„Affären mit Schmidt“ von Markus Andrae im Theater am Schlachthof – Rosenkrieg statt rosiger Aussichten

2. November 2013 | Von | Kategorie: Neusser Kultur

20 Jahre Ehe, das Leben läuft, ist eingespielt. Die Tochter ist groß, außer Haus, hat Mann und Kind. Er verdient gut als Bauunternehmer, sie lebt blendend davon, wenngleich ihr Alltag etwas eintönig und gänzlich aufregungslos ist. Arbeiten muss sie nicht – will sie auch gar nicht. Er tut es umso mehr. Eine eingeschliffene Partnerschaft, die einst Liebenden zu Funktionsgenossen verkommen. Sehnsucht, Empathie oder Feingefühl sind Fremdwörter geworden. Jeder sucht nach Abwechslung. Der eine durch Affären, die andere durch Shopping-Exzesse. Aber auf Dauer geht es nicht gut. Die neue Komödie vom künstlerischen Leiter des TAS, Markus Andrae, ist ein heiteres Stück über gut eingepflegte Eheroutine, die zwar Mann und Frau auf Samt bettet, aber deren Herzen veröden lässt.

Jenseits der 40 hat man es geschafft. Die Karriere ist im vollen Gange. Ein schönes Haus im feinen Vorort; Ansehen im Stadtrat und in der Nachbarschaft. Das Geld stimmt. Was erwartet man noch? Die Kinder sind groß, die Lebensaufgaben in geregelte Bahnen gelenkt und die Ehepartner eingespielt. Zwar sind die Werte nicht mehr die von damals, aber man weiß, wie Leben funktioniert. Hier und da müssen Abstriche gemacht werden. Von nichts kommt nichts. Leben ist teuer.

Bauunternehmer Schmidt hat es gut im Griff. Klar ist er korrupt. Das sind in seiner Branche alle, so meint er zumindest. Sicher ist er ein wenig geizig. Wer das Geld zum Fenster rauswirft, der kann es schließlich nicht auf der Bank haben. Man muss begreifen, wo und wie der Hase läuft. Und das hat er, da ist er sich sicher. Leicht ist es nicht, all die kleinen „Unterstützungen“ für die Stadtverantwortlichen und den Baudezernenten. Die Kontaktpflege zur Frau Gemahlin Baudezernent bedarf ebenfalls viel Fingerspitzengefühl. Hier bringt Herr Schmidt seine Opfer. Denn er ist nicht mehr der Jüngste. Und ein Verhältnis, das mit seiner jungen Sekretärin, würde ihm an sich schon reichen. Aber wenn die Gattin des Baudezernenten nun einmal ihn als Liebhaber auserkoren hat. Was soll er tun? Ganz ohne Stress geht es nicht. Drei Frauen, das erfordert höchst strategisches und organisatorisches Handeln. Aber Erfolg kommt nicht von allein.

 

Was außen glänzt ist lang im Inneren verkümmert

Es ist ein Abend wie so viele andere. Frau Schmidt telefoniert mit ihrer besten Freundin, Herr Schmidt kommt zu spät nach Hause. Wie so oft gibt es noch Programm, Oper, Theater oder Charity -Events. Etwas Abwechslung muss sein und die besten Geschäfte entstehen am Abend und in Gesellschaft. Die Kleinkriege auch. Anfangend im Bad zwischen den Eheleuten. Denn der Anblick ist lange nicht mehr so ansprechend wie vor 20 Jahren. Beide sind leicht aus der Form geraten. Aber vielleicht ist auch die Kleidung schuld, die stetig einläuft und die nicht mehr recht passen will. Sticheln und Hänseln stehen auf der gegenseitigen Tagesordnung. Doch man nimmt es gelassen hin, das Leben ist gut eingerichtet und keiner braucht ein unnötiges Risiko. In der Kunstausstellung geht es mit den Kleinkriegen und Intrigen weiter. Jeder kämpft um seinen Vorteil. Doch dann kommen die Lügen geballt auf den Tisch. Ein von Herrn Schmidt mit den üblichen Schmiergeldern eingeheimster lukrativer Abriss- und Neubau-Auftrag auf ehemaligem Hafengelände entpuppt sich als trojanisches Pferd. Das abzureißende Haus wird als Künstlerhaus genutzt und die nahende Schließung stößt auf kräftigen Widerstand. Zugleich kommen Schmidts „zweckdienliche“ Affären ans Tageslicht und die betrogenen Frauen sinnen auf Rache. Frau Wuttke, seine Sekretärin, investiert sein Geld in Flop-Geschäfte. Frau Schmidt findet schon auf der Künstler-Benefiz-Veranstaltung am gleichen Abend Trost im Künstler Boris. Sie wird zur erbitterten Feindin im Hafenprojekt. Mit den Waffen einer Frau kämpft sie für den Erhalt des Hauses und verwirklicht sich selbst, indem sie mit Pressekampagnen und Bürgerinitiativen alles tut, um den Abriss zu verhindern und ihren Gatten zu ruinieren.

Andraes Stück ist eine humorvolle, satirisch überspitzte Komödie, die sich lustvoll Klischees bedient, um sie pointiert und mit einer guten Portion Neusser Heimatkolorit zu servieren. Ein Rosenkrieg garniert an Wirtschaft und Politik, an Gier, Verantwortungslosigkeit und Egozentrik. Ein spaßiger Abend, leicht und locker im Genuss.

(Weiter Vorstellungen 02., 29. und 30. November sowie am 28. und 29. Dezember um 20 Uhr. Nähere Infos unter www.tas-neuss.de)