichts gefrühstückt und kann im Anschluss die kleinen tanzenden Punkte vor meinen Augen furchtlos gewähren lassen. Kein Wunder, dass Kristian Schunk seit Beginn seiner Ausbildung 40 Kilo abgenommen hat. „Ich hab damals aber auch meine Nahrung umgestellt“, so der Waschbrettbauch-Träger. Aha, na dann. Wenn ich vier Zentner abnehmen würde, wäre ich nicht mehr da. Das nur mal am Beckenrand. „Das Schwimmen ist anstrengend, ja, aber es ist auch kein Problem, wenn man regelmäßig trainiert.“

Das sollte man mitbringen

Der Beruf ist sehr vielseitig und es ist wirklich kein Tag wie der andere. Man hat viel mit Menschen zu tun, übernimmt Verantwortung für die Badegäste und man kann sich sportlich betätigen“, fasst Melvin Spicker die Vorteile seiner Ausbildung zusammen. Die Bezahlung stimme auch. Gibt es etwas, dass nicht so cool an dem Job ist? „Na ja, das mit dem Schichtdienst ist manchmal uncool. Wenn man Samstagabend arbeiten muss und eigentlich, wie andere auch, feiern gehen will. Aber sonst ist das echt gut hier“, ist André Ferber zufrieden. Und was muss man mitbringen, wenn man eine Ausbildung zur/m Fachangestellten für Bädertechnik machen will? „Ein guter Hauptschulabschluss ist Voraussetzung. Schlechte Noten sind nicht gut, aber kein grundsätzliches Ablehnungskriterium. Wir gucken nicht auf Bestnoten. Wer kontaktfreudig, sportlich und verlässlich ist, kann sich gerne bewerben“, fasst Marita Lenkeit, Mitglied des Prüfungsausschusses für Fachangestellte für Bäderbetriebe NRW, zusammen und ergänzt: „Pünktlichkeit ist sehr wichtig, davon hängt der Betrieb und der Feierabend der Kollegen ab. Pünktlich sollte man auf jeden Fall sein.“

Ein gutes Stichwort. Pünktlich sollten sich Interessierte zum CHECK IN Day am 26.6., von 14 bis 16 Uhr, im südbad einfinden. Dort kann man die Vielseitigkeit des Berufs selbst erleben. Weitere Informationen dazu finden sich im Internet unter www.checkin-berufswelt.de: hier erst auf das Datum und dann auf „Neusser Bäder und Eissporthalle GmbH“ klicken.