Liebe, Partnerschaft, Sexualität – Beratung und Hilfe für Menschen mit Behinderung

31. Oktober 2013 | Von | Kategorie: Aktuelles, Neusser Leben

Fast jeder weiß, dass das mit der Liebe oft keine einfache Sache ist. Leicht vorstellbar, dass das Thema noch schwieriger für Menschen mit einer körperlichen, geistigen oder auch psychischen Behinderung ist. Doch in Neuss gibt es seit Anfang des Jahres eine neue Beratungsstelle der St. Augustinus-Behindertenhilfe. Im „Netzwerk Bleichgasse“ beantwortet ein kompetentes und einfühlsames Beraterteam alle Fragen rund um Partnerschaft, Sexualität und auch Familie.

„Bei uns steht der einzelne Mensch im Mittelpunkt. Wir beantworten seine Fragen und unterstützen ihn zu einer Lösung seiner Probleme zu kommen“, erklärt Gabriele Canjé. Die Neusser Diplom-Pädagogin arbeitet schon seit 1995 für die St.Augustinus Behindertenhilfe und ist nun seit Januar stundenweise im Netzwerk Bleichgasse eingesetzt. Die 52-Jährige ist hauptsächlich Ansprechpartnerin für die weiblichen Beratungssuchenden. Ansprechpartner für die Männer – „aber nicht nur“ wie er betont – ist Fabian Rohde. Der 27-Jährige ist ausgebildeter Sexualpädagoge, arbeitet seit 2008 für die Behindertenhilfe und ist neben seiner Hauptaufgabe als Sexualberater auch noch im Bereich „ambulant betreutes Wohnen zu Hause“ tätig. „Die Fragestellungen meiner männlichen Klienten gehen doch meistens in Richtung Sexualität. Besonders Menschen mit körperlicher Behinderung wollen dann etwa wissen `wie geht das überhaupt? ` oder `was kann ich mir als Partner wünschen?`. Auch Probleme innerhalb einer Partnerschaft werden thematisiert“, erzählt er. Bei den Frauen sei Sexualität zwar ebenfalls ein Thema, zum Beispiel was Verhütung angeht, ergänzt seine Kollegin, aber hier drehe sich auch viel um Konflikte mit dem Partner und der Umwelt, z.B. den Eltern, sowie um die Gestaltung von Beziehungen. „Ich höre oft von den Frauen ´Ich weiß doch, was ich möchte, aber die anderen verstehen mich nicht´“, so Canjé. Wichtig sei bei ihrer Arbeit, darin sind sich beide einig, sich auf die Klienten einzustellen und „sehr sensibel“ vorzugehen. Ihr Ziel ist es, im Gespräch den Menschen dahin zu bringen, „dass er selber den Weg findet“. Besonders schwierig kann die Beratungsarbeit dann werden, wenn es ums Heiraten oder einen Kinderwunsch geht: „Es muss dabei ein realistisches Bild vermittelt werden. Hoffnung kann man zwar immer haben, aber man muss den Menschen auch auf eine Enttäuschung vorbereiten“, sagt Rohde. Und Canjé ergänzt: „Man muss dann eher gucken, wie man ihm andere Perspektiven aufzeigen kann.“

Starke Nachfrage

Die Beratungsstelle befindet sich noch im Aufbau. Bisher gibt es Einzel- und Paarberatungen, geplant sind aber auch Gruppenangebote, Info- und Themenabende und Workshops. „Wir müssen erst noch stärker die Interessen, Bedürfnisse und Fragestellungen unserer Klienten kennenlernen“, erklärt Canjé. Daraus wollen sie dann gezielt ihre Angebote entwickeln. So könnten sie sich auch gut ein Gruppenangebot für Angehörige vorstellen. Außerdem soll es Mitarbeiterschulungen geben, damit auch Kollegen von ihren Erfahrungen profitieren und Tipps und Hilfestellungen für ihre eigene Arbeit bekommen. Die Nachfrage ist definitiv da: „Wir haben wöchentlich etwa 10 bis 15 Beratungen und einen festen Klientenstamm von über 20 Personen“, so Rohde. Das Alter spielt dabei offenbar keine Rolle: „Wir haben Klienten von 18 Jahren aufwärts“, verraten Canjé und Rohde, „Es ist sogar einer dabei, der schon fast 60 ist“. Das unabhängige und kostenlose Beratungsprojekt der St. Augustinus-Behindertenhilfe hat auch die „Aktion Mensch“ überzeugt: Sie fördert und unterstützt das Engagement mit einer großzügigen Geldspende aus den Einnahmen der Lotterie.

„Schatzkiste“

Neben der Beratung in Sachen Liebe gehört zum Angebot des Netzwerks Bleichgasse quasi ergänzend die „Schatzkiste Neuss“. Unter der Regie von Fabian Rohde ist das eine Kontakt- und Partnervermittlung nur für Menschen mit Behinderung. Auch das ist neu und einmalig im Rhein-Kreis Neuss. „Hier soll nicht nur der Partner oder die Partnerin fürs Leben gefunden werden, sondern es sollen auch soziale Kontakte geknüpft und Freundschaften geschlossen werden“, erklärt Rohde. Genau wie in jeder anderen Partnerbörse, gehe es darum, Menschen mit gleichen Interessen zusammen zu bringen. So war die „Schatzkiste“ im Oktober Mitveranstalterin einer ersten Single-Party im Haus der Jugend. Unter dem Motto „Gurke trifft Tomate“ wurde hier gemeinsam gefeiert und zugleich konnten erste Schritte in Sachen Liebe oder Freundschaft gemacht werden. Das kam bei den rund 30 Partygästen offenbar so gut an, dass eine Wiederauflage geplant wird.

Offene Sprechzeiten von Fabian Rohde und Gabriele Canjé sind Dienstag und Donnerstag jeweils 16.30 – 18.30 Uhr im Beratungsbüro in der Bleichgasse 4. Informationen gibt es unter 02131 – 52 91 92 86.