Musikalisch geistreicher Zeughaus-Genuss

3. Mai 2013 | Von | Kategorie: Neusser Kultur

Erfolgsgeigerin Midori interpretiert Bach im WDR-Doppelkonzert

Schon mit 14 Jahren stand sie zusammen mit Musikgiganten wie Leonard Bernstein auf der Bühne. Sie war ein Wunderkind an der Geige, spielte sich in die Herzen großer Komponisten, Dirigenten und in die des Publikums. Doch das ist nicht die einzige Begabung der Violinistin aus dem japanischen Osaka, soziales Engagement ist ihr schon lang ein wichtiger Wirkungsbereich. Auch, aufgrund eigener Lebenserfahrung. Auch, weil sie zeitweise dem Konzertbetrieb und dessen Leistungsdruck den Rücken kehrte. Doch glücklicherweise hat die Musik sie wieder. 30-jähriges Bühnenjubiläum feiert die Geigerin Midori in diesem Jahr. Wie schön, dass man daran in Neuss teilhaben darf: Am 14. und 15. Mai gastiert sie im WDR-Doppelkonzert im Neusser Zeughaus.

Sie ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit, ihr Lebensweg mit vielen Höhen, aber auch Tiefen versehen. Bei Midori stand stets ein reflektierter, nach Stärke strebender Charakter hinter der äußerlich zarten Erscheinung. „Mädchen (14) erobert Tanglewood mit drei Geigen“, betitelte einst die New York Times auf der ersten Seite. Ein Ereignis ging diesen Zeilen voraus, das ihre Größe und aufrechte Persönlichkeit früh offenbarte. Ein Auftritt beim Tanglewood Festival im Jahr 1986 unter der Leitung von Leonard Bernstein: Midori spielt das Solo in dessen Serenade für Violine und Orchester, als ihre E-Saite der kindgerechten Siebenachtel-Amati die Spannung nicht halten kann. Doch auch die höchste Saite der ihr gereichten Stradivari des Konzertmeisters Malcolm Lowe reißt kurz darauf. Erst mit der dritten Geige, dann vom zweiten Konzertmeister Max Hobart, einer Guadagnini, bringt Midori ihr Spiel zu Ende. Das ohne Tadel mit eisernen Nerven, mit harter Disziplin und unglaublicher Leidenschaft. Hochachtung bei allen Anwesenden. Selbst Maestro Bernstein geht an diesem Tag vor Bewunderung vor dem Mädchen in die Knie.

Inzwischen ist Midori 41 Jahre alt, hat viele renommierte Preise gewonnen und wurde international geehrt. Sie ist „eine Vollblutkünstlerin, die weiß, was sie will“, wie auch die New York Times ihr noch kürzlich zuerkannte. Denn Midori ist eine Denkerin mit gesellschaftlichem Engagement, die die intensive musikalische Zwiesprache mit ihrem Publikum sucht. Ob zu Gast auf den großen Konzert- und Kammermusikpodien oder unterwegs zu sozialen Projekten in aller Welt, Midori hat eine Botschaft: eine Ansage an den Respekt unter Menschen, an musikalische Leidenschaft und an ein friedliches Miteinander. So ernannte Ban Ki-moon, Generalsekretär der Vereinigten Nationen, die Künstlerin im September 2007 zur Botschafterin des Friedens. Auch das ist eine starke Seite an Midori.

Jubiläumssaison der japanischen Friedensbotschafterin

Aber der, der Stärke hat, der kennt auch Schwäche, hat die goldene Medaille meist von beiden Seiten einmal betrachtet. Ihren ersten öffentlichen Auftritt gab sie als Sechsjährige mit einer der Solo-Capricen von Paganini. Mit 11 Jahren zog sie mit ihrer Mutter von Osaka nach New York, um bei Dorothy DeLay an der Juilliard School zu studieren. Im selben Jahr debütierte Midori beim Silvesterkonzert der New York Philharmonic unter Zubin Mehta. Nach großen Erfolgen als gerade mal 20-Jährige, nach Auftritten mit Daniel Barenboim und Isaac Stern, zieht sie sich aus dem Musikgeschäft zurück. Sie hatte mit Zubin Mehta und den Berliner Philharmonikern die Violinkonzerte von Béla Bartók eingespielt und mit dem London Symphony Orchestra Paganini aufgenommen. Dann war erst einmal Schluss, der Leistungsdruck zu groß, der Körper dem nicht mehr gewachsen. Midori sagte alle Konzerte ab und ließ sich psychologisch betreuen. Anschließend studierte sie selbst Psychologie.

Mittlerweile hat die Musik sie zurück, lebt sie in Los Angeles, wo sie als Professorin an der University of Southern California unterrichtet. Mit ihren vier gemeinnützigen Organisationen sorgt sie überdies weltweit immer wieder für neue Anstöße. „Musik hat die wunderbare Eigenschaft, Kommunikation zu stiften“, erklärte sie im Zeit-Interview. „Weil ich Geigerin bin, ist es doch denkbar, dass ich durch Musik auf Menschen einwirke, denen ich niemals begegne. Ich finde, das ist eines der Wunder, die Musik vollbringt.“

Midoris Jubiläumssaison ist durch viele krönende Ereignisse geschmückt, sei es u.a. durch ein eigens für sie bei Peter Eötvös in Auftrag gegebenes Violinkonzert. Im April 2013 wird es unter Kent Nagano mit dem Gewandhaus-Orchester Leipzig zur Aufführung gebracht. Danach gastiert sie mit Sonaten und Partiten von Johann Sebastian Bach im Neusser Zeughaus. Die Anregung zu diesem Doppelkonzert am 14. und 15. Mai kam vom WDR3, der das Konzert auch aufzeichnet. Das Neusser Publikum kann dem Sender und dem Kulturamt Neuss für die Realisation dankbar sein. Und wird es sicher auch.

(Nähere Infos unter www.zeughauskonzerte.de)