Im Labyrinth des Lebens auf eigene Flügel bauen

22. Mai 2014 | Von | Kategorie: Neusser Kultur, Neusser Leben

TAS-Theaterprojekt „Ikarus – hoch hinaus“ mit Schülern der Gesamtschule An der Erft

Wer zu hoch hinaus will, kann tief fallen, oder gar am Boden zerschellen. Wie Ikarus. Übermut war sein Verderben. Doch sich probieren, träumen, Grenzen ausloten, gehört zur Jugend. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Oder doch? In einem gemeinsamen Theaterprojekt spürten Schüler der Gesamtschule An der Erft und Schauspieler des Theaters am Schlachthof den Gefahren und Möglichkeiten der Lebenswegsuche nach. Entstanden ist ein einfallsreiches, humorvolles Episodenstück, das im TAS zu sehen ist.

Dädalus und sein Sohn Ikarus wurden von König Minos im Labyrinth des Minotauros auf Kreta gefangen gehalten. Eine Flucht über Land oder See war undenkbar, da Minos beides kontrollierte. So erfand Dädalus Flügel aus Federn, die mit Wachs an einem Gestänge befestigt waren, um zu entkommen. Vor dem Start, als er diese sich und seinem Sohn anspannte, schärfte er Ikarus ein, nicht zu hoch und nicht zu tief zu fliegen. Die Hitze der Sonne oder die Feuchte des Meeres, erklärte er ihm, würden zum Absturz führen. Ikarus hörte zu, verstand und flog los. Zuerst ging alles gut. Die Flügel trugen ihn. Doch dann erlag Ikarus mehr und mehr dem Rausch des Fliegens. Er wurde übermütig und steuerte dem Himmel entgegen. Er stieg so hoch hinauf, dass die Sonne das Wachs seiner Flügel schmolz. Die Federn lösten sich und er stürzte ins Meer. Und starb.

Getrieben von quälenden Zukunftsfragen

So der traurige Mythos von Ikarus. Spaß und Ausgelassenheit führten in Leichtsinn und Tollkühnheit – und schließlich in den Absturz und in den Tod. Ein Bild, das die Kunst durchzieht. Ein Thema, das das TAS-Theaterprojekt nun in frischer Jugendsprache aufgreift. In gemeinsamer Schreib- und Bühnenarbeit entwickelten Schüler der Theater AG und professionelle Schauspieler eine lebendige Darbietung aus Musik, Video und Schauspiel, in der sie auch zusammen auf der Bühne stehen. Ausgangspunkt ist das Labyrinth des Lebens. Das durchlaufen sie kreuz und quer und suchen nach Antworten auf quälende Fragen: oben oder unten, Ausbildung oder Abitur, laut oder leise? Wo ist der Ausweg? Dazu gibt es Episoden des Lebens, im Chor, in Elterngesprächen und Begegnungen mit anderen Jugendlichen. Mit vielen witzigen Ideen spüren sie dem Aufstieg und den Fall des Ikarus nach. So gibt es eine Lebenszielversteigerung begehrter Berufe: Wer will Popstar werden, Kapitän oder Yachtdesigner, der lege hier gut was in die Waagschale, seine Freizeit oder seine Freunde. Und „zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten“, der Meistbietende siegt. Es ist der, der seine Seele dafür opfert. Denn der Ruf aus dem Labyrinth schallt durch den Raum: „Ich will hier raus!“ Und der jugendliche Leichtsinn ergänzt: egal wie.

Obendrauf gibt es eine lukrative Werbeshow: „Wir möchten Ihnen heute verschiedene Flügel vorstellen.“ Und schon fliegt der Ikarus über die Bühne, getragen von den anderen, die noch auf dem Boden stehen. Drei hatten „Glück“, denn sie haben für ihre Ziele hoch geboten. Doch werden die Versuchungen immer größer und der Blick in den Himmel immer schwärmender. Und zack ist er weg, der Traum vom Fliegen. Alle stehen wieder auf eigenen Füßen und ihre Lebenskarte ist weiß und nicht ausgefüllt. Was bleibt ist die Einsicht, dass man sie selbst gestaltet, die Karte seiner Zukunft. Fremde Flügel schmücken nicht. „Du kannst es selbst“, heißt es am Schluss. „Bitte flieg nicht zu hoch“, singen sie zusammen.

Viel Elan und tolle Leistung

Mit viel Elan und Begeisterung setzen sich die bunten Szenen um jugendliches Sehnen und Sich-Ausprobieren, um Konkurrenz, Selbstüberschätzung und Enttäuschung zusammen und bauen sich zu einer Geschichte vom Zu-Hoch-Hinausstreben bis zum Scheitern. Entstanden ist das Ikarus-Projekt aus der bereits seit zwei Jahren bestehenden Kooperation zwischen der Gesamtschule An der Erft und dem Theater am Schlachthof. Seit November 2013 arbeiten die Schüler und Schülerinnen der achten bis zehnten Klasse der Theater AG mit Unterstützung der Theaterpädagogen Sarah Binias, Jens Spörckmann und Dennis Palmen an der Realisation. Viele Wochenenden haben sie geopfert bis zur Premiere am 26.4.; auch ihre Osterferien, in denen sie täglich von 11 bis 16 Uhr probten. Bühnenbild, Songs und Szenen, alles entstammt ihren Ideen. Profi Fabian Schulz half den Jugendlichen bei der musikalischen und videotechnischen Realisation. Und was sich nun zeigt, kann sich sehen lassen, ein einnehmend interessantes Zusammenspiel von Schauspielern und Laien. Franka von Werden, Lars Evers und Jens Spörckmann vom TAS-Ensemble wissen als Mentoren und Ankerpunkte gegen Lampenfieber die mit toller Leistung agierenden Schüler abzuholen und sie in ein lebendiges, unterhaltsames Spiel zu ziehen. Sehenswert! Hingehen lohnt sich, am 3. Mai um 20 Uhr ist es noch einmal zu sehen.