Die Büttgener BraunsMühle als Tatort „Mühlenschweigen“ – Ein Niederrhein-Krimi, der unter die Haut geht

29. November 2013 | Von | Kategorie: Neusser Kultur

Wer für die beschauliche Weihnachts- und Winterzeit noch etwas Nervenkitzel, Spannung und zugleich Anstoß zum Nachdenken braucht, der liegt mit diesem Krimi aus dem Emons-Verlag richtig. „Mühlenschweigen“ ist bereits das zweite packende Werk der Kaarster Autorin Christiane Wünsche. Es spielt in der Gegend von Kaarst-Büttgen: Ein 12-jähriger Junge wird an einem nebligen Novembermorgen ermordet aufgefunden, und bald schon wird klar, dass in diesem Fall nichts so ist wie es zunächst scheint.

Kalli Schmittke zog die Gummistiefel aus. Die Schwere des Morgens machte ihm zu schaffen. Wie eigentlich jeden Tag. Aber heute war alles noch schlimmer. Er hatte Schneewitchen gesehen, tot. Das verwirrte und ängstigte ihn.“

Der alte Kalli Schmittke ist ein verurteilter Triebtäter und Kindermörder, der aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurde. Da ist es für die geschockte Kaarster Bevölkerung natürlich ganz schnell klar, wer den kleinen Jungen auf dem Gewissen haben muss. Doch nicht nur die Polizei, auch die Apothekerin und Hobbymalerin Ella hat früh Zweifel an dieser einfachen „Wahrheit“. Ella, eine alleinstehende Mitvierzigerin, will unbedingt mehr über den Jungen Danil erfahren, dessen Leiche sie an der BraunsMühle gefunden hat und wird dann tiefer in die Geschichte hineingezogen als ihr lieb ist. Sie wird unversehens verstrickt in einen komplizierten Fall um Jugendgewalt, Mobbing, Missbrauch, Erpressung, Mord und Verzweiflung. Sie muss bitter erkennen, dass Opfer auch Täter sein können und Täter ebenso Opfer.

Im Zwiespalt

Schon in „Bleischwer“ hat es Autorin Christiane Wünsche ihren Lesern nicht leicht gemacht, die einfache Einteilung der Figuren in Gut und Böse war nicht möglich. So ist es auch in „Mühlenschweigen“. Man ist voller Mitleid für den ermordeten Danil und sein Schicksal, aber entsetzt über das, was man noch über ihn erfährt. Man verabscheut den Kinderschänder Schmittke und hat dann doch – geradezu gegen den eigenen Willen – Mitleid mit ihm. Schwarz-Weiß-Malerei liegt Wünsche offenbar nicht, und das macht ihren Krimi so gut. Stattdessen setzt sie auf vielschichtige Charaktere mit psychologischer Tiefe, die positiv wie negativ überzeugen. Nicht umsonst war der Arbeitstitel ihres zweiten Romans „Wo Risse klaffen“ – keine ihrer Figuren ist heil, jede hat Brüche in ihrem Leben, trägt „Risse“ wie offene Wunden in sich. Das gilt auch für Ella, die unter einer unerfüllten Liebe leidet und dabei ist, ihr Leben neu zu ordnen: „Mir war wichtig, jemanden ins Zentrum zu setzen, der auch nicht ohne Verletzungen ist“, erklärt die Autorin. Die weibliche Hauptfigur entspricht zudem ihrer eigenen Perspektive am ehesten. Aber besonders am Herzen liegt ihr der ermordete Danil: „Weil er genau diese Zwiespältigkeit vereint. Auf der einen Seite ist er ein Kind, das keine Chance hat aufzuwachsen, auf der anderen Seite wird er selber zum Täter. Er ist jemand, um den man sich Sorgen machen muss.“ Die Sorge um Kinder oder Jugendliche, die es schwer im Leben haben und an einem gewissen Punkt abzurutschen drohen, kennt die Mutter einer fast erwachsenen Tochter auch von ihrer Arbeit als Sozialarbeiterin. Insofern konnte sie sich die Hilflosigkeit und Überforderung der Erwachsenen in ihrer Geschichte gut ausmalen. „Die Probleme mit Jugendgewalt und Mobbing sind ja ein ganz aktuelles Thema in der Gesellschaft.“ So gelingt ihr ein düsteres, ja verstörendes Szenario, das einen nicht kalt lassen kann. Die Intensität der Geschichte wird noch dadurch verstärkt, das Wünsche nicht nur aus der Perspektive von Hauptfigur Ella erzählt, sondern immer wieder auch aus dem Blickwinkel von Kalli Schmittke und von Paul, dem besten Freund des Mordopfers. Mit dem Perspektivwechsel schlüpft sie zugleich sprachlich in die Rolle ihrer jeweiligen Figur, wechselt von der vertrauten Ausdrucksweise Ellas in die einfache, unverstellte Sprache von Schmittke und in den manchmal „krassen“ Jugendjargon. „Es macht mehr Spaß in mehreren Perspektiven zu denken, zu handeln und zu sprechen“, findet die Autorin. „Das gibt dem Ganzen mehr Tiefe, man nimmt den Leser mehr mit.“

Die BraunsMühle hält Christiane Wünsche übrigens für einen sehr schönen Ort, an dem ihres Wissens noch nie ein Verbrechen geschehen ist. Aber als sie vor Jahren die Gelegenheit zu einer privaten Führung bis in die Spitze der Mühle hatte, war das ein ganz besonderer Moment für sie: „Die Mühle ist wirklich sehr hoch, das denkt man erst mal gar nicht und man kann unglaublich weit gucken. Die Stimmung dort hat mich so beindruckt. In dem Moment war die Idee geboren, hier einen Krimi spielen zu lassen.“ Mehr über die Autorin erfahren Sie in unserem „Jahresrückblick 2013“, der ab dem 18.12. in vielen Auslagestellen erhältlich ist. Und auf ihrer neuen Homepage www.christiane-wuensche.de. Am 15.12. liest sie um 15 Uhr im Stern-Verlag Düsseldorf, Friedrichstraße 24-26, aus ihrem Krimi.

Lust auf „Mühlenschweigen“? Der Neusser verlost fünf Exemplare. Schicken Sie eine E-Mail mit dem Stichwort „Niederrhein-Krimi“ bis zum 10. Dezember an glueck@derneusser.de.