Skelette wie Embryos im Farbraum schwebend

28. März 2013 | Von | Kategorie: Neusser Kultur

 

skulls & bones“ von Melanie Richter in der Alten Post

Krasse Farben, auch komplementär gegenübergestellt, in kräftige Schwünge versetzt. Bewegung im Bild. Gegenstände aus dem Alltäglichen in einen neuen eigenständigen Kosmos gesetzt. Das ist die Handschrift der in Düsseldorf wohnenden und in Neuss arbeitenden Malerin Melanie Richter. Gerade sind einige Werke von ihr in der Alten Post zu sehen, die einmal mehr in bildnerisch neue Sphären verweisen. Die Ausstellung „skulls & bones“ widmet sich motivisch dem menschlichen Knochenbau. Noch bis zum 7. April zeigt sich hier eine farbenprächtig schöpferische Welt skurriler Dinglichkeit.

Es ist eine ganz eigentümliche Sprache, die sie für ihre meist großformatigen Werke wählt. Motive aus dem Leben. Mal sind es Gläser und Flaschen, dann Kerzen und Kandelaber oder auch Schutzanzüge und Astronauten. Dazu gibt es klare Farben in dickem Auftrag, schwungvolle Struktur und einprägsame Formen. Es ist nie zu viel, was sich inhaltlich auf die Leinwand gräbt; ein Kerzenleuchter, ein Spacebaby, ein Airbag. Und doch ist das, was zu sehen ist, wie eine Geschichte, die sich vom Gegenstand in den Raum aufzieht. Es sind keine Detailstudien, die Melanie Richter betreibt, auch wenn sie der Lebendigkeit ihrer Bilder vorauseilen mögen. In der Malerei hat sich die Künstlerin, die ihr Atelier an der Neusser Salzstraße hat, lange von diesen befreit, gibt den Dingen neuen Platz und eine eigenständige Welt.

So auch in ihren aktuellen Werken. Ein Skelett hat sie von einer Freundin geschenkt bekommen. Einen Menschen ohne Körper, kein Fleisch, keine Sehnen, keine Muskeln. Und doch ein Teil dessen, was den Menschen ausmacht, ihn trägt und letztendlich das ist, was von ihm übrigbleibt. Ein Gegenstand, den man nur schwer dem Bezug entzieht, auch wenn die Bewegung, die am Skelett verbleibt, nicht mehr zum Menschen passen mag. Was sich dann bei Melanie Richter daraus formt, ist eine bizarre Sicht auf körperliche Gegebenheiten. Die Knochen einer Hand, ein Arm, Gelenke, teils seltsam verdreht, der Funktionalität entfremdet. Kurios, am Anfang auch gewöhnungsbedürftig, strahlen einen Knochengebilde entgegen, lachen einen Schädel nahezu an. Farbe und Struktur entheben sie der Morbidität lassen sie eigene Behauptung finden.

Tod und Leben als Einheit

Feingliedrig in ihre einzelnen Gelenkknöchelchen aufgelöst eine gelbe Hand in roter Kontur, umringt von gelben und roten Tropfen auf grauem Untergrund. Daneben hängt ein grünes Skelett in Rückenansicht auf Meerblau. Ein „Mensch“ von hinten, der Schädel wachsübergossen, die Kerze noch aufs Haupt gesetzt. Kurz darauf sieht man ein Skelett von einer Blase umhüllt, schwebend wie ein Embryo im Mutterleib gebettet. Die Präsentation zeigt tiefe Augenmulden und dunkle Töne der Vergänglichkeit gepaart mit hellen, grellen Leuchtfarben als Ausdruck der Vitalität. Leben und Tod sind ineinander gepackt. Gegenständlichkeit, Gefühl und Geschichte, werden in die Halle entlassen, ohne sie in Verbindlichkeit aneinander zu haken. Fast wie ein Spiel mit den Komponenten des Lebens wirkt diese neue Serie der an der Düsseldorfer Kunstakademie unter Dieter Krieg studierten Künstlerin. Gebeine hat sie unkompliziert und plakativ ins Bild gebannt. Wie in früheren Arbeiten entzieht sie das Objekt durch abstrahierende Verfremdung seiner Trivialität; zieht sich der Blick zu neuer Perspektive auf.

Struktur durch Wachs

Eine bizarre Welt. Skurrile Bilder. Auch eine spezielle Technik, die dahinter steht. Melanie Richter arbeitet mit hochwertigem Industriewachs, mit Stearin, das sie anfänglich heiß auf die ungrundierte, liegende Leinwand bringt. Darauf verarbeitet sie Farben und Farbpigmente, die sie zusammen mit dem Wachs durch Erhitzen partiell wieder zum Schmelzen bringt. So entstehen, bewusst genauso wie dem Material geschuldet, Strukturen, die sie einbindet, fortführt und noch weiter überarbeitet. Eine Technik, die dem Material sehr verbunden ist und den pop-art-mäßigen Ansätzen eine gewisse Schwere gibt. Gegensätzlichkeit, das ist auch ein Ansatz, ihr Schaffen näher zu ergründen, denn die Gegensätze in Farbe, Form und Funktionalität heben ihre Gegenstände in eine Art virtuellen Raum.

Es sind Dinge aus dem Alltäglichen. Gegenstände, die sich durch Malerei ihrer Banalität entziehen und eine neue Wirklichkeit im Bild entwickeln. Eine Kunst, die gut in diese Zeit passt. Spannend wie befremdlich, eigenständig und konsequent. Moderne Kunst, kraftvoll und farbenprächtig, die zielgerichtet Themen aufgreift und sie mit Fragen versehen im Leben schweben lässt.

(Ausstellung „skulls & bones“ von Melanie Richter noch bis zum 7. April in der Alten Post, Mo.-Fr. 9 bis 17 Uhr; Sa. 14 bis 18 Uhr; So. 12 bis 18 Uhr; Eintritt frei. Weitere Projekte u. Infos unter www.melanierichter.de)