Spannende Jugendarbeit im Greyhound Connect

20. Juni 2014 | Von | Kategorie: Neusser Leben

Wie sieht die Landschaft der klassischen Jugendzentren zukünftig aus?

Nach Jahren des Leerstandes ist plötzlich Leben im ehemaligen Eiscafé an der Eichendorffstraße, am Nahverkehrs-Knotenpunkt Neuss Süd. Täglich kommt hier ein Großteil der rund 4.000 Schüler vorbei und wird nun mit einem sinnvollen Angebot – chillige Sofaecke, freies WLAN, Snacks und Getränke zum Taschengeldpreis, Platz zum Arbeiten und Spielen und sogar einer kompletten Küche – zum Verweilen verführt. Doch es wird vor Ort auch der Bedarf an Jugendarbeit ermittelt und dokumentiert. Auf dem Papier klingt das leicht nach Versuchslabor, einem Ort, wo die Besucher das Versuchskaninchen geben. Aber in der Praxis ist das Beobachten wie das Anbieten von Hilfestellung von je her Bestandteil von Jugendarbeit. Hier gibt es keine Doppelspiegel und keine Überwachungskameras. Aber Dialog ist erwünscht.

Um über das Was, Warum und Wie aufzuklären, hat man am Vortag der Eröffnung (welche eigentlich schon fließend während und durch die Renovierung stattgefunden hatte) die lokale Presse geladen. Eingangs stellt Jugenddezernent Stefan Hahn klar, dass die Frage, wie viele Jugendeinrichtungen es in der Innenstadt bei rückläufigen Besucherzahlen zukünftig geben wird weder beantwortet ist, noch kurzfristig zur Debatte stehen würde. Seiner Ansicht nach „ist die Zahl der Jugendeinrichtungen in der Innenstadt klar“, womit das Greyhound wie das Haus der Jugend weiterhin ihren Beitrag zu einer zeitgemäßen Jugendarbeit leisten werden. Nur sei die Standortfrage bis zu dem Einfließen der Resultate der Bedarfsanalyse ergebnisoffen. Wichtig auch: „Das Greyhound Connect ist und wird keine vollwertige Jugendeinrichtung.“ Der Mietvertrag für die Einrichtung im Bistrostil ist befristet. Sollten die Ergebnisse der Analyse einen anderen Standort für das Greyhound Pier 1 statt bisher an der Batteriestraße nahelegen, wird man dieses Ziel verfolgen. Festzustellen ist jedoch schon jetzt: Es gehört Mut und positives Denken dazu, sich der Sinnfrage zur Jugendarbeit offen zu stellen, diese zu erforschen und zu dokumentieren.

Pionierarbeit für die städtische Jugendarbeit

Greyhound Chef Joachim Wittkowski und sein Team wirken in dieser Presseveranstaltung nicht wie jemand, dem man die Pistole auf die Brust setzt, ganz im Gegenteil, sie sind stolz, die zusätzlichen Belastungen der letzten und folgenden Monate auf sich genommen zu haben. Sie leisten hier schon so etwas wie Pionierarbeit „für alle Jugendeinrichtungen der Stadt“, wie Jugendamtsleiter Markus Hübner unterstreicht. Wie sieht die Landschaft einer zeitgemäßen Jugendarbeit aus? Dem wird man auf dem Grund gehen. Was es heißt anno 2014 Schüler zu sein, das können nur wenige von uns Erwachsenen nachvollziehen. Die standardisierte Ganztagsschule nimmt die jungen Menschen vollzeit in Beschlag. Joachim Wittkowski, selbst Vater: „Die Kinder sind nach elf Stunden Schule ausgelaugt, leer,“ da können pädagogische Leckereien aus dem letzten Jahrtausend nicht mehr greifen. Jetzt wollen und werden sich Wittkowski und sein Team den neuen Herausforderungen stellen. Das Connect ist aber auch im klassischen Sinne eine Brücke zum Greyhound Pier 1, denn im Smartphone Zeitalter weiß man zwar was in Los Angeles los ist, nicht aber was an der Batteriestraße geboten wird. Im Connect hat man ein offenes Ohr für Anregungen. Hier kann sich der Jugendliche „auskotzen“ oder „einbringen“. Alles offen, ergebnisoffen, wie gesagt. Gibt es einen Bedarf an kostenloser Hausaufgabenbetreuung? Muss Stress geschlichtet werden? Wer will kochen, malen, basteln? Das ist die spannende Dialogebene für Jugendliche zwischen etwa 11 und 18 Jahren. Dass da altersgemäß Welten zwischen den Bedürfnissen liegen, dürfte für uns klar sein. Für die erfahrenen Mitarbeiter ist es Alltag.

Nicht ganz alltagstaugliche Fragebögen

Verlassen wir die Praxis-Ebene, die wichtig für Anregungen und Beobachtung ist. Umfassend ist die empirische Ebene. Hier werden tausende Fragebögen unter die Leute gebracht. Man befragt getrennt 11- bis 13-jährige, die älteren Schüler aber auch Lehrer und Eltern. Die Mitarbeit der Schulen hat man sich bereits gesichert, was nach Blick auf den Fragebogen auch notwendig ist. Da muss auf elf Seiten angekreuzt und ausgefüllt werden, ein Prozedere, welches man heute nicht mal mehr einem Fahrschüler zumutet. Das ist etwas, was man nur noch aus der reglementierenden Welt der Bürokratie kennt. Die Aufmerksamkeitsspanne eines Jugendlichen ist hier mit Bravour überreizt. Wie die anderen Fragebögen aussehen, weiß ich zwar nicht, aber ich kann mir bei einer Freiwilligkeit ziemlich genau vorstellen, wer aus der Elternschaft da mitmacht. Und vor allem, welche nicht. Also empirisch? Na ja. Online soll man ebenfalls mitmachen können. Entsprechendes habe ich beim Googeln (Stand Mitte Mai) nicht gefunden. Ganz schön knapp, wenn man weiß, dass nur bis zum Herbst Fakten und Daten gesammelt, ausgewertet und dokumentiert werden. Das Timing sei der ersten Jugendausschusssitzung nach der Kommunalwahl geschuldet, erfahre ich auf meinen Einwurf vom Jugenddezernenten Stefan Hahn. Dort möchte die Verwaltung einen Entwurf zur Jugendarbeit vorlegen.

Halten wir also fest: Bis zu den Sommerferien müssen genügend brauchbare Daten und Ideen gesammelt sein. Dann hat man in der Ferien-Geisterstadt Neuss hoffentlich Zeit, um der Jugendarbeits-Agenda 2040 genügend Futter zu geben um ihr Dasein zu berechtigen. Eltern, Lehrer, Schüler: Ihr solltet mitmachen!

Jugendarbeiter: ToiToiToi!